Richtlinie zur Verkürzung der Restschuldbefreiung

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Ich schaue in die Röhre, Kleines

Bevor wir auf die Problematik der aktuellen Entwicklung eingehen, zunächst ein kleiner Rückblick zum Ausblick. Der Rat der Europäischen Union stimmte am 06. Juni 2019 mit der dazu erforderlichen Mehrheit für die Annahme der Richtlinie über präventive Restrukturierungsmaßnahmen.

Der Beschluss

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ließ verlautbaren, dass sie im Zuge der Umsetzung der europäischen Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie die reguläre Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von derzeit sechs auf drei Jahre zu verkürzen plant. Um jedoch einen abrupten Übergang von der sechsjährigen zur dreijährigen Entschuldungsfrist zu verhindern, ist es geplant, die Fristen durch eine Übergangsregelung nach und nach zu kürzen. Die dreijährige Frist soll allmählich und kontinuierlich eingeführt werden. Dies hat den Sinn, dass Unternehmen in Hinblick auf die Verkürzung das Insolvenzverfahren nicht hinauszögern könnten, um sich in den Genuss einer substantiell kürzeren Frist zu bringen.

Die EU-Richtlinie 2019/1023 vom 20. Juni 2019 über Restrukturierung und Insolvenz schreibt vor, dass unternehmerisch tätige Personen Zugang zu einem Verfahren haben müssen, das es ihnen ermöglicht, sich innerhalb von drei Jahren zu entschulden. Die Richtlinie ist bis zum 17. Juli 2021 umzusetzen; die Umsetzungsfrist kann aber einmalig um ein Jahr verlängert werden.

Einfluss der Corona-Krise

So weit, so gut. Doch in der Zwischenzeit ereignen sich, durch die Corona-Krise bedingt, wahre Horrorszenarien in der Wirtschaft und es dürfte nicht das Ende sein. So flog die Lufthansa aus dem Deutschen Aktienindex und rutschte in den MDax der mittelgroßen Werte ab, ein Beispiel von vielen Titanen der Wirtschaft, die um ihr Überleben kämpfen. Der Pyramide weiter nach unten folgend verschlimmert sich das Szenario zunehmend, bis letztlich zu den ganz Kleinen des Marktes – oder was von ihnen inzwischen übrig bleibt.

Hier sollte die Richtlinie die der europäische Gesetzgeber – die Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (EU 2019/1023 vom 20.06.2019, L 172/18) – Abhilfe schaffen. Die Richtlinie enthält Regelungen zum präventiven Restrukturierungsrahmen, Regelungen zur Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierung und Insolvenzverfahren. Im Zuge dessen war beziehungsweise ist der deutsche Gesetzgeber dazu angehalten die Richtlinie nun schrittweise umzusetzen.

Bereits erfolgte hierzu am 13.02.2020 durch das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz ein Referentenentwurf zu einem Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens. Gemäß dieser soll eine Restschuldbefreiung künftig schon ab drei Jahren sowohl für unternehmerisch tätige Personen wie auch für Privatpersonen möglich sein. Das geplante Zeitintervall für die Umsetzung der Richtlinie ist insgesamt nicht hinlänglich bestimmt, jedoch hat der Bundestag spätestens bis zum 17.07.2021 Zeit dafür.

Und hier liegt das Problem, welches derzeit für viele Unsicherheiten sorgt, denn es wird von führenden Experten damit gerechnet, dass als Folge der Corona-Pandemie spätestens im Herbst dieses Jahres überdurchschnittlich viele Verbraucher und Unternehmen unverschuldet in eine finanzielle Schieflage geraten werden. Doch statt die Gesetzesentwürfe zur Reformierung des Insolvenzrechts möglichst schnell und effektiv umzusetzen, um ein drohendes Fiasko zu verhindern, sorgt die Bundesregierung für zusätzliche Verunsicherung bei den Verbrauchern mit einer unzureichenden Umsetzung des Entwurfes. Grund hierfür ist das Eckpunktepapier zum Konjunkturpaket 2.

Das Konjunkturpaket 2

Hier ein Auszug:

Punkt 9 des Eckpunktepapiers:

Die Corona-Pandemie kann dazu führen, dass viele Unternehmen unverschuldet in finanzielle Schieflage geraten. Mit den zahlreichen Unterstützungsmaßnahmen helfen wir den Unternehmen, Insolvenzen zu vermeiden. Wo dies trotz aller Anstrengungen nicht möglich ist, soll ein schneller Neustart nach einer Insolvenz erleichtert werden. Deshalb soll das Entschuldungsverfahren für natürliche Personen auf drei Jahre verkürzt werden, flankiert durch ausreichende Maßnahmen zur Missbrauchsvermeidung. Die Verkürzung soll für Verbraucher befristet sein und das Antragsverhalten der Schuldner soll nach einem angemessenen Zeitraum evaluiert werden, dies auch im Hinblick auf etwaige negative Auswirkungen auf das Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten. Im Bereich der Unternehmensinsolvenzen soll ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren eingeführt werden.

Darin wird auf der einen Seite eine Verkürzung des Entschuldungsverfahrens für natürliche Personen auf drei Jahre angekündigt. Andererseits werden alte Fragen aufgeworfen, die bereits lange geklärt schienen. Die Verkürzung des Privatinsolvenzverfahrens kommt. Nun ist von einer befristeten Verkürzung der Verfahrenslaufzeit die Rede. Dies würde einen enormen Rückschritt bedeuten, denn der Referentenentwurf sieht zwar eine sukzessive Verkürzung vor, diese aber unbefristet. Darüber hinaus ist es weiterhin offen und fraglich, ob die im November 2019 angekündigten schrittweise Reduzierung der Verfahrenslaufzeit in Kraft treten wird bzw. was mit den Insolvenzverfahren geschieht, die in Vertrauen auf die Regierung bereits eröffnet worden sind.

Auswirkungen auf die Betroffenen

Diese unsichere Rechtslage schlägt sich auch auf die Beratungsleistungen der Betroffenen nieder, denn wie kann man diese Menschen sicher durch einen Sturm navigieren, wenn bedingt durch die unzureichende, widersprüchliche und teils auch träge Umsetzung eine normative Nebelbank seitens der Regierung aufgebaut wird. Besonders deutlich wird dies Anhand der hier dargestellten Auszügen aus dem geplanten Gesetz und der damit zusammenhängenden Tabelle, welche die jeweiligen Zeiträume aufschlüsselt:

Nach Artikel 103j des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2911), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 5. Juni 2017 (BGBl. I S. 1476) geändert worden ist, wird folgender Artikel 103k eingefügt:

„Artikel 103k“

Überleitungsvorschrift zu Artikel 1 des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

  • Auf Insolvenzverfahren, die vor dem … [einsetzen: Datum des ersten Tages des auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Quartals] beantragt worden sind, sind vorbehaltlich des Absatzes 2 die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden.
  • In Insolvenzverfahren, die im Zeitraum vom 17. Dezember 2019 bis einschließlich 16. Juli 2022 beantragt werden, verkürzt sich die Abtretungsfrist im Sinne des § 287 Absatz 2 Satz 1 der Insolvenzordnung für jeden vollen Monat, der seit dem 16. Juli 2019 bis zur Stellung des Insolvenzantrages vergangen ist, um denselben Zeitraum. Demgemäß beträgt die Abtretungsfrist:
Datum der Stellung des Insolvenzantrages: Abtretungsfrist:
zwischen dem 17. Dezember 2019 und 16. Januar 2020 fünf Jahre und sieben Monate
zwischen dem 17. Januar 2020 und 16. Februar 2020 fünf Jahre und sechs Monate
zwischen dem 17. Februar 2020 und 16. März 2020 fünf Jahre und fünf Monate
zwischen dem 17. März 2020 und 16. April 2020 fünf Jahre und vier Monate
zwischen dem 17. April 2020 und 16. Mai 2020 fünf Jahre und drei Monate
zwischen dem 17. Mai 2020 und 16. Juni 2020 fünf Jahre und zwei Monate
zwischen dem 17. Juni 2020 und 16. Juli 2020 <fünf jahre=““ und=““ ein=““ monat<=““ td=““> </fünf>
zwischen dem 17. Juli 2020 und 16. August 2020 fünf Jahre
zwischen dem 17. August 2020 und 16. September 2020 vier Jahre und elf Monate
zwischen dem 17. September 2020 und 16. Oktober 2020 vier Jahre und zehn Monate
zwischen dem 17. Oktober 2020 und 16. November 2020 vier Jahre und neun Monate
zwischen dem 17. November 2020 und 16. Dezember 2020 vier Jahre und acht Monate
zwischen dem 17. Dezember 2020 und 16. Januar 2021 vier Jahre und sieben Monate
zwischen dem 17. Januar 2021 und 16. Februar 202 vier Jahre und sechs Monate
zwischen dem 17. Februar 2021 und 16. März 2021 vier Jahre und fünf Monate
zwischen dem 17. März 2021 und 16. April 2021 vier Jahre und vier Monate
zwischen dem 17. April 2021 und 16. Mai 2021 vier Jahre und drei Monate
zwischen dem 17. Mai 2021 und 16. Juni 2021 vier Jahre und zwei Monate
zwischen dem 17. Juni 2021 und 16. Juli 2021 vier Jahre und ein Monat
zwischen dem 17. Juli 2021 und 16. August 2021 vier Jahre
zwischen dem 17. August 2021 und 16. September 2021 drei Jahre und elf Monate
zwischen dem 17. September 2021 und 16. Oktober 2021 drei Jahre und zehn Monate
zwischen dem 17. Oktober 2021 und 16. November 2021 drei Jahre und neun Monate
zwischen dem 17. November 2021 und 16. Dezember 2021 drei Jahre und acht Monate
zwischen dem 17. Dezember 2021 und 16. Januar 2022 drei Jahre und sieben Monate
zwischen dem 17. Januar 2022 und 16. Februar 2022 drei Jahre und sechs Monate


Zu Nummer 2 (Änderung von § 287)

Der dem § 287 Absatz 2 InsO angefügte Satz steht im Zusammenhang mit dem durch Artikel 2 dieses Entwurfs eingefügten Artikel 103k des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGInsO). In ihrem Zusammenspiel sehen die beiden Vorschriften eine schrittweise Verkürzung der Abtretungsfrist und damit der regulären Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens vor. Von der derzeit sechsjährigen Abtretungsfrist ist, beginnend mit dem 17. Dezember 2019, der in vollen Monaten zu bemessende Zeitraum in Abzug zu bringen, der zum Zeitpunkt der Antragstellung seit dem Inkrafttreten der Richtlinie vergangen ist. Die monatsweise Verkürzung der Verfahrensdauer um jeweils einen Monat endet zum 17. Juli 2022, wenn sich die Abtretungsfrist auf drei Jahre verkürzt haben wird.

In diesem Zusammenhang kann sich bei mehreren Insolvenzanträgen die Frage stellen, welcher Antrag der für die Bestimmung der verkürzten Abtretungsfrist relevant ist. Es soll dabei auf den ersten zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führenden Insolvenzantrag ankommen, unabhängig davon, ob es sich um einen Eigen- oder Fremdantrag handelt.

>Durch den allmählichen Übergang soll vermieden werden, dass insolvente Schuldner und Schuldnerinnen dazu übergehen, die Einleitung des Verfahrens zu verzögern, um sich mit Inkrafttreten der künftigen Regelungen in den Genuss einer wesentlich kürzeren, namentlich nur halb so langen Verfahrensdauer bringen zu können und auf diese Weise zu einer schnelleren Restschuldbefreiung zu kommen. Aufschübe dieser Art würden, wenn sie systematisch erfolgten, einen Verfahrensstau verursachen, der sich zum Inkrafttreten des künftigen Rechts in einer Verfahrensschwemme entladen und damit zu außergewöhnlichen Schwankungen bei der Auslastung der Gerichte, Schuldnerberatungsstellen und Verwalterbüros führen würde. Ein abrupter Übergang zum neuen Recht droht zudem mit Ungerechtigkeiten einherzugehen, wenn die Verfahrenslänge bei Antragstellungen rund um den Tag des Inkrafttretens davon abhinge, wann der Antrag konkret gestellt wurde. Zur Vermeidung dieser Folgen soll der Übergang zum neuen Recht allmählich vollzogen werden, indem sich die Abtretungsfrist in einem Übergangszeitraum monatsweise um je einen Monat verkürzt, bis sie sich zum 17. Juli 2022 auf drei Jahre verkürzt haben wird.

Hierdurch wird der Schuldnerseite von vornherein die Möglichkeit genommen, durch Zuwarten zu einer früheren Restschuldbefreiung zu kommen. Wartet eine Schuldnerin oder ein Schuldner mit der Verfahrenseinleitung zu, verkürzt sich zwar die Verfahrensdauer nach Maßgabe des Artikels 103k Absatz 2 EGInsO-E, dies allerdings stets nur um den zugewarteten Zeitraum. Die Summe aus zugewarteter Zeit und Verfahrensdauer bleibt immer gleich.

Pressemitteilung vom 01. Juli 2020

Mit der Pressemitteilung auf den Seiten des Bundesministeriums der Justiz vom 01. Juli 2020 zum verkürzten Restschuldbefreiungsverfahren sorgt die Bundesregierung vollends für Unsicherheit. Darin heißt es:

Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre soll für alle Insolvenzverfahren gelten, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt werden. Damit können auch diejenigen Schuldnerinnen und Schuldnern bei einem wirtschaftlichen Neuanfang unterstützt werden, die durch die Covid-19-Pandemie in die Insolvenz geraten sind. Für Insolvenzverfahren, die ab dem 17. Dezember 2019 beantragt wurden, soll das derzeit sechsjährige Verfahren monatsweise verkürzt werden.

Es soll also für Insolvenzverfahren, die ab dem 01. Oktober 2020 beantragt werden, schlagartig und entgegen der geplanten stufenweise Verkürzung auf drei Jahre, nun doch ab dem 01. Oktober 2020 möglich sein, das Insolvenzverfahren auf drei Jahre zu reduzieren. Es ist ohnehin fraglich, ob die so verkündete Maßnahme auch ihren normativen Niederschlag im nationalen Recht wiederfindet, oder ob das Ganze doch im Rahmen der bisher geplanten Rahmenbedingungen umgesetzt wird.

Sicht der Betroffenen

Es ist klar, dass hier seitens der von der Insolvenz bedrohten Verbraucher aber auch der Schuldenberater große Unsicherheit hinsichtlich der Ausgestaltung der richtigen Strategie ergibt. Da nämlich nicht sicher ist, ob dieser Gesetzesentwurf auch Gesetz wird, steht der Verbraucher vor der schwierigen Entscheidung, zuzuwarten, in dem Vertrauen, dass der Gesetzesentwurf so realisiert wird – oder sofort einen Insolvenzantrag zu stellen, um endlich dem Vollstreckungsdruck zu entgehen. Auch eine drohende Gewerbeuntersagung kann eine frühere Antragstellung sinnvoll machen.

Um Ihre Unsicherheit zu beseitigen, beraten wir Sie gerne in einem persönlichen Gespräch, damit Sie wissen, welcher Weg für Sie der beste ist. Fachanwalt Sebastian Braun und seine Spezialisten stehen Ihnen gerne beratend zur Seite.

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