Der scharlachrote Buchstabe Schufa

Über die Dauer der Schuld und Sühne vor der Schufa

Der Bundesgerichtshof (Verhandlung vom 14.02.2023 zum Aktenzeichen VI ZR 225/21) über die Löschung der Eintragung über die Erteilung der Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren in einer Datenbank der Schufa

Wie lange soll eine Person, in diesem Falle ein Schuldner, der durch die Durchführung einer Verbraucherinsolvenz eine Restschuldbefreiung erlangt hat, weiterhin vor der übrigen Gemeinschaft als stigmatisiert gelten? Diese Frage beschäftigte den VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes am 14.02.2023. 

Welcher Sachverhalt lag zugrunde?

Im zugrunde liegenden Sachverhalt beantragte der spätere Kläger, nachdem er zuvor mit seiner Selbstständigkeit gescheitert war, im September des Jahres 2013 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Privatvermögen. Nach der Durchführung des Insolvenzverfahrens und der Erteilung der Restschuldbefreiung im September 2019 wurde diese Information auf dem zentralen und deutschlandweiten Informationsportal publiziert.

Dieser Sachverhalt über die wirtschaftliche Lage des Klägers wurde sodann von der Schufa zum Zwecke der Erteilung von Bonitätsauskünften bei Anfragen von etwaigen Vertragspartnern des Betroffenen erhoben. Da der Kläger durch diesen Umstand erheblich an der Teilnahme am Wirtschaftsleben zu seinem Nachteil gehindert war, begehrte er von der Schufa die Löschung seiner Daten.

Warum wollte die Schufa die Daten nicht löschen?

Die Schufa wies das Begehren des Betroffen mit der Argumentation zurück, dass die erhobenen Daten entsprechend dem Verhaltenskodex des Verbandes „Die Wirtschaftsauskunfteien e.V.“ erst drei Jahre nach Speicherung zu löschen seien. Weiter führte die Schufa in ihrer Begründung aus, dass die Informationen bonitätsrelevant und daher für die Vertragspartner der Schufa von berechtigtem Interesse seien.

Dabei ist zu beachten, dass die amtlichen Bekanntmachungen auf dem Internetportal für sechs Monate aufrufbar sind, hingen die von der Schufa dort abgerufenen und gespeicherten Informationen erst nach drei Jahren gelöscht werden.

Ist die Speicherung datenschutzrechtlich erlaubt?

Es ist also die berechtigte Frage zu stellen, ob dieses Vorgehen so noch haltbar ist. Denn seit Mai 2018 ist in der Europäischen Union ein neues Datenschutzrecht in Kraft getreten. Derzeit wird dieser Sachverhalt beim BGH auf höchster Ebene geklärt.

Was entschied das OLG?

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) hat in dem vergangenen Fall zuletzt entschieden, dass der Eintrag auf dem Behörden-Portal nach sechs Monaten gelöscht werden sollte. Dies liegt daran, dass eine erneute Veröffentlichung der früheren Insolvenz die Möglichkeit eines Schuldners, einen Neuanfang zu starten, erschweren würde.

Was sagt die Schufa zu der Entscheidung?

Eine Sprecherin der Schufa verteidigte die Position der Auskunftei mit der Begründung, dass eine verkürzte Speicherdauer von sechs Monaten negative Auswirkungen auf die umfassende Bonitätsbeurteilung von Personen haben könnte, da hochrelevante Informationen entfallen würden. Dies hätte wiederum ein höheres Zahlungsausfallrisiko zur Folge, das von Unternehmen in Kauf genommen werden müsse. Die dadurch entstehenden Kosten durch Zahlungsausfälle müssten von allen Kunden mitgetragen werden, einschließlich derjenigen, die ihre Rechnungen immer pünktlich bezahlen.

Zur Bekräftigung dieses Argumentes berief sich die Schufa auf eine eigene Auswertung, wonach Personen, die in der Vergangenheit insolvent waren, in den ersten drei Jahren danach ein erhöhtes Risiko für Zahlungsstörungen aufweisen würden. Zwischen 2018 und 2021 fielen laut der Hochrechnung der Schufa knapp 15,27 Prozent der Personen mit Restschuldbefreiung negativ auf, während es bei allen anderen Personen nur 4,35 Prozent waren.

Benachteiligung trotz Restschuldbefreiung?

Denkt man diese, von der Schufa vorgebrachte Argumentation, logisch weiter, so hieße dies umgekehrt, dass 85 Prozent des Personenkreises nach einer erteilten Restschuldbefreiung gar nicht mehr wirtschaftlich auffällig geworden sind. Diese werden nun als Mehrheit mit der Minderheit gleichgesetzt und entsprechend mit Sanktionen belegt, in dem es ihnen – also den 85 Prozent – verwehrt oder erschwert wird, über einen Zeitraum von drei Jahren statt eines halben Jahres einen Neubeginn zu starten. 

Auch ist die Schufa die Auskunft schuldig geblieben, wie hoch das Ausfallrisiko nach sechs Monaten oder nach sechs Jahren ausfällt. Ist dieses in allen Fällen gleich hoch, kann es für die Festlegung eines Speicherungszeitraums überhaupt nicht herangezogen werden. Das Ausfallrisiko scheint sich dann nämlich nicht durch eine längere Veröffentlichung zu verringern. Wenn das Ausfallrisiko insgesamt gleichbleibend ist – also auch in zehn Jahren –  stellt sich die Frage, weshalb dann nicht zehn, 20 oder 30 Jahre gespeichert werden soll. Die Antwort ist sehr einfach: Der Staat hat sich dazu entschieden, Menschen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, einen Neustart zu ermöglichen. 

Datenspeicherung zum Schutz der Wirtschaft?

Auch die Aussage der Schufa, dass die Wirtschaft vor Zahlungsausfällen geschützt werden müsse, schlägt als Argument für eine längere Speicherung fehl. Kein Unternehmen ist verpflichtet, seine Leistung vor einer Bezahlung zu erbringen. Jedem Unternehmen steht es frei, Vorkasse zu verlangen. Hierdurch kann sich jedes Unternehmen wirkungsvoll selbst schützen. Dass die Wirtschaft auf diesen wirkungsvollen Selbstschutz aus wirtschaftlichem Eigeninteresse verzichtet, kann den Verbrauchern nicht angelastet werden.

Auch die unbescholtenen Konsumenten profitieren von der Vorgehensweise der Wirtschaft. Sie tragen zwar das erhöhte Ausfallrisiko der auffälligen Konsumenten mit, doch kommen Sie durch diese Vorgehensweise – wie alle anderen Konsumenten – auch in den Genuss, die Leistung zu erhalten, bevor sie diese bezahlen müssen. Die defekte Waschmaschine kann dadurch sofort ersetzt werden und nicht erst in einem oder zwei Jahren.

Fazit

Es scheint offensichtlich, dass die Schufa mit ihrer hinkenden Argumentation ihre eigenen Interessen und schlussendlich ihre Daseinsberechtigung verteidigt. Denn zum dritten Quartal des Jahres 2022 waren von knapp 300.000 mit Restschuldbefreiung registrierten Personen lediglich bei rund 41.000 von diesen die Informationen kein halbes Jahr alt. Die restlichen Daten der erfassten Personen müssten dann im Falle einer Niederlage gelöscht werden. Doch zunächst einmal begehrt die beklagte Schufa mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision weiterhin die Abweisung der Klage. Es bleibt das endgültige Urteil des BGH in dieser Sache abzuwarten.

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