Insolvenz in Eigenverwaltung

Unternehmen, die in eine wirtschaftliche Schieflage geraten und sich für ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung entscheiden, behalten die Kontrolle über ihre Geschäfte und leiten die Sanierung eigenständig. Anders als bei der klassischen Insolvenz wird hier kein Insolvenzverwalter eingesetzt. Stattdessen bleibt die Geschäftsführung im Amt und führt die Restrukturierung eigenverantwortlich durch. Häufig wird sie dabei von einem erfahrenen Restrukturierungsexperten in der Rolle eines Chief Restructuring Officers (CRO) unterstützt, der sie sowohl bei der Planung als auch bei der operativen Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen begleitet. Diese Unterstützung stärkt das Vertrauen der Gläubiger in den Prozess und sorgt für eine höhere Akzeptanz des Verfahrens.

Vorteile der Eigenverwaltung

Ein zentrales Element der Eigenverwaltung ist der Sachwalter, der vom Gericht bestellt wird. Seine Aufgabe ist es, die Interessen der Gläubiger zu wahren und sicherzustellen, dass die Vorschriften der Insolvenzordnung eingehalten werden. Dabei übernimmt der Sachwalter eine überwachende Funktion, die mit der einer Aufsichtsperson vergleichbar ist.

Die Eigenverwaltung bietet Unternehmen eine Vielzahl an Vorteilen. Sie ermöglicht eine umfassende finanzielle und operative Sanierung und schafft dabei rechtliche Spielräume, wie beispielsweise die Möglichkeit, langfristige Verträge wie Miet- oder Leasingvereinbarungen mit verkürzten Fristen zu kündigen. Gleichzeitig bleibt die Liquidität des Unternehmens gesichert, da die Löhne und Gehälter der Mitarbeitenden für bis zu drei Monate durch das Insolvenzgeld gedeckt werden.

Ein weiterer Vorteil der Eigenverwaltung liegt darin, dass das Know-how des Unternehmens sowie bestehende Markt- und Kundenbeziehungen erhalten bleiben. Im Vergleich zur Regelinsolvenz ist das Verfahren planbarer und transparenter, was sowohl für Gläubiger als auch für Kunden und Geschäftspartner attraktiv ist. Der klare Ablauf sorgt für Sicherheit und erhöht die Chancen, das Unternehmen erfolgreich aus der Krise zu führen.

Voraussetzungen für die Eigenverwaltung

Voraussetzung für den Erfolg der Eigenverwaltung ist jedoch eine sorgfältige Vorbereitung und ein strukturiertes Vorgehen. Ist dies gewährleistet, kann das Unternehmen gestärkt aus dem Verfahren hervorgehen und seine Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig sichern.

Die Eigenverwaltung wird nach § 270a InsO nur auf Antrag des Schuldners vom Insolvenzgericht genehmigt, wenn:

  • Ein vollständiger Antrag mit einem detaillierten Finanzplan und Sanierungskonzept vorliegt. 
  • Keine schwerwiegenden Verfehlungen der Geschäftsführung vorliegen, wie etwa Missmanagement oder Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO). 
  • Die Aussicht besteht, dass die Eigenverwaltung keine nachteiligen Folgen für die Gläubiger hat.

Die Eigenverwaltung ist darauf ausgerichtet, dem Unternehmen zu ermöglichen, sich durch interne Sanierungsmaßnahmen und operative Kontrolle zu stabilisieren. Während des Verfahrens bleibt die Geschäftsführung für die laufenden Geschäfte verantwortlich, während der Sachwalter die Einhaltung der sanierungsrechtlichen Anforderungen sicherstellt und die Interessen der Gläubiger überwacht.

Ablauf der Eigenverwaltung

Der Ablauf der Eigenverwaltung gliedert sich in mehrere Phasen, die sicherstellen, dass das Unternehmen während des Verfahrens handlungsfähig bleibt:

  1. Antragstellung und vorläufige Eigenverwaltung
    Der Antrag auf Eigenverwaltung kann nur vom Schuldner selbst gestellt werden. Mit der Einführung des ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) wurde auch die Möglichkeit der vorläufigen Eigenverwaltung geschaffen. Diese erlaubt es, bereits vor der endgültigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung zu arbeiten. Der Antrag muss durch eine detaillierte Finanz- und Sanierungsplanung unterstützt werden und muss einen Insolvenzgrund nachweisen.
  2. Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 22a InsO)
    Das ESUG ermöglicht die Bildung eines vorläufigen Gläubigerausschusses, der eine wichtige Rolle in der Überwachung der Eigenverwaltung spielt. Ein solcher Ausschuss wird gebildet, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden, wie etwa eine Bilanzsumme von mindestens 6 Millionen Euro oder Umsatzerlöse von 12 Millionen Euro. Der Ausschuss arbeitet mit dem Sachwalter zusammen und überwacht den Sanierungsprozess.
  3. Anordnung der Eigenverwaltung und Prüfung des Insolvenzplans
    Wenn die Eigenverwaltungsplanung des Schuldners vollständig und schlüssig ist, kann das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung anordnen. Das Gericht prüft, ob der Finanzplan ausreicht, um den Geschäftsbetrieb fortzuführen und die Verfahrenskosten zu decken. Wird der Insolvenzplan genehmigt, kann das Unternehmen mit der Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen fortfahren.
  4. Sanierungsmöglichkeiten und Unternehmensverwertung
    Das Ziel der Eigenverwaltung ist es, das Unternehmen zu sanieren. Dabei kommen verschiedene Instrumente zum Einsatz, wie die Verwertung von Unternehmensvermögen im Rahmen eines Asset-Deals oder die Umsetzung eines Insolvenzplans. Der Insolvenzplan ermöglicht es, strukturelle Änderungen vorzunehmen, etwa durch die Aufnahme neuer Investoren. Sollte eine Sanierung nicht möglich sein, wird der Geschäftsbetrieb eingestellt und das Vermögen verkauft.
  5. Abwicklungsphase und Schlussbericht
    In der Abwicklungsphase des Verfahrens werden die Beschlüsse der Gläubigerversammlung umgesetzt und das verbleibende Vermögen des Unternehmens verwertet. Am Ende des Verfahrens wird ein Schlussbericht erstellt, der die Verteilung der Insolvenzmasse darlegt.

Nachteile der Eigenverwaltung

Die Eigensanierung als Ziel mit der Methodik der Eigenverwaltung verfolgt das Ziel, ein Unternehmen zu retten. Dass dieses Modell der Eigenverwaltung Erfolg hat, zeigen die Zahlen. Im Jahr 2023 wurden 345 Eigenverwaltungen genehmigt, was einen deutlichen Anstieg im Vergleich zu 2022 darstellt, als noch 198 Fälle registriert wurden- (Quelle: Institut für Mittelstandsforschung Bonn). Dennoch gibt es auch im Rahmen dieses Verfahrens Nachteile zu beachten, welcher neben der Geschäftsführerhaftung auftreten können. 

Ein weiterer wesentlicher Nachteil der Eigenverwaltung, zu dem bereits vorgenannten, besteht darin, dass die Geschäftsführung die Aufgaben eines Insolvenzverwalters selbst übernehmen muss. Dies erfordert einen entsprechenden zeitlichen Mehraufwand der bei größeren Unternehmen sich entsprechend als Opportunitätskosten bzw. Aufwand bemerkbar macht. Insbesondere bei kleinen Unternehmen wiegt dieser Mehraufwand schwer. Daraus folgt, dass die Vorteile der Eigenverwaltung bei kleinen Unternehmen häufig nicht ausreichen, um die zusätzlichen Belastungen zu kompensieren. Aus diesem Grund eignet sich die Eigenverwaltung vor allem für größere Unternehmen.

Ein weiteres Sanierungsinstrument im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ist das sogenannte Schutzschirmverfahren, das die Palette der Möglichkeiten zur Unternehmenssanierung erweitert. Dieses Verfahren, das mit der Einführung des ESUG durch den Gesetzgeber gemäß § 270b InsO eingeführt wurde, basiert im Kern auf der Eigenverwaltung.

Das Schutzschirmverfahren als Alternative

Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in den Voraussetzungen: Das Schutzschirmverfahren steht nur Unternehmen offen, die sich in einer Situation drohender Zahlungsunfähigkeit befinden. Voraussetzung ist ein externes Gutachten, das belegt, dass das Unternehmen tatsächlich lediglich drohend zahlungsunfähig ist und dass eine Sanierung nicht von vornherein als aussichtslos eingestuft werden kann.

Die beiden vorgestellten Instrumente verdeutlichen, dass eine Insolvenz nicht zwangsläufig das Ende eines Unternehmens bedeuten muss – eine nachhaltige Sanierung ist durchaus möglich. Allerdings kann ein Eigenverwaltungsverfahren verweigert werden, insbesondere bei Insolvenzverschleppung. Dies ist der Fall, wenn ein Unternehmen über längere Zeit keine Sozialabgaben, Steuern oder andere Verbindlichkeiten begleicht und dadurch zahlungsunfähig wird.

Mehr erfahren Sie unter: https://kanzlei-braun.net/eigenverwaltung/ 

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