In einem modernen Konzernverbund hat sich Cashpooling als zentrales Instrument zur Bündelung und Steuerung von Liquidität etabliert. Die Idee dahinter ist simpel: Überschüsse einzelner Gesellschaften fließen in einen gemeinsamen Pool und gleichen dort kurzfristige Finanzierungsbedarfe aus. Auf diese Weise lassen sich Zinsvorteile realisieren und die Kapitalbindung im Konzern deutlich reduzieren. Voraussetzung für den rechtssicheren Betrieb ist eine umfassende, schriftliche Poolvereinbarung, in der neben Zinssätzen vor allem Ausstiegsmodalitäten und die Rangfolge negativer Salden klar definiert sind.
Komplex wird das Modell jedoch, wenn eine der beteiligten Gesellschaften in die Nähe einer Insolvenz gerät. Denn sämtliche Zahlungen und Saldenverrechnungen, die innerhalb der letzten zwölf Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, können nach § 135 InsO Abs. 1 Nr. 2 angefochten werden, wenn es sich um Rückzahlungen oder Ausgleichszahlungen aus eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen handelt.
Rechtsgrundlagen und Anfechtungsrisiken im Detail
Aber auch Zahlungen, die nicht von Gesellschaftern stammen, können über § 133 InsO (Gläubigerbenachteiligung) oder gar § 130 InsO (Vorsatzanfechtung) zurückgefordert werden, sofern sie einzelne Gläubiger systematisch bevorzugen oder auf einem vorsätzlichen Zusammenwirken basieren. Maßgeblich ist dabei stets der höchste Saldoausgleich im relevanten Zwölfmonatszeitraum – selbst, wenn er nur rechnerisch im Rahmen eines sogenannten Notional Poolings erfolgt ist.
Beim Notional Pooling handelt es sich um eine spezielle Variante des Cash Poolings, bei der die Salden mehrerer Konten nur buchmäßig miteinander verrechnet werden, ohne tatsächliche Geldbewegungen vorzunehmen. Ziel ist es, Zinsaufwendungen und Zinserträge zu optimieren, indem fiktiv Überschüsse und Defizite ausgeglichen werden, um den gesamten Zinsfluss innerhalb des Pools effizienter zu gestalten.
Haftungsrisiken für Geschäftsführung und Vorstand
Die persönlichen Risiken für Geschäftsführung und Vorstand sind nicht weniger einschneidend. Wer trotz drohender Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit weiter in den Cashpool einzahlt oder bestehende Kreditlinien überschreitet, verstößt gegen die Kapitalerhaltungs- und Sorgfaltspflichten nach § 15b InsO. Schon das bewusste Zulassen negativer Kontostände ohne vertragliche Nachrangvereinbarung kann als grob fahrlässig gewertet und zu Schadenersatzansprüchen Dritter führen. Eine lückenhafte Dokumentation sämtlicher Treasury-Vorgänge verschärft dieses Risiko, denn ohne Nachweis, dass Zahlungen ordnungsgemäß und ohne Gläubigerbenachteiligung erfolgt sind, hat die Geschäftsleitung kaum Verteidigungschancen gegenüber dem Insolvenzverwalter.
Rechtsprechung bestätigt: Auch Buchungsvorgänge sind anfechtbar
Rechtsprechung aus Karlsruhe untermauert diese Risiken eindrücklich: Mit Urteil vom 27. Juni 2019 (Az. IX ZR 167/18) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass auch buchmäßige Verrechnungen im Rahmen eines notional Poolings als anfechtbare Leistungen gelten, sobald sie wirtschaftlich einem tatsächlichen Ausgleich entsprechen und zeitlich eng mit dem Insolvenzantrag verknüpft sind. Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, ob tatsächlich Geld bewegt wurde – entscheidend ist die wirtschaftliche Wirkung.
Schutzmaßnahmen und Handlungsempfehlungen
Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich eine mehrgleisige Vorsorge: Poolverträge sollten so ausgestaltet sein, dass einzelne Gesellschaften form- und fristgerecht austreten können. Negative Salden sind idealerweise vertraglich in nachrangige Gesellschafterdarlehen umzuwandeln, um das Anfechtungsrisiko zu mindern. Zugleich ist eine akribische Dokumentation aller Transaktionen unerlässlich, um im Ernstfall den Charakter jeder Zahlung als Teil einer ordnungsgemäßen Treasury-Funktion und nicht als Gläubigerbenachteiligung belegen zu können. Regelmäßige juristische Prüfungen und Anpassungen an neue Gesetzeslagen und Gerichtsentscheidungen runden das Risikomanagement ab.
Fazit: Cashpooling als Balanceakt zwischen Effizienz und Risiko
Cashpooling bleibt somit ein zweischneidiges Schwert: Einerseits ermöglicht es eine schlanke und zinsoptimierte Liquiditätssteuerung, andererseits können unsorgfältig gestaltete Strukturen vor allem im Krisenfall schnell zu erheblichen Rückforderungen und persönlichen Haftungsfällen führen. Wer die Chancen des Cashpoolings nutzen will, ohne Haftungsfälle auszulösen, muss daher umso entschlossener auf klare Verträge, transparente Dokumentation und vorausschauende rechtliche Begleitung setzen. Deshalb gilt: “Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht”.
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