„So leb‘ denn wohl, du stilles Haus! Wir ziehn betrübt von dir hinaus.“ – dichtete Ferdinand Raimund dereinst. Es ist jedoch fraglich, ob auch alle Briten aus dem Hause Europas betrübt hinausziehen, manch einem ist mit der Entscheidung ganz wohl zumute. Ob nun poetisch gefärbter Abschied mit Pathos oder harter Brexit, Europa ist verschnupft und zwar nicht nur wegen des um sich greifenden Coronavirus, sondern ob der Frage nach den aus dem Brexit resultierenden Veränderungen und Umbrüchen. Nicht zuletzt stellt sich nun auch die Frage, wie sich die Situation auf das Privatinsolvenzverfahren und die Restschuldbefreiung auswirken wird.
Universelle Entschuldung in EU-Mitgliedsstaaten
Noch immer zieht es deutsche Bürger im Falle eines Insolvenzverfahrens ins EU-Ausland, wie zum Beispiel nach England. Denn seit dem Inkrafttreten der europäischen Verordnung über Insolvenzverfahren EUInsVO am 29. Mai 2000 ist gemäß Art. 12 EUInsVO eine universelle Entschuldung durch ein Insolvenzverfahren in einem Mitgliedsstaat der EU möglich. Und das, obowohl einer Studie und dem Schuldenbarometer des Informationsdienstleisters Crif Bürgel zufolge im ersten Halbjahr 2019 nur noch 42.235 Verbraucher in Deutschland Insolvenz angemeldet haben – das seien 1,4 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum und so wenige wie seit 2004 nicht mehr.
Vorerst englische Insolvenz in der EU weiterhin anerkannt
Spätestens seit den Abstimmungen des britischen Unterhauses vom 08.02.2017 und des Oberhauses vom 13.03.2017, in denen das Ergebnis des EU-Mitgliedschaft-Referendums vom 23.06.2016 offiziell angenommen wurde, hing der Brexit wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Unionsbürger. Vielerlei nervenaufreibende Stunden am Verhandlungstisch liegen hinter den verantwortlichen Politikern – genutzt hat es freilich wenig, denn mit dem Sieg der Konservativen um Boris Johnson am 12.12.2019 ist nun allen Beteiligten klar, dass dieser Austritt am 31.01.2020 nun zur Realität geworden ist.
Was bedeutet dies nun für das private Insolvenzverfahren in Großbritannien? Zum einen sei erwähnt, dass bis zum endgültigen Austritt Englands aus der EU sich nichts ändern wird, also die Gültigkeit der englischen Insolvenz auch in der restlichen EU vollumfänglich anerkannt wird.
Bis zum Ende der Transition Period, die derzeit bis zum 31.12.2020 geplant ist, ist eine Entschuldung in Großbritannien innerhalb eines Jahres also weiterhin problemlos möglich. Bis dahin gelten zumindest nach derzeitigem Stand der Brexit-Verhandlungen alle Gesetze und Verordnung gegenseitig und somit natürlich auch die britische Insolvenzregelung in Resteuropa. Was danach kommt, steht allenfalls in den Tarotkarten.
Privatinsolvenz in Deutschland attraktiver geworden
Gemäß der Aussage des Chancellor of the English High Court of Justice, Sir Geoffrey Vos, werde die britische Regierung sich darum bemühen, bei den Austrittsverhandlungen eine Regelung zu finden, wonach die Möglichkeit der universellen Restschuldbefreiung in England weiterhin bestehen soll. Wer also mit dem Gedanken spielt, seine Privatzinsolvenz in England durchzuführen, der sollte die Zeit bis zum 31.12.2020 nutzen oder darüber eine solide Alternative in Deutschland in Erwägung ziehen, zumal die EU mit ihrer neuen Richtlinie die Dauer der Privatinsolvenz auf 3 Jahre gesenkt hat.
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