Haftung bei Fahrradunfall durch nicht beseitigtes Streugut
Im Rahmen der winterlichen Wetterverhältnisse muss regelmäßig gestreut werden. Dies betrifft private Grundstückseigentümer genauso wie die öffentliche Hand. Schmelzen Schnee oder Eis, bleibt vom Streugut eine Art Rollbelag auf der Fahroberfläche zurück. Wer haftet aber bei einem von diesem Belag verursachten Sturz, insbesondere dann, wenn das Streu sich noch Ende März auf der Fahrbahnoberfläche befand und es infolgedessen keine Glätte mehr gab? Liegt hier womöglich ein Verstoß gegen die Verkehrssicherheitspflicht vor?
Der Fall
Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Schleswig am 10. September 2020 (AZ: 7 U 25/19) im Rahmen seiner Urteilsfindung befassen. Dem lag der Fall zugrunde, in dem eine Fahrradfahrerin und die spätere Klägerin am 24. März auf einem auch für Fahrräder zugelassenen Gehweg unterwegs war. Beim Abbiegevorgang stürzte sie auf zu diesem Zeitpunkt noch nicht beseitigten Rückständen des Streuguts. In diesem Zusammenhang warf sie der Gemeinde vor, das falsche Streugut verwendet zu haben sowie, dass das Streugut zu dem bereits erwähnten Unfallzeitpunkt schon längst von der Gemeinde hätte entfernt werden müssen. Sie warf der Gemeinde damit die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor.
Das Urteil
Das Gericht entschied den Fall zum Nachteil der Klägerin. Es sah keine Pflicht, dass das Streugut schnell entfernt werden müsse. Im vorliegenden Fall war ein Splitt-Salz-Gemisch verwendet worden, das sich nicht nach einem einmaligen Einsatz verbraucht. Gerade der Splitt mindert Gefahren auch bei künftiger Glätte. Da es auch Ende März noch zu Frost kommen kann, müssten die Streurückstände nicht beseitigt werden, urteilte das Gericht.
Die Richter verwiesen ebenfalls darauf, dass der Streupflichtige bei der Auswahl des Streuguts grundsätzlich frei entscheiden dürfe, solange dieses auch tauglich sei, was Seitens des Gerichts ebenfalls bejaht wurde. Schlussendlich befand das Gericht, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz aufgrund ihres Sturzes mit dem Fahrrad gegenüber der Kommune geltend machen könne.
Ein Fall mit anderem Ausgang
Dass dies auch anders laufen kann, zeigt der Fall einer Fußgängerin aus Bremen. Die Streupflicht der Städte und Gemeinden gilt nämlich auch dann, wenn kurzfristig ein Streufahrzeug ausfällt. In Bremen war eine Fußgängerin morgens auf der vereisten Bremerhavener Heerstraße ausgerutscht. Sie verletzte sich so schwer, dass ein Rettungswagen sie ins Krankenhaus brachte. Die Stadt erklärte, dass üblicherweise um 7 Uhr gestreut werden würde, doch sei der Frontbesen des Streufahrzeugs gebrochen. Alle anderen Fahrzeuge waren im Einsatz.
Das Landgericht Bremen urteilte hierzu, es könne zwar nicht verlangt werden, dass die Stadt ständig ein Ersatzauto vorhält. Aber ein gebrochener Besen sei nicht ungewöhnlich und schnell zu reparieren. Es rechnete der Frau allerdings 30 Prozent Mitverschulden an, weil sie trotz der Glätte weiterging. Deshalb kürzte das Gericht ihr Schmerzensgeld auf 8.182 Euro herunter.
Grundsätzlich müssen Kommunen nicht alle Gehwege streuen, wohl aber die wichtigen. Um einen solchen handelte es sich bei dem im Rechtsstreit betroffenen Gehweg. Entscheidend dafür war, dass im vorliegenden Fall ein vernünftiger Fußgänger mit der Räumung rechnen durfte, so das Gericht in seiner Urteilsfindung (Az. 1 O 2112/16). Haben Sie eine Frage zum Verkehrsrecht? Wenden Sie sich an die Kanzlei Braun.
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