Love Tinder

Kommandeure müssen auch im Privatleben auf ihr berufliches Ansehen achten

Die Liebe: von Ovid in „Ars Amatoria“, Shakespeare „Romeo und Julia“ und Goethe „Die Leiden des jungen Werthers“ literarisch aufgearbeitet, von Casanova nicht nur beschrieben, sondern auch in allen Varianten und Formen exzessiv ausgelebt. Der Abenteurer, Jurist und Galan bereiste das gesamte Europa, um nicht nur mit den Großen seiner Zeit in Kontakt zu treten, sondern Damen jeden Standes und Landes nach seiner Art zu verführen. Er begründete damit seinen bis heute strahlenden bis zweifelhaften Ruf.

Nun muss man heute nicht unbedingt die halbe Welt bereisen, um galante Abenteuer zu suchen. Denn die Welt, insbesondere die der Liebe, ist heute auch über Apps wie Tinder von zu Hause aus erfahrbar, von wo es möglich ist, die „ganze Welt“ kennenzulernen. Auf seinen Ruf sollte man dennoch achten, speziell dann, wenn man sich als Kommandeur in einer exponierten gesellschaftlichen Stellung befindet – so der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.05.2022 zu dem Aktenzeichen 2 WRB 2.21.

Das war passiert

Dem vor dem Gericht verhandelten Sachverhalt ging folgender Fall voraus. Eine überdurchschnittlich bekannte Bataillonskommandeurin hatte in einem Dating-Portal ein Bild von sich gepostet. Darauf habe man klar ihre Gesichtszüge erkennen können und darüber hinaus habe sie ihren tatsächlichen Vornamen verwendet. Im Rahmen ihrer Präsentation warb sie mit dem Slogan: „Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome.“

Hierfür erhielt sie von ihrem Disziplinarvorgesetzten einen einfachen disziplinarrechtlichen Verweis. Die Disziplinarmaßnahme war darüber hinaus von dem Truppendienstgericht bewilligt worden. Gemäß dem § 17 Abs. 2 Satz 3 SG dürfe eine Soldatin durch ihr außerdienstliches Verhalten das Ansehen der Bundeswehr und die Achtung sowie das Vertrauen, die ihre dienstliche Stellung erforderten, nicht ernsthaft beeinträchtigen.

Grundrecht und Integrität

Der Kommandeurin ist es zwar grundrechtlich geschützt, im Privaten ein promiskuitives Sexualleben zu führen. Allerdings habe sie durch die verwendete Formulierung in ihrem Profil Zweifel an ihrer moralischen Integrität begründet. Außenstehenden würde dadurch der Eindruck vermittelt werden, dass sie sich selbst und ihre Geschlechtspartner zu reinen Sexobjekten reduzieren würde. Dies hätte in der Öffentlichkeit eine negative Wirkung auf die Bewertung ihrer moralischen Integrität und den guten Ruf der Bundeswehr.

So entschied das Gericht

Das Bundesverwaltungsgericht kam zu der Ansicht, dass die Begründung des Truppengerichts rechtlichen Bedenken unterliege. Das Truppengericht ist dabei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die privaten Äußerungen der Kommandeurin in einem Dating-Portal von der Öffentlichkeit der Bundeswehr als Ganzes zugerechnet werden. Darüber hinaus sei die Bedeutung der Grundrechte im Bereich der privaten Lebensführung nicht hinreichend gewürdigt worden.

Hier verwies das Gericht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. 2 Abs. 1 GG. Diese beinhaltet ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Dieses umfasst somit, dass der Einzelne über seine geschlechtlichen Beziehungen frei bestimmen und sich für eine promiskuitives Sexualverhalten entscheiden kann. Der Schutz des Grundrechts erstreckt sich nicht nur auf die Intim- und Privatsphäre, sondern schließt das Recht ein, in der Sozialsphäre, das heißt im Internet, Kontakte mit Gleichgesinnten zu suchen.

Dennoch sei die Entscheidung des Truppengerichts im Ergebnis als richtig anzusehen. Hier stellt das Bundesverwaltungsgericht Folgendes fest:

[…] die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verlangt, dass eine Soldatin in der besonders hervorgehobenen dienstlichen Stellung einer Bataillonskommandeurin mit Personalverantwortung für ca. 1.000 Personen bei der Wahl der verwendeten Worte und Bilder im Internet Rücksicht auf ihre berufliche Stellung nimmt. Sie muss daher Formulierungen vermeiden, die den falschen Eindruck eines wahllosen Sexuallebens und eines erheblichen Mangels an charakterlicher Integrität erwecken. Die Worte „offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome“ erwecken auch aus der Sicht eines verständigen Betrachters Zweifel an der erforderlichen charakterlichen Integrität, weswegen diese Formulierung durch einen Verweis als mildeste Disziplinarmaßahme beanstandet werden durfte. […]

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