Richtlinie zur Verkürzung der Restschuldbefreiung – die Krönung des Insolvenzverfahrens?
Seit dem Ausbruch des Wuhan Fiebers vor einigen Monaten geht es auf der ganzen Welt chaotisch zu. Überall in den Medien hört man das Wort Corona, was auf Latein die Krone bedeutet und auch im Rahmen einer Sonnenfinsternis beobachtet werden kann. Und eine finstere Zeit steht nicht nur der weltweiten Wirtschaft aufgrund der Pandemie bevor, sondern auch in Deutschland spricht man bereits von einer nahenden Rezession. Denn eines dürfte ohnehin inzwischen klar sein, dass selbst wenn die Regierung alle denkbaren finanziellen Instrumente zur Rettung von Unternehmen zur Verfügung stellt, so kann und muss davon ausgegangen werden, dass nicht alle Unternehmen die Pandemiekrise schadlos oder gar überhaupt nicht überleben werden. Aber es zeichnet sich ein Lichtblick am Ende der Finsternis ab, nämlich die Verkürzung der Restschuldbefreiung die von der EU auf den Weg gebracht worden ist.
Umsetzung der europäischen Restrukturierungs-und Insolvenzrichtlinie
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ließ verlautbaren, dass sie im Zuge der Umsetzung der europäischen Restrukturierungs-und Insolvenzrichtlinie die reguläre Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von derzeit sechs auf drei Jahre zu verkürzen plant. Um jedoch einen abrupten Übergang von der sechsjährigen zur dreijährigen Entschuldungsfrist zu verhindern, ist es geplant durch eine Übergangsregelung, die Fristen nach und nach zu kürzen. Dies hat aber auch andererseits den Sinn, dass Privatpersonen in Hinblick auf die Verkürzung das Insolvenzverfahren nicht hinauszögern könnten, um sich in den Genuss einer substantiell kürzeren Frist zu bringen, soll die dreijährige Frist allmählich und kontinuierlich eingeführt werden.
Die EU- Richtlinie 2019/1023 vom 20. Juni 2019 über Restrukturierung und Insolvenz schreibt vor, dass unternehmerisch tätige Personen Zugang zu einem Verfahren haben müssen, das es ihnen ermöglicht, sich innerhalb von drei Jahren zu entschulden. Die Richtlinie ist bis zum 17. Juli 2021 umzusetzen; die Umsetzungsfrist kann aber einmalig um ein Jahr verlängert werden.
Restschuldbefreiung
Den Anforderungen der Richtlinie genügt das geltende Recht jedoch nicht. Denn die reguläre Frist für die Restschuldbefreiung beträgt gem. § 287 Abs.2 i.V.m. § 300 Abs. 1 S.1 InsO sechs Jahre. Zwar können Schuldnerinnen und Schuldner bereits heute eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren erlangen. Allerdings setzt dies voraus, dass bis dahin nicht nur die Verfahrenskosten, sondern auch 35 Prozent der Insolvenzforderungen gedeckt werden gem. § 300 Abs. 1 S.2 InsO. Darüber hinaus können Tätigkeitsverbote, die an die Insolvenz anknüpfen, weiterhin bestehen bleiben, trotz der Erteilung der Restschuldbefreiung, wie dies zum Beispiel gem.§ 35 Abs.6 der Gewerbeordnung nachvollziehbar ist.
Dazu ein Auszug aus § 300 InsO:
§ 300 Entscheidung über die Restschuldbefreiung
(1) Das Insolvenzgericht entscheidet nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners durch Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung, wenn die Abtretungsfrist ohne vorzeitige Beendigung verstrichen ist. Hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens berichtigt, entscheidet das Gericht auf seinen Antrag, wenn
- 1.
- im Verfahren kein Insolvenzgläubiger eine Forderung angemeldet hat oder wenn die Forderungen der Insolvenzgläubiger befriedigt sind und der Schuldner die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt hat,
- 2.
- drei Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind und dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder innerhalb dieses Zeitraums ein Betrag zugeflossen ist, der eine Befriedigung der Forderungen der Insolvenzgläubiger in Höhe von mindestens 35 Prozent ermöglicht, oder
- 3.
- fünf Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind.
Satz 1 gilt entsprechend. Eine Forderung wird bei der Ermittlung des Prozentsatzes nach Satz 2 Nummer 2 berücksichtigt, wenn sie in das Schlussverzeichnis aufgenommen wurde. Fehlt ein Schlussverzeichnis, so wird eine Forderung berücksichtigt, die als festgestellt gilt oder deren Gläubiger entsprechend § 189 Absatz 1 Feststellungsklage erhoben oder das Verfahren in dem früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen hat.
(2) In den Fällen von Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 ist der Antrag nur zulässig, wenn Angaben gemacht werden über die Herkunft der Mittel, die an den Treuhänder geflossen sind und die über die Beträge hinausgehen, die von der Abtretungserklärung erfasst sind. Der Schuldner hat zu erklären, dass die Angaben nach Satz 1 richtig und vollständig sind. Das Vorliegen der Voraussetzungen von Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 3 ist vom Schuldner glaubhaft zu machen.
(3) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 290 Absatz 1, des § 296 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 3, des § 297 oder des § 297a vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen.
(4) Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der bei der Anhörung nach Absatz 1 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt oder der das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach Absatz 1 Satz 2 geltend gemacht hat, die sofortige Beschwerde zu. Wird Restschuldbefreiung nach Absatz 1 Satz 2 erteilt, gelten die §§ 299 und 300a entsprechend.
Jedoch kam das Bundesministerium der Justiz, welches zusammen mit dem Verbraucherschutz eine Evaluation zu der Regelung im Jahre 2018, nämlich dass die Voraussetzungen also Deckung der Verfahrenskosten und auch 35 Prozent der Insolvenzforderungen von dem Insolvenzschuldner gedeckt werden sollen, zu dem Ergebnis, dass dieses Mindestbefriedigungserfordernis von weniger als 2 Prozent der Schuldnerinnen und Schuldner erfüllt werden kann. Darüber hinaus ist es mit der Richtlinie unvereinbar. Künftig soll daher eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren auch dann möglich sein, wenn es nicht gelingt, die bisherige Mindestbefriedigungsquote zu erzielen. Ebenso wenig soll es erforderlich sein, dass die Verfahrenskosten gedeckt sind.
In den Fällen der Verfahrenskostenstundung soll der Schuldner oder die Schuldnerin aber weiterhin einer vierjährigen Nachhaftung unterliegen. Weiterhin soll eine Übergangsregelung sicherstellen, dass beim Übergang zum künftigen Recht, es zu keiner abrupten Verkürzung der maßgeblichen Fristen kommt. Darüber hinaus werden im Rahmen der Richtlinienumsetzung auch die Fristen für die Speicherung von Daten über das Restschuldbefreiungsverfahren durch Auskunfteien wie zum Beispiel die SCHUFA oder CREDITREFORM auf ein Jahr verkürzt um so dem Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung einen wirtschaftlichen Neustart zu erleichtern. Hierzu wurden dem § 301InsO die Absätze 4 und 5 hinzugefügt:
u.a. folgende Absätze 4 und 5 § 301 InsO angefügt:
- 4) Ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, tritt mit der Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Satz 1 gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.
- 5) Von Auskunfteien zum Zwecke der geschäftsmäßigen Auskunftserteilung gespeicherte Informationen über Insolvenzverfahren und Restschuldbefreiungsverfahren sind binnen eines Jahres zu löschen. Die Frist beginnt mit dem Eintritt der Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung. Ist zu diesem Zeitpunkt das Insolvenzverfahren noch nicht beendet, so beginnt die Frist mit der Rechtskraft der das Insolvenzverfahren beendenden Entscheidung.“
Eine Stufenweise Verkürzung der Restschuldbefreiung von 6 auf 3 Jahre und die Löschung von Informationen über das selbige Verfahren aus den relevanten Auskunfteien wie SCHUFA um eine wirtschaftliche Wiedergeburt für die Schuldner zu ermöglichen, lassen in den trüben Zeiten der Corona Virus-Epidemie und des damit einhergehenden latent vorhandenen Insolvenzrisikos doch zumindest einen Silberstreifen am Horizont erscheinen.
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