Wer haftet bei Unfällen mit einem Rettungswagen
Es ist zwar für manch einen schwer vorstellbar, aber in der Vergangenheit gab es in Deutschland eine steigende Anzahl von Verkehrsunfällen, an denen Rettungsfahrzeuge beteiligt waren. Laut der Analyse des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2020 insgesamt 1.723 Unfälle mit Rettungswagen registriert, was einer Zunahme von rund 4.3 % im Vergleich zum Jahr 2019 entspricht.
Dramatisch genug, sich die Situation auszumalen, wenn Rettungskräfte, zu deren Mission es gehört, Personen in Not zu retten, eben selbst in eine solche Situation geraten. Eine weitere, die rechtliche Dimension berührende, Frage ergibt sich nach der Haftung aus dem Unfall für die Rettungskräfte selbst, bzw. des Halters des Rettungswagens. Zu einer solchen Frage, hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf ein Urteil am 10.01.2017 zu dem Aktenzeichen I-1 U 46/16 gesprochen.
Der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt
Ein Rettungswagen befuhr ohne das eingeschaltete Martinshorn aber mit Blaulicht eine Kreuzung und überfuhr dabei die rote Ampel. Dieses Manöver wiederum zwang einen anderen Autofahrer zu einer Vollbremsung, wodurch der Pkw hinter ihm nicht mehr rechtzeitig abbremsen konnte und auf das Fahrzeug des Vordermannes auffuhr. Der Fahrer des hinteren Pkw forderte Schadensersatz vom Halter des Rettungswagens, da er diesen für den 100 %-igen Verursacher des Schadens hielt.
So entschied das Landgericht
Das Landgericht sah dies jedoch anders und gab dem Rettungswagenfahrer lediglich 10 % Mitschuld am Unfall und ordnete den Rest der Verantwortung dem Kläger zu, da dieser keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten und nicht auf den Verkehr geachtet habe. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts nach Berufung
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied hingegen, dass der Mitverschuldungsanteil des Rettungswagens höher sein müsse, da er nur mit Blaulicht und ohne Martinshorn in die Kreuzung eingefahren sei. Da er keine Sirene hatte, hätten andere Verkehrsteilnehmer ihm nicht automatisch Platz machen müssen und er habe keine besonderen Rechte.
Das OLG ordnete dem Fahrer des Rettungswagens eine Mitverantwortung von 50 Prozent zu, da der vor ihm fahrende Autofahrer eine Vollbremsung hätte vermeiden können, wenn er rechtzeitig gewarnt worden wäre. Der Unfall hätte also verhindert werden können. Der Kläger trug weiterhin 50 Prozent Mitverantwortung, da er, wie bereits in erster Instanz festgestellt, keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten und unaufmerksam gewesen war.
Wortlaut aus dem Urteil
[…] Nur dann, wenn das Einsatzfahrzeug in einer Notsituation die optischen und akustischen Warnsignale gleichzeitig von sich gibt, sind gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO die übrigen Verkehrsteilnehmer verpflichtet, sofort freie Bahn zu schaffen. Nur die beiden Warnvorrichtungen in ihrer Simultanverwendung verschaffen das Vorrecht der freien Bahn. Dies gilt auch dann, wenn die Vorfahrtregelung durch Lichtzeichenanlagen getroffen wird.
Die in § 38 Abs. 2 StVO geregelte Verwendung von blauem Blinklicht sieht nach dem Wortlaut der Bestimmung gerade nicht vor, dass alle übrigen Verkehrsteilnehmer dem im Einsatz befindlichen Fahrzeug sofort freie Bahn zu verschaffen haben. Wegen des Ausnahmecharakters der Regelung des § 38 Abs. 1 StVO trifft den Halter des Einsatzfahrzeuges die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus welchen er die Berechtigung herleitet, das sonst bestehende Vorrecht anderer Verkehrsteilnehmer zu missachten […]
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