Reise wegen Pandemie abgesagt

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Das Gesetz über die Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds

Für viele ein Traum: Sich ein Einwegticket ins Urlaubsparadies nehmen, das alte Leben hinter sich lassen und am Ort der Sehnsucht ein weitgehend paradiesisches Dasein fristen – jenseits aller Alltagshektik. So weit, so Traum. Nach einer alten Weisheit soll man jedoch mit seinen Wünschen vorsichtig sein. Denn wenn man Pech hat, gehen diese auch in Erfüllung.So geschehen bei Ausbruch der Corona-Pandemie als tausende deutsche Urlauber im Ausland festsaßen. Sie waren nur mit der vagen Hoffnung bekleidet, in ihre Heimat zurückkehren zu können, während die Reiseveranstalter, zum Teil davon betroffen, in eine Agonie rutschten und darin verharrten.

Der Reiseversicherungsfonds

Aus diesem Grund brachte das Bundeskabinett am 10.02.2021 einen neuen Reisesicherungsfonds auf den Weg und stimmte damit einem von der Bundesministerin der Justiz und Verbraucherschutz vorgelegten Gesetzentwurf zu. Dieser Entwurf sieht eine Neuregelung der Insolvenzversicherung im Pauschalreiserecht vor. Für den Fall der Insolvenz verpflichtet die EU-Richtlinie 2015/2302 Reiseveranstalter dazu, im Falle ihrer Insolvenz, die von den Reisenden erhaltenen Vorauszahlungen sowie den Rücktransport der Reisenden abzusichern. In Deutschland war diese Vorgabe in § 651r BGB umgesetzt worden. Hiernach konnte die Absicherung über Versicherungen oder Bankbürgschaften erfolgen, wobei die Haftung in beiden Fällen in einem Geschäftsjahr für zu erstattende Gesamtbeträge auf rund 110 Millionen Euro pro Jahr beschränkt werden konnte. Diese Regelung soll nunmehr gestrichen werden. Die Initialzündung für dieses Vorhaben gab die Insolvenz des Thomas-Cook-Konzerns.

Systemumstellung

Der vorgestellte Entwurf sieht neben der Umsetzung der vorbenannten Eckpunkte auch eine Systemumstellung vor. Demnach soll die Insolvenzsicherung bei Pauschalreisen künftig über einen Reisesicherungsfonds erfolgen. Der Fonds soll dabei in Form einer GmbH errichtet, sich überwiegend aus Entgelten der abgesicherten Reiseanbieter speisen und als alleiniger Insolvenzabsicherer fungieren. Lediglich Kleinstunternehmer sollen sich weiter über eine Versicherung oder eine Bank absichern dürfen.Die Möglichkeit der Haftungsbegrenzung auf 110 Millionen Euro pro Jahr wird künftig entfallen. Stattdessen knüpft die Einstandspflicht des Insolvenzabsicherers an den Maximalverlust. Nach dem Entwurf entspricht der erwartbare Maximalverlust 22 Prozent des Jahresumsatzes des jeweiligen Reiseveranstalters.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt dazu Folgendes:

„Nach geltendem Recht können Kundengeldabsicherer, die bei Pauschalreisen Insolvenzschutz bereitstellen, ihre Haftung für die von ihnen in einem Geschäftsjahr insgesamt zu erstattenden Beträge auf 110 Millionen Euro begrenzen. Die Insolvenz der deutschen Töchter des Thomas-Cook-Konzerns hat gezeigt, dass die Möglichkeit der Haftungsbegrenzung zu Unsicherheit führt und die Gefahr begründet, dass Reisende nicht so entschädigt werden, wie es das EU-Recht vorsieht. Dem wollen wir mit einer Neuregelung der Insolvenzsicherung im Pauschalreiserecht effektiv begegnen.

Wir berücksichtigen dabei, dass sich die Liquiditätslage der Reiseveranstalter durch die COVID-19-Pandemie erheblich verschlechtert hat und die Gefahr von Insolvenzen deutlich gestiegen ist. Künftig soll die Insolvenzsicherung über einen Reisesicherungsfonds erfolgen, in den die Reiseveranstalter einzahlen. Für Kleinstunternehmen soll es Ausnahmen geben. Zugleich wird die derzeitige Möglichkeit der Kundengeldabsicherer, ihre Haftung pro Geschäftsjahr auf 110 Millionen Euro zu begrenzen, gestrichen. Es wird stattdessen eine Haftungsbegrenzung auf 22 Prozent des Jahresumsatzes des jeweils abzusichernden Reiseveranstalters ermöglicht. Diese Kennziffer bildet den zu erwartenden Maximalverlust ab und stellt damit sicher, dass die Reisenden umfänglich entschädigt werden.“

Kritik

Doch es gibt auch kritische Stimmen hierzu. So sieht Beispielsweise die BVMW-Tourismus die Neuregelung der Insolvenzsicherung als dringend notwendig an. Betont jedoch dabei, dass die Branche selbst in den vergangenen Jahren bereits mehrfach auf eine unzureichende Insolvenzversicherung hingewiesen habe. Die Lage sei durch die coronabedingte prekäre Lage der Branche verschärft worden. 

Daniele Gerdes, Vorsitzende der BVMW-Kommission Tourismus, sieht die Umsetzung jedoch kritisch: „Insbesondere bei dem Aufbau des Reisesicherungsfonds und dessen langfristiger Gültigkeit fehlt es in dem vorliegenden Gesetzesentwurf an vielen Stellen an Transparenz, um die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen abschließend bewerten zu können. Gleichzeitig wird die Heterogenität der Branche an vielen Stellen nicht mitgedacht.“

Auch der Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) verdeutlicht die Nachteile des Entwurfs folgendermaßen: „Sollte der Entwurf in der aktuellen Version tatsächlich verabschiedet werden, würden allein die Prämien um das Fünffache, die Sicherheitsleistungen bis auf das Dreifache steigen.“ Damit verdeutlicht der Verband WBO die Nachteile für die mittelständischen Busreiseveranstalter einhellig.

Die Neuregelung sieht u.a. folgende Eckpunkte vor:

  1. Insolvenzsicherung über einen Reisesicherungsfonds
    Die Insolvenzsicherung bei Pauschalreisen soll künftig über einen Reisesicherungsfonds erfolgen. Für Kleinstunternehmen mit einem jährlichen Pauschalreiseumsatz von weniger als 3 Millionen Euro und für Vermittler verbundener Reiseleistungen bleibt eine Absicherung außerhalb des Fonds, beispielsweise mittels einer Versicherung oder Bürgschaft, zulässig. Für alle anderen Reiseanbieter – also für Reiseveranstalter mit einem jährlichen Pauschalreiseumsatz ab 3 Millionen Euro – gilt, dass diese einen Absicherungsvertrag mit dem Reisesicherungsfonds abschließen müssen. Voraussetzung ist wie nach geltendem Recht, dass der jeweilige Reiseveranstalter gesetzlich zur Insolvenzsicherung verpflichtet ist. Das ist der Fall, wenn er Vorauszahlungen fordert oder annimmt und/oder der Pauschalreisevertrag eine Rückbeförderung des Reisenden umfasst. Der Reisesicherungsfonds gewährleistet dann im Verhältnis zum Reisenden die Erfüllung der Pflichten des Reiseveranstalters zur Erstattung der Vorauszahlungen und zum Rücktransport der Reisenden.
  2. Fondsvermögen
    Der Regierungsentwurf sieht vor, dass das Fondsvermögen die Insolvenz des umsatzstärksten Reiseanbieters sowie eines weiteren Reiseanbieters mittlerer Umsatzgröße abdecken muss. Es müssen jedoch immer mindestens 15 Prozent des Gesamtmarktes abgedeckt sein. Liegt die Summe der Marktanteile des größten und des mittleren Reiseanbieters darunter, ist die Mindestabdeckung von 15 Prozent maßgeblich. Der mögliche Maximalverlust im Insolvenzfall wird mit 22 Prozent des Umsatzes angenommen, den ein abgesicherter Reiseanbieter mit Pauschalreisen oder der Vermittlung verbundener Reiseleistungen erzielt. Das Fondsvermögen wird aus den Entgelten der Reiseanbieter gebildet. Während der Aufbauphase gilt dies uneingeschränkt, ab 2027 kann ein Viertel des erforderlichen Kapitals auch durch eine unwiderrufliche Kreditzusage gebildet werden. Insgesamt – einschließlich der Sicherheitsleistungen – soll der Fonds bis Ende 2026 über ein Zielkapital-Volumen von 750 Millionen Euro verfügen. Die Höhe der Entgelte ist vom Fonds entsprechend festzusetzen, sie muss in der Aufbauphase aber mindestens 1 Prozent des Umsatzes der Reiseanbieter betragen. Der Staat sichert den Reisesicherungsfonds während der Aufbauphase durch eine Bürgschaft oder Garantie für einen Kredit ab, den der Reisesicherungsfonds im Schadensfall aufnehmen muss. Die staatliche Absicherung gilt bis 31. Dezember 2026 und deckt die Differenz zwischen dem vorhandenen Fondsvermögen zuzüglich der Sicherheiten und dem Zielkapital ab.
  3. Sicherheitsleistung
    Der Reisesicherungsfonds kann als Voraussetzung für den Abschluss eines Absicherungsvertrages verlangen, dass der Reiseanbieter eine individuelle Sicherheitsleistung stellt. Diese kann in Form einer Versicherung oder Bankgarantie (jeweils zugunsten des Fonds) beigebracht werden. Sie beträgt in der Aufbauphase des Fonds (bis Ende 2026) pauschal mindestens 7 Prozent des Jahresumsatzes. Nach Ende der Aufbauphase entscheidet grundsätzlich der Fonds über die Höhe der Sicherheiten. Vorgaben für Mindest- und Höchstsätze der Sicherheitsleistung können jedoch bei Bedarf per Verordnung geregelt werden. Die gestellte Sicherheit wird im Insolvenzfall vorrangig verwertet, erst anschließend wird – falls nötig – auf das Fondsvermögen zugegriffen, um die Reisenden zu entschädigen.
  4. Aufsicht und Governance
    Die Aufsicht über den Reisesicherungsfonds wird zunächst das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz übernehmen. Im Regierungsentwurf ist eine Übertragungsmöglichkeit der Aufsicht auf das Bundesamt für Justiz vorgesehen. Daneben soll auch durch eine Einbindung der wesentlichen Interessengruppen (Bund und Länder, Verbraucher, Reiseanbieter) eine strikte Governance gewährleistet werden. Der Regierungsentwurf sieht dazu einen Beirat vor, der die Geschäftsleitung des Fonds unterstützt und berät.
  5. Übergang zum neuen System
    Der Fonds soll möglichst ab dem 1. November 2021 zum alleinigen Absicherer von Reiseveranstaltern (mit der dargelegten Ausnahme für Kleinstunternehmen) werden. Der konkrete Zeitpunkt wird durch Rechtsverordnung festgelegt. Die Gestaltung des Übergangs im Einzelnen bedarf noch näherer Erörterung und Prüfung.
  6. Streichung der Haftungsbegrenzung auf 110 Millionen Euro
    Die bisherige Möglichkeit der Kundengeldabsicherer, ihre Haftung auf 110 Millionen Euro zu begrenzen, wird durch eine Änderung des § 651r BGB gestrichen. Künftig kann die Insolvenzsicherung nur noch auf 22 Prozent des Umsatzes des jeweils abgesicherten Reiseanbieters begrenzt werden. Diese Möglichkeit der Begrenzung ist erforderlich, um den beteiligten Versicherern eine Kalkulation des maximalen Risikos zu ermöglichen. Gleichzeitig ist der Prozentsatz so ausreichend bemessen, dass die abgesicherte Summe im Insolvenzfall alle zu erwartenden Schäden abdeckt.

Der Regierungsentwurf wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet und nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag übermittelt.

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