Aktienpaket Veräußerung Beauftragung AG

Entscheidungen eines Geschäftsführers auf Basis mangelhafter Informationsgrundlage können als strafbare Untreue gewertet werden

In einer Welt, die von ständigem Wandel geprägt ist, gewinnt das Konzept „Wissen ist Macht“ eine immer größere Bedeutung. Denn in einer Zeit, in der Informationen schnell veraltet und neue Herausforderungen täglich auftreten, ist es das Wissen, das uns ermächtigt, diese Herausforderungen zu meistern und unsere Ziele zu erreichen. Insbesondere im Geschäftsleben können ein Wissensvorsprung und der „Mut zur Lücke“ erfolgsentscheidend oder vernichtend sein, wie der vom BGH mit seinem Urteil vom 10.02.2022 zu dem Aktenzeichen 3 StR 329/21 gewertete Falle aufzeigt. 

Das nachfolgend Geschehene lag dem späteren Urteil des BGH zugrunde: 

Der spätere Angeklagte, ein ehemaliger Vorstand der V. AG, war in die Veräußerung von 43,1 Prozent der Anteile der E. AG involviert. Um den Verkauf voranzutreiben, unterzeichnete er zunächst einen Vertrag mit der D. AG, die beauftragt wurde, das Aktienpaket zu veräußern und bei erfolgreicher Transaktion ein Erfolgshonorar zu erhalten. Einige Wochen später unterzeichnete derselbe Angeklagte einen weiteren Vertrag mit der B. GmbH, der exklusive Beratung und Unterstützung bei der Veräußerung der Anteile vorsah und ebenfalls ein Erfolgshonorar einschloss.

Während die B. GmbH nach potenziellen Investoren suchte, führte der Vorstand der E. AG in Abstimmung mit der B. ähnliche Aktivitäten durch. Schließlich wurden die gehaltenen Stückaktien der E. AG für insgesamt 11.520.000 € verkauft. Interessanterweise erfuhr der Angeklagte erst bei der gesetzlich vorgeschriebenen Mitteilung die Identität des Käufers. Obwohl die D. AG keine weiteren Maßnahmen ergriffen hatte, stellte sie der V. AG eine Rechnung über 1.228.080 € aus. Die B. GmbH rechnete dem Angeklagten 83.335,38 € sowie auf seinen Wunsch der D. ein Erfolgshonorar von 300.000 € nebst Auslagen und Umsatzsteuer ab. 

Auf Anweisung des Angeklagten zahlte die V. AG der D. AG die geforderte Summe, nachdem mit rechtlichen Schritten gedroht worden war. Obgleich die Anteilsveräußerung nicht direkt mit den Tätigkeiten von B. und D. in Verbindung stand, ließ der Angeklagte das Erfolgshonorar der B. an die D. überweisen. Dies geschah, obwohl er seit der Pflichtmitteilung die Möglichkeit in Betracht zog, dass die Veräußerung nicht im Zusammenhang mit den Aktivitäten von B. und D. stand. Im Dezember 2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der V. AG eröffnet.

Landgericht spricht Angeklagten frei

Das Landgericht Düsseldorf sprach den Angeklagten vom Vorwurf der Untreue frei. Es sah keinen Missbrauch, da kein rechtsgeschäftliches Handeln vorlag. Auch lag aufgrund der Unsicherheit bezüglich der Verbindung zwischen der Anteilsveräußerung und den Aktivitäten von B. und D kein subjektiver Tatbestand des Treuebruchs vor.

Bundesgerichtshof hebt Freispruch auf

Der Bundesgerichtshof hat den zuvor ausgesprochenen Freispruch aufgehoben und die Entscheidung zur erneuten Überprüfung mit der nachfolgenden Argumentation zurückgewiesen. Eine Pflichtverletzung im Sinne des Strafgesetzbuchs kann durch unternehmerische Entscheidungen auf Basis unzureichender Informationen verwirklicht werden. Dabei muss das Vorstandshandeln eindeutig unvertretbar sein und auch einem Außenstehenden offensichtlich erscheinen.

Obwohl einem Vorstand einer Aktiengesellschaft ein gewisser Handlungsspielraum bei der Geschäftsführung zusteht, liegt eine Pflichtverletzung vor, wenn die Entscheidungen nicht verantwortungsvoll, am Wohl des Unternehmens orientiert und auf gründlicher Ermittlung der zugrunde liegenden Fakten basieren oder wenn die Bereitschaft, Risiken einzugehen, übermäßig ausgeprägt ist.

Die Grundlage

Das Gericht wendet hierbei die Business Judgement Rule (Organhaftung) gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 des Aktiengesetzes als Maßstab für das Vorliegen einer Pflichtverletzung an. Dies bedeutet, dass Vorstandsmitglieder verpflichtet sind, alle verfügbaren Informationsquellen zu nutzen und die Vor- und Nachteile sowie die erkennbaren Risiken einer Entscheidung abzuwägen. Die Breite der Informationsgrundlage richtet sich nach der Bedeutung der Entscheidung, wobei dem Vorstand ein angemessener Entscheidungsspielraum hinsichtlich des Informationsbedarfs zusteht. Letztlich ist entscheidend, ob der Vorstand aus Sicht eines vernünftigen Geschäftsleiters von ausreichenden Informationen ausgehen durfte. 

Im vorliegenden Fall kann laut Gericht nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Zahlungen an die D. AG und die B. GmbH unternehmerisch vertretbar waren. Insbesondere die Höhe der Forderungen hätte Anlass zu einer gründlichen Prüfung geben sollen.

Mit dieser Entscheidung konkretisiert der Bundesgerichtshof die Pflichten von Unternehmensleitungen bei der Fällung unternehmerischer Entscheidungen.

Aus dem Urteil des BGH zitiert:

[…] „Zu Informationspflichten von Vorstandsmitgliedern ist anerkannt, dass sie grundsätzlich in der konkreten Entscheidungssituation die Ausschöpfung aller verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art verlangen, um auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abzuschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen. Die konkrete Entscheidungssituation ist danach der Bezugsrahmen des Ausmaßes der Informationspflichten. Dementsprechend ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass sich der Vorstand eine unter Berücksichtigung des Faktors Zeit und unter Abwägung der Kosten und Nutzen weiterer Informationsgewinnung „angemessene“ Tatsachenbasis verschafft; je nach Bedeutung der Entscheidung ist eine breitere Informationsbasis rechtlich zu fordern. Dem Vorstand steht danach ein dem konkreten Einzelfall angepasster Spielraum zu, den Informationsbedarf zur Vorbereitung seiner unternehmerischen Entscheidung selbst abzuwägen. Ausschlaggebend ist dabei nicht, ob die Entscheidung tatsächlich auf der Basis angemessener Informationen getroffen wurde und dem Wohle der Gesellschaft diente, sondern es reicht aus, dass der Vorstand dies vernünftigerweise annehmen durfte. Die Beurteilung des Vorstands im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung muss aus der Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters vertretbar erscheinen.“ […]

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