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Die anhaltende Haftung der Kommanditisten trotz Insolvenzauflösung

In einem juristischen Szenario, das mitunter an die Handlung aus einem Wirtschaftsthriller erinnert, steht ein ausgeschiedener Kommanditist im Mittelpunkt eines komplexen Haftungsstreits. Ein Insolvenzverfahren, das vor Jahren eröffnet wurde, und das Versäumnis, rechtzeitig alle Haftungsrisiken auszuschöpfen, sorgen nun dafür, dass alte Verpflichtungen wieder ins Licht rücken – ganz nach dem Credo, dass Schulden oft über Generationen hinweg wirken. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 03.12.2024 zu dem Aktenzeichen II ZR 143/23 verdeutlicht: Selbst, wenn sich der Gesellschaftsvertrag längst aufgelöst hat, kann der Schatten der Haftung noch lange über einen Kommanditisten schweben, sofern alle relevanten Handlungen vor dem Inkrafttreten neuer Regelungen stattfanden.

Im vorliegenden Fall übernahm der Insolvenzverwalter die Betreuung des Verfahrens der MS „V.“ und MS „S.“ mbH & Co. KG, deren Insolvenz im April 2014 eröffnet wurde. Das Unternehmen hielt Beteiligungen an zwei Schiffsgesellschaften, die jeweils ein Vollcontainerschiff betrieben. Eine Kommanditistin leistete eine Einlage in Höhe von 20.000 €, erhielt in den Jahren 2002 bis 2008 Ausschüttungen, von denen ein erheblicher Teil – rund 8.900 € – nicht durch Gewinne gedeckt war. Im Zuge von Sanierungsmaßnahmen zahlte sie zudem 5.000 € an die Gesellschaft zurück, während andere Kommanditisten dem Insolvenzverwalter insgesamt etwa 1.500 € zurückerstatteten.

Gerichtliche Aufarbeitung: Rückforderungen und Rechtsrahmen im Wandel

Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurden Forderungen in Höhe von etwa 1,8 Mio. € festgestellt. Diese resultierten aus der Vergütung der Komplementärin sowie aus Rückforderungsansprüchen gemäß den handelsrechtlichen Vorschriften der beiden Schiffsgesellschaften. Insbesondere lagen etwa 1,1 Mio. € an Rückforderungsansprüchen wegen Gewerbesteuerforderungen vor, die nach dem Verkauf der Schiffe fällig wurden. Trotz der vorhandenen Insolvenzmasse blieb eine Deckungslücke von ca. 90.000 € bestehen. Der Insolvenzverwalter machte unter anderem die Rückzahlung eines Teils der Ausschüttungen in Höhe von rund 1.600 € geltend. Zunächst wurde die Klage vor dem Amtsgericht teilweise stattgegeben, während das Landgericht den Rückzahlungsanspruch abwies. In der Revision hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Angelegenheit zur erneuten Verhandlung zurück. Das zentrale Problem des Falls lag in der Frage, ob die Haftung des ausgeschiedenen Kommanditisten – gemessen an den alten Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) bis zum 31.12.2023 – bereits fünf Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens automatisch erlöschen würde. Das Landgericht hatte diese Ansicht vertreten, was der BGH jedoch als fehlerhaft bewertete.

Maßgeblich bleibt das alte Recht – MoPeG findet keine Anwendung

Der BGH stellte klar, dass bei der Beurteilung der Haftung auf die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Haftungsrechts abzustellen ist. Da sämtliche Handlungen, die eine Haftung begründen konnten, vor dem Inkrafttreten des neuen MoPeG (1.1.2024) erfolgt waren, ist das alte Recht maßgeblich. Nach der alten Fassung des HGB war die Haftung eines ausgeschiedenen Kommanditisten auf jene Verbindlichkeiten beschränkt, die bis zu seinem Ausscheiden entstanden und innerhalb einer Fünfjahresfrist fällig sowie gegen ihn geltend gemacht wurden. Die Gerichte sind zu dem Schluss gekommen, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht als ein Ausscheiden im Sinne der Haftungsbegrenzung zu werten ist. Eine analoge Anwendung der Vorschrift – sprich, die Gleichsetzung der Insolvenzeröffnung mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft – ist dem BGH zufolge nicht statthaft, da der Gesetzgeber in der ursprünglichen Regelung primär den Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der Gesellschafter und der Gläubiger im Blick hatte. Eine Ausweitung der Haftung auf den gesamten Zeitraum, ohne eine zeitliche Begrenzung vorzusehen, wird als notwendig erachtet, um den Gläubigerschutz auch in Fällen von langfristigen Schuldverhältnissen zu gewährleisten.

Fazit des BGH: Keine Fristverkürzung durch Insolvenz allein

Das Urteil des Bundesgerichtshofs unterstreicht die Komplexität der Kommanditistenhaftung im Insolvenzfall: Eine Insolvenzeröffnung führt nicht automatisch zu einer zeitlichen Begrenzung der Haftung, wenn die haftungsbegründenden Umstände vor dem Inkrafttreten neuer Regelungen entstanden sind. Für Gläubiger bedeutet dies, dass alte Verpflichtungen weiterhin eingefordert werden können, während ausgeschiedene Gesellschafter vor unzumutbaren Langzeitrisiken geschützt werden sollen – allerdings nur, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen genau beachtet werden.

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