Gerichtlicher Entzug der Fahrerlaubnis

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Eine pauschale Behauptung zum drohenden Arbeitsplatzverlust rechtfertigt kein Absehen vom Fahrverbot

Beginnen wir zunächst mit einem Vorspann:

Till Eulenspiegel ging eines schönen Tages mit seinem Bündel an Habseligkeiten zu Fuß zur nächsten Stadt. Auf einmal hörte er, wie sich schnell Hufgeräusche näherten und eine Kutsche hielt neben ihm.

Der Kutscher hatte es sehr eilig und rief: „Sag schnell – wie weit ist es bis zur nächsten Stadt?“

Till Eulenspiegel antwortete: „Wenn Ihr langsam fahrt, dauert es wohl eine halbe Stunde. Fahrt Ihr schnell, so dauert es zwei Stunden, mein Herr.“

„Du Narr“ schimpfte der Kutscher und trieb die Pferde zu einem schnellen Galopp an und die Kutsche entschwand Till Eulenspiegels Blick.

Till Eulenspiegel ging gemächlich seines Weges auf der Straße, die viele Schlaglöcher hatte. Nach etwa einer Stunde sah er nach einer Kurve eine Kutsche im Graben liegen. Die Vorderachse war gebrochen und es war just der Kutscher von vorhin, der sich nun fluchend daran machte, die Kutsche wieder zu reparieren.

Der Kutscher bedachte Till Eulenspiegel mit einem bösen und vorwurfsvollen Blick, worauf dieser nur sagte: „Ich sagte es doch: Wenn Ihr langsam fahrt, eine halbe Stunde…“*

Was hat diese Geschichte mit dem Verkehrsrecht zu tun?

Den Rat des wohl berühmtesten Spaßmachers hätte sich der Protagonist des nachfolgenden Falles vielleicht zu Herzen nehmen sollen, zu dessen Sachverhalt das Oberlandesgericht Hamm mit dem Beschluss vom 03.03.2022 zu dem Aktenzeichen 5 RBs 48/22 zu entscheiden hatte. Im Dezember des Jahres 2021 wurde der Mann vom Amtsgericht Essen nämlich wegen vorsätzlicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße verurteilt.

Das Gericht sah jedoch von der Verhängung des Regelfahrverbotes ab, da der Betroffene angab, sonst seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Er sei als Verkaufsberater in einem großen Autohaus beschäftigt, in dessen Rahmen die Durchführung von Überführungs- und Probefahrten mit gebrauchten Fahrzeugen gehöre. Darüber hinaus habe sein Arbeitgeber schriftlich bestätigt, dass es im Falle eines Fahrverbotes zu arbeitsrechtlichen Sanktionen, einschließlich einer Kündigung kommen könnte, beziehungsweise der Arbeitgeber sich diese Schritte vorbehalte. Auch aus betrieblichen Gründen könne dem Betroffenen kein zusammenhängender Urlaub von drei Wochen gewährt werden. Gegen diese Entscheidung des Amtsgerichts legte die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein.

Wie entschied das Gericht?

Das Oberlandesgericht nahm sich des Falles an und entschied dazu, dass die pauschalen und zudem nicht näher belegten Behauptungen oder Angaben des betroffenen Fahrers sowie seines Arbeitgebers für sich betrachtet kein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen würden.

Das zuständige Tatgericht dürfe Behauptungen des Betroffenen und die Bestätigungen des Arbeitgebers zum drohenden Arbeitsplatzverlust nicht ungeprüft übernehmen. Es müsse die Behauptungen auf ihre Richtigkeit hin überprüfen sowie in der Urteilsbegründung darlegen können, aus welchen Gründen es die Angaben für glaubhaft halte, dies sei jedoch im Rahmen der Urteilsfindung nicht geschehen.

Begründung des Urteils

Nach dem Dafürhalten des Oberlandesgerichts Hamm „[…] bestehen hier Zweifel an der Richtigkeit des drohenden Arbeitsplatzverlustes im Falle eines Fahrverbots. Um die naheliegende Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitgeber lediglich eine Gefälligkeitsbescheinigung ausstellte, müsse das Tatgericht den Betriebsinhaber, Geschäftsführer oder verantwortlichen Personalsachbearbeiter zeugenschaftlich vernehmen. Dabei sei zu beachten, dass kurzfristige Fahrerverbote nur in Ausnahmefällen eine Kündigung rechtfertigen […]“.

Darüber hinaus „[…] sei aus Sicht des Oberlandesgerichts nicht ansatzweise nachvollziehbar, warum dem Betroffenen kein zusammenhängender Urlaub von drei Wochen gewährt werden könne, sodass ein Teil des zu verbüßenden Fahrverbots in seinem Urlaub liegt. Auch hätte es der Darlegung bedurft, so die Richter am Oberlandesgericht Hamm, warum es dem Arbeitgeber nicht möglich sei, dem Betroffenen in dem überschaubaren Zeitraum des Fahrverbots anderweitig zu beschäftigen. Da der Betroffene als Verkaufsberater beschäftigt ist, könne er auch in den Verkaufsräumen des Autohauses tätig sein und dort Kunden beraten sowie Verkaufsgespräche führen […]“.

Fazit

Der Fahrer wird wohl oder übel über einen bestimmten Zeitraum hinweg nun doch die Entschleunigung seiner Tätigkeit, wie der eilige Kutscher zu Beginn der Geschichte, in Kauf nehmen müssen. Im Spiegel der Zeit betrachtet verlieren gewisse Weisheiten auch über alle Zeiten hinweg wohl nie ihre Gültigkeit. Zu Themen rund um das Verkehrsrecht bietet Ihnen die bundesweit tätige Kanzlei BRAUN eine spezialisierte Beratung. Kontaktieren Sie einen der Standorte:

*Quelle: Lothar J. Seiwert: „Wenn Du es eilig hast, gehe langsam“, S. 21.

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