Abfindungsansprüche als Nachlassverbindlichkeiten einer Zahnarztpraxis-Gesellschaft bestätigt
In einem umfangreichen Urteil im Rahmen eines komplexen Nachlassinsolvenzverfahren des Oberlandesgericht München vom 13. November 2024 zu dem Aktenzeichen 7 U 2821/22 brachte die Entscheidung Klarheit in Fragen der Passivlegitimation des Insolvenzverwalters und der Auslegung gesellschaftsrechtlicher Abfindungsregelungen. Im Mittelpunkt stand ein langjähriger Streit um die Abfindungsansprüche eines ehemals an der Zahnarztpraxis beteiligten Mitgesellschafters, dessen vertraglich geregelter Anspruch nun als Nachlassverbindlichkeit zu behandeln ist.
Der Fall beruht auf einem Gesellschaftsvertrag aus dem Jahr 1986, mit dem der Zahnarzt Dr. R. D. gemeinsam mit Dr. P. M. eine Praxis gründete. Neben der gemeinsamen Nutzung von Einrichtungen und der Abrechnung von Honoraren regelte der Vertrag auch das Ausscheiden eines Gesellschafters und die damit verbundene Rückzahlung bzw. Abfindung. Nachdem Dr. P. M. am 23. Juni 2015 wirksam aus der Praxis ausgeschieden war – mit Wirksamkeit zum 31. Dezember 2015 – entstand ein Anspruch in Höhe von umgerechnet 63.775,51 € (entsprechend 125.000 DM), der später im Insolvenzverfahren des verstorbenen Dr. R. D. geltend gemacht wurde. Parallel dazu beanspruchte der ausgeschiedene Gesellschafter weitere Vergütungen aus einem mündlich vereinbarten Dienstvertrag, wonach er ab dem 1. Januar 2016 weiterhin zahnärztliche Leistungen erbringen sollte. Auf Basis der Quartalsabrechnungen über die Jahre 2016 bis 2018 wurde ein zusätzlicher Vergütungsanspruch in Höhe von 163.439,11 € beziffert. Beide Forderungen wurden im Rahmen des Nachlassinsolvenzverfahrens zur Insolvenztabelle angemeldet.
Gericht bestätigt Wirksamkeit der Regelungen
Das OLG München bekräftigte in seinem Urteil im Wesentlichen die bereits von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen:
- Gesellschaftsvertrag und Ausscheiden: Die vertraglichen Regelungen des Gesellschaftsvertrags schufen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in der das Ausscheiden des Gesellschafters einen klaren Abfindungsanspruch begründete. Die Kündigungsmodalitäten, die Schriftform und die vereinbarte Frist wurden als form- und materiell wirksam anerkannt.
- Übergang der Ansprüche: Mit dem Tod des ursprünglichen Anspruchsgegners wird der Abfindungsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters Nachlassverbindlichkeit gegenüber der Alleinerbin. Der Insolvenzverwalter des Nachlasses ist zudem passivlegitimiert, sodass die Forderungen bei ihm geltend gemacht werden können – unabhängig davon, ob die ursprüngliche Erbin ihre Erbschaft ausgeschlagen hat oder nicht.
- Dienstvertragliche Ansprüche: Die Entscheidung bestätigte zudem, dass ein mündlich vereinbarter Dienstvertrag zur Fortführung zahnärztlicher Leistungen zustande gekommen ist. Die Berechnungsgrundlage der Vergütung, die sich auf 30 % der vom Kläger erwirtschafteten Umsätze stützte, wurde anhand detaillierter Quartalsabrechnungen nachvollziehbar dargelegt.
- Abgrenzung zu Betriebsübergängen: Ein wesentlicher Punkt war die Abgrenzung von Ansprüchen aus dem Erbrecht zu denen aus einem Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB. Das Gericht betonte, dass der Rechtsübergang kraft Gesetzes – und nicht durch ein Rechtsgeschäft – stattfand, was die Fortführung der Praxis als Erbfall und nicht als betriebsüblicher Übergang qualifizierte.
Weichenstellung für künftige Nachlassverfahren in der Praxis
Das OLG München hat in seinem Urteil weitreichende Klarheit in einem langwierigen und komplexen Fall geschaffen. Die Bestätigung der Abfindungsansprüche als Nachlassverbindlichkeiten unterstreicht die vertragliche und gesellschaftsrechtliche Tragweite der Regelungen aus dem Zusammenschluss der Zahnarztpraxis. Für zukünftige Verfahren in vergleichbaren Konstellationen signalisiert dieses Urteil, dass vertraglich vereinbarte Rückkaufregelungen und Dienstverträge auch nach dem Erbfall uneingeschränkt wirksam bleiben – sofern sie ordnungsgemäß angemeldet und nachgewiesen werden. Damit steht das Urteil exemplarisch für die präzise Anwendung und Auslegung von Erb- und Gesellschaftsrecht im Rahmen von Insolvenzanträgen.
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