Kündigung wegen Entwendung von Desinfektionsmitteln ist legitim
Bereits in einem der berühmtesten Gerichtsfälle der Geschichte gegen Jesus von Nazareth benutzt der Statthalter Pontius Pilatus die Worte: „Ich wasche meine Hände in Unschuld“, um zu signalisieren, dass er den Angeklagten für unschuldig halte. Anders ist dies in dem nachfolgenden Sachverhalt der Fall, welchen das Landesarbeitsgericht in Düsseldorf am 14.01.2021, Aktenzeichen: 5 Sa 483/20, entschieden hatte.
Der Fall
Hier hatte das Gericht die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters, der einen Liter Desinfektionsmittel entwendet hatte, auch ohne vorherige Abmahnung als rechtmäßig angesehen. Der spätere Kläger war seit 2004 als Mitarbeiter bei einem Paketzusteller beschäftigt. Dort übernahm er bei der Beklagten die Aufgaben des Be- und Entladens und betätigte sich als Fahrzeugwäscher.
Die Fahrzeugwäsche fand in der Nachtschicht statt, wobei noch weitere sechs bis sieben Kollegen anwesend waren. Zudem war es dem Kläger erlaubt, seinen Wagen in der Nähe des Arbeitsplatzes abzustellen. Bei einer stichprobenartigen Ausfahrtskontrolle am 23.03.2020 gegen 07:50 Uhr wurden vom Werkschutz im Kofferraum des Klägers eine ungeöffnete Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel und eine Handtuchrolle sichergestellt.
Bereits in der Vergangenheit kam es bei der Beklagten immer wieder zu einem Schwund von Desinfektionsmitteln aus den Waschräumen. Der Personalausschuss des Betriebsrats stimmte am 24.03.2020 der fristlosen Kündigung des Klägers nach Befragung von Zeugen abschließend zu. Die Beklagte sprach diese am 25.03.2020 gegenüber dem Mitarbeiter aus. Dagegen erhob der Mitarbeiter Klage.
Die Argumentation des Klägers
Argumentativ vertrat der Kläger vor Gericht die Position, dass er während der Arbeit sich nach jeder Stunde zu seinem Fahrzeug begebe, um dort seine Hände zu desinfizieren und abzutrocknen. Diese Möglichkeit habe er auch für seine Kollegen bereitgestellt, zumal das Desinfektionsmittel in den Waschräumen nicht durchgängig verfügbar gewesen sei. Bei Verlassen des Betriebsgeländes habe er nicht mehr an die Plastikflasche gedacht. Zudem sei bedingt durch die Tätigkeit seiner Frau in der Pflege die Familie ausreichend mit Desinfektionsmitteln versorgt, sodass es keinen Anlass dafür gäbe, solches von seinem Arbeitgeber zu entwenden.
Die Argumentation der Beklagten
Die Arbeitgeberin behauptete, dass der Kläger dem Werkschutz gesagt habe, er sei befugt gewesen, das Desinfektionsmittel mitzunehmen, um sich unterwegs die Hände zu desinfizieren. Sie habe jedoch mit Aushängen im Sanitärbereich darauf hingewiesen, dass das Mitnehmen von Desinfektionsmittel eine fristlose Kündigung und Anzeige zur Folge habe.
Das Urteil
Das Landesarbeitsgericht folgte nicht der Argumentation des Klägers und hielt diese für unglaubwürdig. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegt ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Das Gericht gehe davon aus, dass der Kläger sich das Desinfektionsmittel zugeeignet habe, um es selbst zu verbrauchen. Wenn er es während der Schicht habe benutzen wollen, hätte es nahegelegen, das Desinfektionsmittel auf den Materialwagen am Arbeitsplatz zu stellen, zumal in der Nacht nur sechs bis sieben Kollegen arbeiteten.
Es sei zudem nicht nachvollziehbar, dass er das Desinfektionsmittel auch für die Kollegen verwenden wollte, denn weder hatte er ihnen gesagt, wo er das Desinfektionsmittel aufbewahrt noch ihnen den Autoschlüssel gegeben, damit sie es benutzen können. Schließlich sei die aufgefundene Flasche nicht angebrochen gewesen, so das Gericht in seiner Darlegung. Zudem habe das Gericht auch unter der Berücksichtigung der langen Beschäftigungszeit des Klägers keinen Anlass für eine vorherige Abmahnung gesehen.
Der Kläger habe in einer Zeit der Pandemie, als Desinfektionsmittel Mangelware war, und in Kenntnis davon, dass auch die Beklagte mit Versorgungsengpässen zu kämpfen hatte, eine nicht geringe Menge Desinfektionsmittel entwendet. Damit habe er zugleich in Kauf genommen, dass seine Kollegen leer ausgingen. In Anbetracht dieser Umstände habe ihm klar sein müssen, dass er mit der Entwendung von einem Liter Desinfektionsmittel den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdete. Auch die Interessenabwägung fiel angesichts dieser Umstände zu Lasten des Klägers aus.
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