Gericht lehnt Schadensersatz trotz unzulässiger Datenübermittlung ab
Die adäquate Bonität einer Person stellt in der wirtschaftlichen Welt einen nicht zu unterschätzenden Wert dar, welcher darüber entscheidet, in welcher Rolle und ob überhaupt am wirtschaftlichen Leben teilgenommen werden kann. Bevor also unter anderem Kreditinstitute Geld verleihen, prüfen sie regelmäßig die Zahlungsfähigkeit des Vertragspartners in spe gründlich, um das Risiko oder die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls nach Möglichkeit zu minimieren oder gänzlich auszuschließen. So verfahren auch Mobilfunkanbieter. Fraglich ist hierbei, ob potenzielle Kunden vorab um Einverständnis zur Übermittlung ihrer Daten befragt werden müssen. Gem. Art 13 DSVGO müssen Unternehmen u.a. das berechtigte Interesse an der Bonitätsprüfung dem Kunden gegenüber mitteilen bzw. darauf hinweisen.
Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau: Kein Schadensersatz trotz Datenschutzverstoß
Nein, meint dazu das Landgericht Dessau-Roßlau. Dieses hatte am 2. August 2024 zu dem Aktenzeichen 2 O 67/24 eine Klage auf immateriellen Schadensersatz gegen einen Mobilfunkanbieter abgewiesen. Der Kläger, ein Kunde des Telekommunikationsunternehmens, hatte geltend gemacht, dass seine Vertragsdaten ohne Zustimmung an eine Auskunftei übermittelt wurden, was ihn erheblich beeinträchtigt habe. Das Gericht sah jedoch keinen nachweisbaren Schaden und verwies auf geltende Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die hohe Anforderungen an Schadensersatzansprüche bei Datenschutzverstößen stellen.
Hintergrund des Falls: Datenübermittlung ohne Zustimmung
Dem vor Gericht verhandelten Fall ging nachfolgender Sachverhalt voraus. Der Kläger schloss im Jahr 2018 einen Mobilfunkvertrag mit dem beklagten Telekommunikationsanbieter ab. Dabei übermittelte das Unternehmen, ohne eine Einwilligung des Klägers einzuholen, personenbezogene Daten an die S. Holding AG, eine große Auskunftei. Die Daten umfassten den Namen, die Anschrift, das Geburtsdatum sowie Informationen über den Vertragsbeginn und -ende, die Vertragsnummer und das sogenannte „Servicekonto“ (SK). Diese Informationen nutzte die S. Holding AG, um einen Bonitätswert (Scoring) für den Kläger zu berechnen.
Im August 2023 beantragte der Kläger eine Auskunft über die bei der Auskunftei gespeicherten Daten und stellte fest, dass seine Mobilfunkvertragsdaten dorthin übermittelt worden waren. Daraufhin forderte er mit einem Anwaltsschreiben vom 12. September 2023 Schadensersatz von seinem Mobilfunkanbieter und verlangte die sofortige Einstellung der Datenübermittlung.
Am 19. Oktober 2023 kündigte die S. Holding AG schließlich an, alle Positivdaten aus Mobilfunkverträgen in Zukunft zu löschen. Der Kläger argumentierte, dass die unerlaubte Übermittlung seiner Daten einen immateriellen Schaden verursacht habe. Er berichtete von einem Gefühl des Kontrollverlustes und anhaltenden Ängsten bezüglich seiner Bonität. Der Kläger äußerte die Sorge, dass negative Rückfragen zu seiner finanziellen Zuverlässigkeit auftreten könnten und seine Bonität im Zusammenhang mit zukünftigen Kreditvorhaben beeinträchtigt sein könnte. Dies habe ihm Schlafprobleme bereitet, da er plante, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und ihrer gemeinsamen Tochter ein Eigenheim zu erwerben.
Entscheidung des Gerichts: Kein immaterieller Schaden nachweisbar
Das Gericht wies die Klage mit Verweis auf ein EuGH-Urteil vom 4. Mai 2023 (C-300/21) ab, in dem klargestellt wurde, dass nicht jede Verletzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) automatisch einen Schadensersatzanspruch begründet. Ein Verstoß gegen die DSGVO allein reicht nicht aus; es muss ein konkreter, nachweisbarer Schaden vorliegen, der direkt auf die Datenverarbeitung zurückzuführen ist. Auch das EuGH-Urteil vom 25. Januar 2024 (C-687/21) betont, dass die bloße Befürchtung einer hypothetischen Datenweitergabe oder potenzieller Schäden nicht für die Annahme eines immateriellen Schadens ausreicht. Der Kläger konnte keinen solchen konkreten Schaden nachweisen. Seine geschilderten Ängste und Schlafstörungen, so nachvollziehbar sie auch sein mögen, wurden nicht als direkter, kausaler Effekt der Datenübermittlung angesehen. Das Gericht berücksichtigte zudem, dass der Kläger bereits in den Jahren 2015/2016 eine Auskunft bei der S. Holding AG eingeholt hatte, ohne damals ähnliche Sorgen geäußert zu haben.
Konkreter Nachweis eines Schadens erforderlich
Das Urteil verdeutlicht, dass Betroffene bei Datenschutzverstößen nicht automatisch Anspruch auf Schadensersatz haben, selbst wenn ein Verstoß nachgewiesen wird. Es erfordert einen konkreten Nachweis eines immateriellen oder materiellen Schadens, um Ansprüche geltend machen zu können. Der Fall zeigt außerdem, dass hypothetische Ängste und Sorgen, etwa über potenziell negative Auswirkungen auf den Bonitätswert wie beispielsweise bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz, nicht ausreichen, um einen finanziellen Ausgleich zu rechtfertigen.
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