Die Pfändbarkeit einer Abfindung
Wenn ein Arbeitnehmer, gegen den ein Gläubiger Zwangsvollstreckung betreibt, von einer baldigen Kündigung bedroht ist, so stellt sich die legitime Frage nach seiner jetzigen und zukünftigen Zahlungsfähigkeit, damit die Forderungen des Gläubigers gegenüber dem Schuldner gesichert sind. Auf der anderen Seite steht das Interesse des Schuldners auf Sicherung seiner Existenz, die er neben der laufenden Begleichung der Forderungen im Auge behalten muss.
Interessant wird es in Bezug auf die beiden widerstreitenden Interessen, wenn der Schuldner vom Arbeitgeber beim Ausscheiden aus dem Unternehmen eine Abfindung erhält. Hier stellt sich regelmäßig die Frage, welches Interesse bei der Pfändung überwiegt: der Schutz des Gläubigers vor dem Forderungsausfall oder der Schutz des Schuldners auf Sicherung seiner Existenz?
Was ist eine Abfindung?
Zunächst ist festzustellen, dass Abfindungen im Arbeitsleben oft als probates Mittel genutzt werden, um zu einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu gelangen und dabei einer Kündigungsschutzklage vorzubeugen. Hierfür kommt sowohl eine gesetzliche als auch eine vertragliche Abfindung infrage, die normativ wie nachfolgend geregelt sein können:
- §§ 9, 48 Wehrsoldgesetz WSG
- § 21 BeamtVG
- §§ 112, 113 BetrVG
- §§ 9, 10 KschG
In Abhängigkeit von Lebensalter und der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses werden hier bis zu 12,15 oder 18 Monatsgehälter als Abfindung zugesprochen.
Regelmäßig wird in der Praxis eine Abfindungssumme zugesprochen, die dem Ausscheidenden aus dem Arbeitsverhältnis auf der Berechnung pro Beschäftigungsjahr ein halbes Nettogehalt zuspricht. Dies ist jedoch ein Richtwert, von dem, insbesondere im Rahmen von Sozialplänen, abgewichen werden kann. Auch spielen für die Höhe der Abfindung die Unternehmensgröße wie auch der Grad der Qualifizierung des Arbeitnehmers eine entscheidende Rolle.
Gehören Abfindungen zum Arbeitseinkommen?
Nun sind aber Abfindungen anlässlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen gem. § 850 ZPO nicht eindeutig als Arbeitseinkommen definiert. Es werden hier nur Abfindungen wegen Wettbewerbsbeschränkungen erfasst. Nach herrschender Meinung jedoch werden Abfindungen von der Pfändung des Arbeitseinkommens erfasst, so zum Beispiel BGH FoVo 2010. In diesem Sinne kann die Abfindung gem. § 850 Abs.4 ZPO also unter die Mitpfändung fallen.
Wie können Abfindungen vor Pfändung geschützt werden?
Im Zuge dieser Erkenntnis stellt sich nun die berechtigte Frage, wie der Schuldner seine Abfindung vor einer Pfändung und somit vor dem Zugriff durch Gläubiger schützen kann. Da die Abfindung kein periodisch wiederkehrendes Arbeitseinkommen darstellt, kann der Pfändungsschutz nur nach § 850i ZPO, jedoch nicht nach § 850c ZPO erfolgen.
Hierbei ist die entscheidende Besonderheit zu beachten, dass der Schuldner selbst proaktiv handeln und einen gesonderten Antrag stellen muss, um Pfändungsschutz zu erlangen. Der Antrag selbst kann als sogenannter Musterantrag auf Anordnung befristeter Unpfändbarkeit nach § 850l ZPO gestellt werden. Hierbei wiederum hat der Schuldner die Möglichkeit, das Guthaben auf seinem Konto für die Dauer von drei, sechs, neun oder maximal zwölf Monaten von der Pfändung ausschließen.
Insoweit keine wiederkehrend zahlbaren Vergütungen für persönlich geleistete Arbeit bzw. Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, gepfändet werden, hat das Gericht dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, wie ihm nach der Einschätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn er sein Einkommen aus einem laufenden Arbeits- oder Dienstlohn beziehen würde. Hierbei sind alle wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu berücksichtigen.
Der Antrag kann auch abgelehnt werden, sofern ihm überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen; dies ist wiederum im Einzelfall zu prüfen.
Wie werden die Zeiträume bestimmt?
Der Unterhaltszeitraum bestimmt sich nach § 850c ZPO, wonach festgestellt wird, für wie viele Monate der Schuldner auf die Abfindung angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, und wann mit der Wiederaufnahme eines Arbeitsverhältnisses gerechnet werden kann. Auch hier ist die Abwägung des Einzelfalls vorzunehmen.
Sofern sich die Umstände und somit die ursprünglich angenommenen Voraussetzungen ändern, zum Beispiel da der Schuldner ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist, kann das Gericht gemäß § 850g ZPO auf Antrag des Gläubigers den pfändungsfreien Betrag neu festsetzen. Für die festgestellten Zeiträume bekommt der Schuldner für die gleichen Beträge, wie sie sich in einem Arbeitsverhältnis nach § 850c ergeben würden, Pfändungsschutz gewährt.
Pfändungsproblemen vorbeugen
Um Pfändungsproblemen schon im Vorfeld entgegenzuwirken, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits bei der Vereinbarung der Abfindung festlegen, dass ein Teil der Abfindung für die Überbrückung der Zeit zwischen Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses und Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses gewährt wird.
Bei all den Überlegungen sind trotzdem stets die Umstände und Interessen beider Seiten, die des Schuldners und die des Gläubigers, in Abwägung zu bringen – und zwar unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalles. Sie sollten daher möglichst schon vor der Vereinbarung einer Abfindung Kontakt mit einem Fachanwalt für Insolvenzrecht aufnehmen, um Ihre Existenz zu sichern, indem die Abfindung vor dem Zugriff der Gläubiger (teilweise) geschützt wird. Die Kanzlei BRAUN mit ihrem langjährigen und praxiserprobten Know-how zeigt Ihnen einen Weg durch die und aus der Krise. Vereinbaren Sie einen Termin an einem der Standorte:
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