Bei Bewerbungen über die Chatfunktion gilt das AGG
Die Auktionsplattform eBay, die am 3. September 1995 von Pierre Omidyar in San José, Kalifornien, unter dem ursprünglichen Namen AuctinWeb gegründet wurde, hat im Laufe ihrer Geschichte einige Kuriositäten zu bieten gehabt. So wurde im Jahr 2005 ein VW Golf IV, der dem späteren Papst Benedikt XVI gehört habe, für fast 190.000 € versteigert. Der erste Artikel im Übrigen, der bei eBay verkauft wurde, war ein defekter Laser-Pointer: für 14,83 Dollar an einen Sammler von defekten Laserpointern.
Beim im Deutschland als eBay Kleinanzeigen operierenden Dienst Kijiji können hingegen Artikel im Stil von Kleinanzeigen kostenlos zum Verkauf angeboten werden, aber nicht nur, denn so manch ein Unternehmen schaltet darüber ebenfalls Stellenanzeigen, die uns direkt zu dem nachfolgenden Fall führen.
Wie kam es zur Klage?
Ein in Nordrhein-Westfalen wohnender Mann, der spätere Kläger, hatte sich auf die in eBay Kleinanzeigen publizierte Stellenanzeige des im Kreis Steinburg ansässigen Unternehmens beworben. Der Kläger ist gelernter Industriekaufmann sowie Wirtschaftsjurist. Bei dem später beklagten Unternehmen handelt es sich um einen Kleinbetrieb mit weniger als zehn Angestellten, der seinen Betriebssitz rund 250 km entfernt vom Wohnsitz des Klägers hat.
Dem Anzeigeninhalt war Folgendes zu entnehmen: „Sekretärin gesucht! Beschreibung: Wir suchen eine Sekretärin ab sofort. Vollzeit/Teilzeit. Es wäre super, wenn Sie Erfahrung mitbringen“. Hierauf bewarb sich der spätere Kläger über die Chatfunktion auf die Stelle. Doch das Unternehmen lehnte seine Bemühungen mit der folgenden Antwort ab: „Sehr geehrter Herr W., vielen Dank für Ihr Interesse in unserem Hause. Wir suchen eine Dame als Sekretärin. Wir wünschen Ihnen alles Gute. Vielen Dank. Mit freundlichen Grüßen R. Y. …haus B. GmbH“ 27.04.21, 21.39 Uhr“.
Inhalt der Klage
Mit dieser Antwort war der Bewerber nicht einverstanden und erhob, nach dem Scheitern außergerichtlicher Einigungsversuche, Klage beim Arbeitsgericht Elmshorn, mit der er eine Entschädigungszahlung in Höhe von drei Monatsgehältern begehrte. In der ersten Instanz unterlag der Kläger vor dem Arbeitsgericht Elmshorn. Dieses begründete seine Entscheidung zu dem Aktenzeichen 4 Ca 592 a/21Urteil vom 16. Dezember 2021 damit, dass bei dem Kläger, der nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erforderliche Bewerberstatuts nicht gegeben sei.
So entschied das Gericht
Gegen diese Entscheidung wandte sich der Kläger mit einer Berufung an das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein. Dieses stellte entgegen dem Ergebnis des Arbeitsgerichts den Status des Klägers als Bewerber wie nachfolgend in seinem Urteil fest: Wer sich auf eine Stellenanzeige im Internetportal eBay Kleinanzeigen über die dortige Chat-Funktion bewirbt, genießt den Status eines Bewerbers. Das Einreichen weiterer Unterlagen sei hier nicht erforderlich. Im Zuge des Anzeigentextes und der erteilten Antwort der Arbeitgeberin im Chat, war eindeutig, dass der Kläger aufgrund seines Geschlechts benachteiligt worden sei.
Aus diesen Gründen steht ihm eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern zu. So die Richter des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 21. Juni 2022 in ihrer Entscheidung zu dem Aktenzeichen 2 Sa 21/22. Damit hatte das LAG Schleswig-Holstein die Entscheidung des Arbeitsgerichts Elmshorn abgeändert, das dem Kläger zuvor keinen Bewerberstatus eingeräumt und damit auch keine Entschädigung zugesprochen hatte.
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