Geldscheine gestapelt in zehn, zwanzig, fünfzig und hundert Euro

Der Insolvenzverwalter zwischen steuerlicher Pflicht, Haftung und Kostentragung

Nach der Klärung, wer die Steuerberatungskosten im Insolvenzverfahren zu tragen hat, richtet sich der Blick nun auf die dahinter liegende Systematik: Warum trifft den Insolvenzverwalter eine so weitreichende steuerliche Verantwortung – und welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich daraus? Das Insolvenzverfahren ist kein steuerfreier Raum. Mit der Verfahrenseröffnung entsteht vielmehr ein eigenes steuerliches Verantwortungszentrum, in dessen Mittelpunkt der Insolvenzverwalter steht. Seine Rolle beschränkt sich nicht auf die reine Verwaltung der Masse, sondern er übernimmt zugleich die Funktion eines gesetzlichen Vertreters im Sinne des Steuerrechts.

Insolvenzverwalter als steuerrechtliche Schlüsselfigur

Gemäß § 80 InsO geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners vollständig auf den Insolvenzverwalter über. Steuerrechtlich wird er damit zum Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 AO und ist verpflichtet, sämtliche steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die den Schuldner zuvor getroffen haben. Dazu gehören die handels- und steuerrechtlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (§ 155 InsO i.V.m. §§ 140 ff. AO), die Abgabe von Steuererklärungen einschließlich Umsatz- und Lohnsteuer, die Berichtigung unrichtiger Erklärungen gemäß § 153 AO sowie sämtliche Mitwirkungspflichten gegenüber der Finanzverwaltung. Diese Verantwortung erstreckt sich sowohl auf Zeiträume nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als auch auf solche davor, sofern der Schuldner die notwendigen Erklärungen nicht abgegeben hat. Der Insolvenzverwalter nimmt damit die Stellung eines gesetzlichen Vertreters mit umfassender steuerrechtlicher Verantwortung ein.

Doppelte Buchführungspflicht: Masse und Steuerrecht vereint

Weder die Insolvenzeröffnung noch die Übernahme der Verwaltungsbefugnis entbinden von der handelsrechtlichen Buchführungspflicht. Nach § 155 Abs. 1 InsO hat der Insolvenzverwalter die handels- und steuerrechtlichen Buchführungspflichten des Schuldners zu erfüllen, soweit sie die Insolvenzmasse betreffen. In der Praxis führt dies zu einem Nebeneinander zweier Buchführungssysteme: einerseits der insolvenzrechtlichen Rechnungslegung, die der Transparenz und Kontrolle der Masse dient (§§ 66, 153 InsO), andererseits der handels- und steuerrechtlichen Buchführung, die den allgemeinen Pflichten aus HGB und AO folgt. Fehlende oder unvollständige Buchhaltungsunterlagen befreien den Insolvenzverwalter nicht von der Erfüllung seiner Pflichten. Kann er die Steuererklärungen nicht ordnungsgemäß erstellen, muss er zumindest die Besteuerungsgrundlagen rekonstruieren oder mit der Finanzverwaltung eine Schätzung nach § 162 AO abstimmen.

Haftung mit Tiefgang: Zwischen Amtspflicht und Steuerstrafrecht

Mit diesen Aufgaben geht eine persönliche Haftung einher. Nach § 69 AO haftet der Insolvenzverwalter für steuerliche Pflichtverletzungen, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt. Unterlässt er etwa die fristgerechte Abgabe von Steuererklärungen oder die Berichtigung unrichtiger Angaben nach § 153 AO, kann er nicht nur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich nach § 370 AO wegen Steuerhinterziehung belangt werden. Diese Haftungsregelung unterstreicht die Doppelfunktion des Insolvenzverwalters: Er ist sowohl Organ der Insolvenzmasse als auch verantwortlicher Steuerpflichtiger im Sinne der Abgabenordnung. Seine Aufgaben beschränken sich somit nicht auf die ordnungsgemäße Verfahrensführung, sondern umfassen ausdrücklich auch die Erfüllung steuerlicher Pflichten.

Steuerberaterkosten als notwendige Verwaltungsausgaben

Aus dieser gesetzlichen Pflicht ergibt sich unmittelbar, dass der Insolvenzverwalter auch die Kosten zu tragen hat, die zur Erfüllung dieser Aufgaben notwendig sind. Nach § 54 Nr. 2 InsO zählen zu den Masseverbindlichkeiten die Kosten der Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse. Werden Steuerberaterleistungen benötigt, um gesetzlich vorgeschriebene Steuererklärungen, Bilanzen oder sonstige steuerliche Nachweise zu erstellen, handelt es sich um notwendige Verwaltungskosten im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Diese sind aus der Insolvenzmasse zu begleichen, nicht vom Schuldner. Eine gegenteilige Auffassung widerspräche dem gesetzlichen System: Der Insolvenzverwalter kann seine Pflichten nach §§ 34 und 155 InsO nicht ordnungsgemäß erfüllen, ohne sich gegebenenfalls der fachlichen Unterstützung eines Steuerberaters zu bedienen. Die Kosten dieser Inanspruchnahme sind Teil der ordnungsgemäßen Amtsführung, nicht die persönlichen Auslagen des Schuldners.

Typische steuerliche Pflichten des Insolvenzverwalters:

  • Abgabe von Steuererklärungen (Umsatz-, Lohn-, Einkommensteuer)
  • Korrektur unrichtiger Angaben gemäß § 153 AO
  • Buchführungspflicht nach HGB und AO
  • Mitwirkungspflichten gegenüber dem Finanzamt
  • Verwaltung steuerlicher Sachverhalte auch für Vorinsolvenzzeiträume

Rechtsmittel des Schuldners und klare Zuständigkeiten

In der Praxis versuchen Insolvenzverwalter dennoch immer wieder, diese Kosten auf den Schuldner zu übertragen – etwa mit dem Argument, die Steuererklärung betreffe dessen persönliche Einkünfte oder sei für die Restschuldbefreiung relevant. Ein solcher Ansatz hält der rechtlichen Prüfung regelmäßig nicht stand. Der Schuldner verliert mit der Verfahrenseröffnung seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 InsO) und kann daher auch keine steuerlichen Pflichten mehr erfüllen. Die Verantwortung liegt ausschließlich beim Verwalter. Weigert sich dieser, die Steuerberaterkosten zu übernehmen, steht dem Schuldner der Weg zum Insolvenzgericht offen. Gemäß § 58 InsO kann dort eine richterliche Entscheidung beantragt werden, die über die Erforderlichkeit der Beauftragung und die Kostentragungspflicht verbindlich entscheidet.

Verantwortung mit Preis: Kein Spielraum für Kostenabwälzung

Der Insolvenzverwalter steht damit im Schnittpunkt von Insolvenz- und Steuerrecht. Seine Stellung als Vermögensverwalter (§ 34 AO) und Träger der Verwaltungsbefugnis (§ 80 InsO) verpflichtet ihn, sämtliche steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen – von der Buchführung über die Steuererklärung bis hin zur Berichtigung unrichtiger Angaben. Daraus folgt zugleich die Pflicht, die hierfür notwendigen Kosten zu tragen. Steuerberaterkosten, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung gesetzlicher Aufgaben entstehen, sind Masseverbindlichkeiten im Sinne der §§ 54 ff. InsO. Der Schuldner darf nicht mit diesen Aufwendungen belastet werden, da er weder die Befugnis noch die Möglichkeit hat, die entsprechenden Pflichten zu erfüllen. Der Insolvenzverwalter trägt somit nicht nur die Verantwortung für die steuerliche Ordnung, sondern auch für die wirtschaftlichen Konsequenzen ihrer Erfüllung. Wo das Gesetz Pflicht auferlegt, darf er die Kosten nicht abwälzen – denn steuerliche Ordnung ist keine Frage des Ermessens, sondern Kern seiner Amtsführung.

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