Wie der Bankrott in die Welt der Wirtschaft zog und was aus ihm wurde
Es war einmal … so beginnen meistens Märchen und Sagen. Unsere Geschichte beginnt zunächst einmal in Tarantino-Manier mit der Erklärung des Begriffes Bankrott: Bankrott, der; Adjektiv
- nicht mehr in der Lage, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen; finanziell ruiniert
- „der Betrieb ist bankrott“
Unter dem Begriff Bankrott, aus dem Italienischen banca rotta, „zerschlagener Tisch“, versteht man die Insolvenz und insbesondere die Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners. In Deutschland wird mit diesem Begriff strafrechtlich eine Insolvenzstraftat bezeichnet, und zwar nach §§ 283, 283a StGB.
Ursprung des Begriffs
Doch beginnen wir in der Zeit der Renaissance in Italien. Dort haben die Geldwechsler auf den Tischen (banco) ihre Dienste offeriert. War der Geldwechsler jedoch nicht in der Lage, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, so wurde sein Tisch zerstört. Es ging also damals bereits darum, dass finanziell angeschlagene Schuldner ihre Existenz gefährdeten.
Frühe Regeln zum Bankrott
Um das Jahr 1457 taucht der Begriff zum ersten Mal in Hamburg auf. Doch eigentlich war der Vorgang, also die herbeigeführte Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens oder eines Staats, ohne dass ein konkreter Begriff dafür erfunden war, bereits bekannt. Das englische Königshaus ließ sich seine Ausgaben von bedeutenden Florentiner Handels- und Finanzhäusern wie den Bardi oder den Peruzzi seit dem späten 13. Jahrhundert mit großzügigen Krediten finanzieren.
Die Medici befanden sich damals noch auf dem Weg zu Ansehen und Macht. Florenz galt als eine der wichtigsten Finanzmetropolen Europas, hingegen war England zu diesem Zeitpunkt ein eher armes Land. Als die Finanziers den englischen König Edward III im Jahre 1340 dazu zwingen wollten, die englische Wollproduktion zu sehr ungünstigen Bedingungen zu verkaufen und der italienischen Wollproduktion den Vorzug zu geben, strich dieser die Rückzahlung seiner Kredite radikal ein, sodass mehrere Finanzhäuser zusammenbrachen.
Daraus stiegen wiederum andere Finanziers wie die vorher genannte Familie Medici auf. Der König zahlte seine Schulden indes nie zurück, er war sie quasi so losgeworden, nicht elegant, aber effektiv allemal. Das geht natürlich, wenn man ein Herrscher ist leichter als für einen Privatmann.
Der Fall Veckinchusen
Der hanseatische Kaufmann Hildebrand Veckinchusen war zunächst mit seinem Bruder Sivert ein sehr angesehener Kaufmann in Lübeck und Brügge. Doch durch seine riskanten Geschäfte und einige Fehlspekulationen, darunter auf Salz, wurde es bald finanziell sehr eng für ihn. Seine Gläubiger, bei denen er sich für die erhofften kaufmännischen Manöver Geld zu hohen Zinsen lieh, bedrängten ihn immer mehr.
Als sich die Lage immer weiter zuspitzte, nutzte er die Antwerpener Pfingstmesse im Frühjahr 1421 zur Flucht vor seinen Gläubigern. Nach Aufenthalten in Lübeck und Köln kehrte er jedoch im Herbst 1421 nach Brügge zurück, um dort den Versuch zu wagen, seine Kredite zurückzuzahlen. Doch bereits im Februar 1422 wurde er auf Drängen eines seiner Gläubiger, eines genuesischen Bankiers, wegen einer Schuld von 120 Pfund flämisch im Brügger Schuldturm inhaftiert.
Nach dem Intervenieren seiner verbliebenen Freunde, die für seine Befreiung eine Menge Geld ausgaben, kehrte er als gebrochener und von Krankheit gezeichneter Mann nach Lübeck zurück, wo er schließlich nach kurzer Zeit verstarb. Er hatte sich so gesehen komplett ruiniert, denn anders als der englische König Edward III konnte er seine Schulden nicht einfach so verschwinden lassen.
Das Beispiel der Fuggers
Doch der hanseatische Kaufmann war beileibe nicht der Einzige, der dieses Schicksal teilte. Bei der berühmten und bis heute bestehenden Familie Fugger aus Augsburg ging es ähnlich zu, zumindest bei dem Zweig derer vom Reh. Die Firma spaltete sich im Laufe der Geschichte, sodass die beiden Zweige der Familie Fugger, die Fugger von der Lilie sowie die Fugger vom Reh, eigene Unternehmungen betrieben. Für die Zahlungsunfähigkeit der Firma der Fugger „vom Reh“ sorgte letztlich eine einzige Fehlentscheidung: ein ungenügend abgesicherter Kredit an Erzherzog Maximilian I.
Für seine Schulden ließ der Habsburger die Stadt Löwen bürgen, bei der die Forderungen der Fugger „vom Reh“ dann jedoch nicht einzutreiben waren. In den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts gerieten die Fugger „vom Reh“ deshalb in Zahlungsschwierigkeiten, ihre Firma ging Bankrott. Auch hier sorgte ein Herrscher für den finanziellen Ruin eines frühkapitalistischen Unternehmens, wenngleich nicht mit gleicher Rücksichtslosigkeit wie der englische Monarch, jedoch mit dem gleichen Effekt. Juristische Konsequenzen folgten daraus für den Verursacher nie.
Geschichte und Ist-Zustand
Die Geschichte der Finanzierungen, unabhängig welchen Couleurs, ist auch eine Geschichte der Bankrotte und Insolvenzen. Sie zeigt auf, dass es bei der Durchsetzung der Interessen der Gläubiger sehr brachial zuging. Auf die Rechte des Schuldners oder gar seinen Schutz oder eine Art Erholungsphase wurde gar keine Rücksicht genommen. Sofern er selbst nicht ein König war, hatte er schlechte Karten.
Zwar ist eine Insolvenzstraftat heutzutage mit Sicherheit kein Kavaliersdelikt und wird entsprechend auch sanktioniert, was die Betroffenen unter Umständen als hart empfinden mögen, aber die moderne Rechtsprechung und das System bieten Möglichkeiten an, die im Vergleich zu früheren Zeiten ein humanes Dasein während oder nach der Insolvenz ermöglichen. Angst davor, in einem feuchten und kalten Schuldenturm seine Gesundheit derart zu ruinieren, dass man daran verstirbt oder im besten Fall als umherziehender Bettler sein Dasein fristen muss, ist heutzutage unbegründet.
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