Die ersten Anzeichen sind oft unspektakulär: ein Mahnbescheid flattert ins Haus, eine Kontopfändung wird angedroht, vielleicht sogar vollzogen. Was viele Unternehmen in dieser Situation unterschätzen: Wenn das Finanzamt oder die Krankenkasse die Geduld verliert, droht mehr als nur Ärger – es droht ein Insolvenzantrag von außen. Ein sogenannter Fremdantrag. Spätestens jetzt schrillen die Alarmglocken. Doch was genau passiert, wenn öffentliche Gläubiger wie das Finanzamt oder eine gesetzliche Krankenkasse die Insolvenz eines Unternehmens beantragen – und vor allem: Was lässt sich dagegen tun?
Fremdantrag – Der unbekannte Weg in die Insolvenz
Im deutschen Insolvenzrecht gibt es zwei Wege in die Insolvenz: den Eigenantrag, den das Unternehmen selbst stellt – und den Fremdantrag, wenn ein Gläubiger die Initiative ergreift. Letzteres geschieht seltener, ist aber gerade bei öffentlichen Gläubigern ein scharfes Schwert.
Ein Fremdantrag ist nur zulässig, wenn bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind. Geregelt ist das in § 14 der Insolvenzordnung (InsO): Es muss eine fällige Forderung bestehen, die tituliert ist – das heißt, ein vollstreckbarer Titel wie etwa ein Steuerbescheid (§ 249 AO) oder ein Beitragsbescheid der Krankenkasse muss vorliegen. Außerdem muss ein erfolgloser Vollstreckungsversuch nachgewiesen werden, etwa eine fruchtlose Pfändung (§ 281 AO bzw. §§ 66 ff. SGB X in Verbindung mit der Zivilprozessordnung).
Zusätzlich muss ein Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht werden, in der Regel die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO).
Wenn das Finanzamt Ernst macht
Dass das Finanzamt keinen Spaß versteht, ist bekannt. Doch dass es auch ein effektives Werkzeug in der Hand hat, um säumige Unternehmen in die Insolvenz zu treiben, ist vielen nicht bewusst. Grundlage ist § 13 InsO, der jedem Gläubiger – also auch dem Finanzamt – das Recht einräumt, einen Insolvenzantrag zu stellen. Hat ein Unternehmen Steuerschulden, die trotz Mahnungen und Pfändungsversuchen nicht beglichen wurden, kann die Finanzbehörde den Antrag einreichen – vorausgesetzt, ein Titel liegt vor (§§ 249, 251 AO), die Zwangsvollstreckung war erfolglos (§ 14 Abs. 1 Satz 2 InsO), und es liegt nachweislich Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO vor.
Doch gerade bei den formalen Voraussetzungen lohnt es sich, genau hinzusehen: Ist der Titel rechtskräftig? Wurde die Vollstreckung wirklich versucht? Selbst das Fehlen eines ordnungsgemäßen Zustellungsnachweises kann zur Unzulässigkeit des Antrags führen.
Was Krankenkassen (nicht) dürfen
Bei gesetzlichen Krankenkassen liegt die Sache etwas anders. Diese dürfen nicht selbst Insolvenz beantragen – dafür ist die zuständige Aufsichtsbehörde zuständig (§ 160 Abs. 3 SGB V). Ein solcher Antrag kommt dann infrage, wenn der Beitragsschuldner seinen Pflichten dauerhaft nicht mehr nachkommt und dadurch die Leistungsfähigkeit der Kasse gefährdet ist.
Strategien gegen den Fremdantrag
Dabei greifen auch hier die Grundregeln aus der InsO: Eine titulierte, fällige Forderung muss bestehen, die Vollstreckung muss fruchtlos verlaufen sein, und es muss ein Insolvenzgrund nach § 17 oder § 19 InsO vorliegen. In der Praxis bedeutet das: Unternehmen mit erheblichen Sozialversicherungsrückständen können auch ohne eigenes Zutun in ein Verfahren geraten – wenn die Aufsichtsbehörde den Insolvenzantrag stellt.
Wer einem Fremdantrag gegenübersteht, sollte nicht in Schockstarre verfallen – sondern handeln. Es gibt verschiedene Optionen, die rechtlich verankert und strategisch wertvoll sind:
- Formale Prüfung: Ist der Antrag ordnungsgemäß? Liegt ein vollstreckbarer Titel vor? Wurde tatsächlich vollstreckt? All das ist entscheidend für die Zulässigkeit (§ 14 InsO).
- Materielle Prüfung: Ist das Unternehmen tatsächlich zahlungsunfähig? Zahlungsunfähigkeit liegt laut § 17 Abs. 2 InsO nur vor, wenn mindestens 90 % der fälligen Verbindlichkeiten nicht innerhalb von drei Wochen beglichen werden können. Ein sorgfältig aufbereiteter Liquiditätsstatus kann den Nachweis der Zahlungsfähigkeit ermöglichen und den Antrag entkräften.
- Eigenantrag als strategischer Schritt: Nach § 15 InsO hat das Unternehmen zehn Tage Zeit, nach Eingang des Fremdantrages selbst einen Insolvenzantrag zu stellen.
- Abwendung zur Zahlung und Abmeldung Arbeitnehmer: Dabei müssen alle Forderungen der Krankenkassen (auch zukünftige) vollständig bezahlt werden. Zudem müssen alle Mitarbeiter, die bei der Krankenkasse versichert sind, die Krankenkasse wechseln. Beiträge, die bis zum Wechsel anfallen, müssen auch bezahlt werden (=zukünftige Beiträge).
Pflichtbewusstsein und persönliche Haftung
Gerade Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften (z. B. GmbHs) tragen eine besondere Verantwortung. Stellen sie bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht spätestens binnen drei Wochen einen Insolvenzantrag (§ 15a InsO), drohen erhebliche persönliche Konsequenzen.
Im schlimmsten Fall haften Geschäftsführer nach § 15b InsO (ehemals § 64 GmbHG) für Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife noch geleistet wurden. Auch die Abführung von Lohnsteuer und Sozialabgaben fällt unter die persönliche Verantwortung: Nach § 69 der Abgabenordnung kann das Finanzamt den Geschäftsführer persönlich in Anspruch nehmen, wenn Steuerschulden infolge grober Fahrlässigkeit oder Vorsatzes nicht abgeführt wurden.
Frühzeitige Rechtsberatung ist entscheidend
Ein Insolvenzantrag durch das Finanzamt oder die Krankenkasse ist eine ernst zu nehmende Angelegenheit. Daher sollten Sie unverzüglich fachmännischen Rat einholen. Fachanwälte für Insolvenzrecht wissen, ob und wie Sie sich in Ihrem speziellen Fall erfolgreich gegen einen Insolvenzantrag wehren können.
Während Krankenkassen meistens einen Insolvenzantrag bei Vollbefriedigung nicht für erledigt erklären, tun dies dafür Finanzämter meistens. Bei Krankenkassen muss daher auf die Unzulässigkeit des Insolvenzantrages hingearbeitet werden. Das geht, indem kein Mitarbeiter mehr bei der Krankenkasse angemeldet ist und alle Beiträge – auch die bis zum Wechsel in eine andere Krankenkasse – bezahlt sind.
Wie genau das funktioniert, erfahren Sie von Ihrem Rechtsberater, den Sie – nicht erst Monate nach dem Fremdantrag – sondern unverzüglich konsultieren sollten. Von diesem erfahren Sie auch, ob eine Sanierung – eventuell auch mittels des Insolvenzverfahrens – für Sie möglich ist.
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