sekundenschlaf beim fahren

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Wenn der Autofahrer seine eigene Müdigkeit nicht bemerkt

Einen Großteil seines Lebens verbringt der Mensch schlafend. Ganze 24 Jahre und vier Monate schläft der Deutsche im Durchschnitt, einige Sekunden davon leider auch am Steuer. Das ist häufig die Ursache von Verkehrsunfällen, im schlimmsten Fall mit tödlichem Ausgang. Die Ursache dafür liegt oft in der Übermüdung, die oft unter dem Zeitdruck der Arbeitswelt, ignoriert wird. Es gibt aber auch noch andere Fälle, in denen die Müdigkeit gar nicht erst bemerkt wird, und es dadurch zum Sekundenschlaf kommt.

Der Fall

In einem solchen Fall hatte das Oberlandesgericht Celle mit seinem Urteil vom 01.07.2020, Aktenzeichen 14 U 8/20 zu entscheiden. Bei dem dem Gericht vorgelegten Fall handelte es sich um einen Verkehrsunfall, der sich in einer Märznacht im Jahre 2016 ereignet hatte. Dabei war ein Autofahrer auf einer niedersächsischen Bundesstraße bei Nebel und einer Geschwindigkeit von 75 km/h von der gerade verlaufenden Fahrbahn abgekommen und – ohne zu bremsen oder auszuweichen – in den Gegenverkehr geraten. Dort stieß er frontal mit einem entgegenkommenden Sattelzug zusammen.

Daraufhin entbrannte die Streitfrage, ob dem Autofahrer wegen eines Sekundenschlafs grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. Dies verneinte das Landgericht Lüneburg, sodass das Oberlandesgericht Celle die Entscheidung treffen musste.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht führte in seiner Entscheidung aus, dass nicht wahrgenommene Übermüdungserscheinungen den Vorwurf der einfachen Fahrlässigkeit begründen. Kommt es wegen eines sogenannten Sekundenschlafs zu einem Verkehrsunfall, so begründet dies nur dann den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, wenn sich der Unfallverursacher bewusst über die von ihm erkannten Übermüdungserscheinungen hinwegsetzt. Nimmt er diese Übermüdungserscheinungen hingegen nicht wahr, so begründet dies den Vorwurf einer einfachen Fahrlässigkeit, so die Richter in ihrer Begründung.

Da das Gericht nicht hinlänglich feststellen konnte, ob der Fahrer nun grob fahrlässig handelte oder tatsächlich die Übermüdungserscheinungen nicht erkannte, mag die Wissenschaft eine Antwort darauf geben.

Wissenschaftliche Basis

Entgegen der allgemeinen Auffassung kann der Sekundenschlaf auch mit offenen Augen ablaufen und in körperlich ausgeruhtem Zustand vorkommen. Ursächlich für dieses Phänomen ist beispielsweise eine bequeme Sitzhaltung, bei der sogenannte Barorezeptoren längs der Wirbelsäule einen Ruhezustand signalisieren, wodurch im Gehirn das Weckzentrum ausgeschaltet wird.

Wenn dann die Sinneswahrnehmung der Augen zusätzlich durch monotone Bildeindrücke unterfordert wird – zum Beispiel bei langen Autofahrten auf sich endlos ziehenden Straßenabschnitten – wird die Gehirnaktivität so weit zurückgefahren, dass Reaktionszeiten von mehreren Sekunden die Folge sind.

Die beste Gegenmaßnahme gegen ein Schlafdefizit ist es, genügend Erholungsphasen einzuplanen. In der Zwischenzeit gibt es auch Autosysteme, die auf ein Abweichen von der Fahrbahn mit entsprechenden Signalen reagieren. Trotz dieser Möglichkeit sollten stets das eigene Leistungsniveau und die damit verbundenen Leistungsgrenzen beachtet werden.

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