Bundesarbeitsgericht entscheidet über den Rang von Abfindungen im Rahmen einer Insolvenz
Was geschieht eigentlich, wenn ein Abfindungsanspruch mitten in einem Insolvenzverfahren aufkommt? Genau diese Frage hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in seinem Urteil vom 14. März 2019 zu dem Aktenzeichen 6 AZR 4/18 im Rahmen seiner Rechtsfindung beantwortet. Die Entscheidung rüttelt an den Fundamenten dessen, was als Masseverbindlichkeit gilt – und was nicht.
Hintergrund des Falles und Prozessverlauf
Dem späteren Urteil ging zunächst einmal der nachfolgende Fall voraus. Im Dezember 2014 kündigte die K GmbH & Co. KG einen leitenden Angestellten. Bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im April 2015 beantragte die Arbeitgeberin im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses vorsorglich, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Nach der Insolvenzeröffnung übernahm der Insolvenzverwalter das Verfahren – und ließ es nicht bei bloßem Verwalten. Er hielt den Antrag auf Auflösung aufrecht und führte diesen schließlich selbst wirksam in den Prozess ein.
Das Ergebnis – eine Abfindung in Höhe von 1.558,75 Euro, deren Rang in der Insolvenzmasse jedoch heftig umstritten war. Der Kläger bestand darauf, dass es sich um eine sogenannte Neumasseverbindlichkeit handelt – eine Forderung, die vorrangig aus der Insolvenzmasse zu bedienen ist. Der Insolvenzverwalter hingegen sah die Abfindung als schlichte Insolvenzforderung, die im Nachrang der Gläubiger steht.
Klare Abgrenzung zwischen Alt- und Neuforderungen
Die Richter am BAG nahmen sich dieser Frage an. Grundsätzlich unterscheidet das Insolvenzrecht klar zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten. Insolvenzforderungen entstehen vor der Verfahrenseröffnung, während Masseverbindlichkeiten durch Handlungen des Insolvenzverwalters nach der Eröffnung begründet werden.
Die Richterinnen und Richter entschieden indes, dass in diesem Fall der Insolvenzverwalter die Abfindung durch seine eigene Handlung – den erneuten, wirksamen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses begründete. Erst dieser Antrag machte den Abfindungsanspruch geltend und schuf eine neue Verpflichtung. Die Abfindung sei daher als Neumasseverbindlichkeit zu betrachten, die vor allen anderen Insolvenzforderungen aus der Masse zu zahlen ist.
Das BAG schuf mit seinem Urteil ein klares Kriterium: Abfindungen nach §§ 9, 10 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) gelten dann als Masseverbindlichkeiten, wenn der Insolvenzverwalter aktiv wird und selbst den Auflösungsantrag stellt oder diesen erstmals prozessual wirksam in den Prozess einführt. Verfolgt er lediglich einen bereits von der insolventen Partei gestellten Antrag weiter, bleibt der Anspruch eine Insolvenzforderung.
Stärkung der Arbeitnehmerrechte und Konsequenzen für Insolvenzverwalter
Dieses Urteil stärkt die Rechte von Arbeitnehmern in einem Insolvenzverfahren und unterstreicht die Verantwortung des Insolvenzverwalters, wenn er aktiv in Prozesse eingreift. Gleichzeitig grenzt es Altverbindlichkeiten von neu geschaffenen Ansprüchen scharf ab – ein Punkt, der insbesondere für die Praxis von Bedeutung ist. Es stellt klar, dass nicht jede Abfindung automatisch in den Sog der Insolvenzforderungen gerät. Entscheidend ist, ob und wie der Insolvenzverwalter handelt. Diese Klarstellung hat Signalwirkung: Arbeitnehmer können unter bestimmten Bedingungen auf die vorrangige Befriedigung ihres Abfindungsanspruchs hoffen, während Insolvenzverwalter ihre Schritte genau abwägen müssen.
Kostenverteilung im Urteil des BAG
Neben der juristischen Tragweite regelt das Urteil ebenfalls die Kostenverteilung: Der Kläger trägt nach dieser 25 % der Kosten der ersten Instanz, während der Insolvenzverwalter den Großteil der Verfahrenskosten, einschließlich der Berufung und der Revision, übernehmen musste.
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