Vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren Kanzlei BRAUN

Umsetzung der EU-Restrukturierungs-Richtlinie in Deutschland spätestens ab 2022 zu erwarten

Bereits am 22.11.2016 wurde durch die Europäische Kommission ein Vorschlag zur Einführung einer neuen EU-Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates „über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs- Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2012/30/EU (COM (2016) 723)“ veröffentlicht. Am 28.03.2019 hat das EU-Parlament über die Richtlinie zu „Präventiven Restrukturierungsrahmen“ einen Beschluss gefasst. Für die nun am 16.07.2019 in Kraft getretene Richtlinie wurde ein straffer Zeitrahmen zur deren Umsetzung getroffen. So soll die Mehrzahl der Regelungen innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden. Um der straffen Zeitvorgabe gerecht zu werden, hat das zuständige Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz mit dem Entwurf für die nationale Kodifizierung begonnen.

Was ändert das Gesetz?

Mit diesem Gesetzesvorstoß ist die Grundlage für einen einheitlichen rechtlichen Rahmen für die präventive Restrukturierung innerhalb Europas auf den Weg gebracht worden. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen in der EU, sofern überhaupt welche existieren, gleichen eher einer normativen Patchwork-Landschaft, als einem einheitlichen Gebilde. Die aus dieser uneinheitlichen Kodifizierung entwachsenen Risiken sollen von der neuen Richtlinie nunmehr beseitigt werden. Somit ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einem Präventiven Restrukturierungsrahmen in Deutschland und Europa erreicht worden. Für die einzelnen Mitgliedstaaten der EU bleibt nach der Publikation der Richtlinie ein Zeitraum von rund zwei Jahren, um diese Vorgaben in das jeweilige Recht des Landes zu kodifizieren. Die gesetzte Umsetzungsfrist kann in Ausnahmefällen verlängert werden.

Ab wann ist in Deutschland mit Änderungen zu rechnen?

Laut einigen Prognosen wird es nicht zur gänzlichen Ausschöpfung der Umsetzungsfrist kommen. Darüber hinaus ist mit weiteren Vorschlägen zur Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht zu rechnen. Ziel wäre es, diese mit den Ergebnissen der ESUG-Evaluation vom Oktober 2018 in Einklang zu bringen.
Somit ist spätestens ab dem Jahr 2022 mit einem präventiven Restrukturierungsrahmen in Deutschland zu rechnen. Damit könnten zum ersten Mal außerhalb des Insolvenzverfahrens Sanierungsmaßnahmen unter schützenden Bedingungen in einheitlicher Weise mit den Beteiligten abgestimmt und umgesetzt werden, ohne dass es der Herstellung eines Konsenses bedarf oder einzelne Beteiligte das Vorhaben blockieren könnten.

Was beinhaltet die neue Richtlinie?

Das Hauptoperationsbesteck der neuen Richtlinie bilden die Restrukturierungspläne.
In diesen lassen sich die der Restrukturierung des Schuldners dienenden Vereinbarungen treffen. Die von den beschlossenen Regelungen betroffenen Gläubiger stimmen dann wiederum über die Restrukturierungspläne nach dem Mehrheitsprinzip ab. Dabei erfolgt die Abstimmung analog zu Insolvenzplänen in Gruppen bzw. Klassen. Bei der Einteilung der Gruppen und Klassen werden wiederum die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten berücksichtigt. Werden dabei einzelne Gläubiger überstimmt, so muss der Restrukturierungsplan gerichtlich bestätigt werden. In diesem Falle prüft das Gericht die Einhaltung der Verfahrensvorschriften und eine eventuelle unangemessene Benachteiligung der Betroffenen. Erst dann, unter der Berücksichtigung der Einbeziehung der Betroffenen, entfaltet der Restrukturierungsplan seine bindende Wirkung.

In dem Zeitraum der Erstellung und Aushandlung eines Restrukturierungsplans, muss der laufende Geschäftsbetrieb vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vereinzelter Gläubiger sowie durch den Wegfall betriebsnotwendiger Vertragsverhältnisse geschützt werden. Um einen solchen Schutz zu ermöglichen, kann das zuständige Gericht ein sogenanntes Moratorium anordnen. Hierbei dürfen jedoch die Interessen von Gläubigern nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Aus diesem Grund sind an die Anordnung und Aufhebung von Moratorien strenge Anforderungen gebunden. Deshalb ist deren Laufzeit zunächst auf vier, höchstens jedoch zwölf Monate eingeschränkt. Darüber hinaus regelt die neue Richtlinie, dass neue Finanzierungen die innerhalb einer präventiven Restrukturierung gewährt werden, im Falle einer späteren Insolvenz vor Anfechtungen durch den Insolvenzverwalter geschützt werden.

Fazit

Durch die neue Richtlinie und die Harmonisierung des Rechts innerhalb der Europäischen Gemeinschaft erhofft sich die EU eine verbesserte Sanierungspraxis, sodass letztlich die Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen in Europa erleichtert und hierdurch Insolvenzen weitgehend vermieden werden können. Auch die Senkung der Kosten spielt eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der neuen EU-Richtlinie. Da die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in nationales Recht noch in vielen Fragen einen erheblichen Spielraum haben, bleibt kritisch zu hinterfragen, ob diese gesetzlichen Lücken wiederum einigen Interessengruppen zum Vorteil den anderen zum Nachteil gereichen. Wie indes die Entwicklung vonstattengehen wird, wird sich mit der Zeit zeigen.
Gerne hält die Kanzlei BRAUN Sie zu den Einzelheiten der Richtlinie und des Präventiven Restrukturierungsrahmens sowie deren Ausgesaltungsmöglichkeiten auf dem Laufenden.

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