BGH-Entscheidung stärkt Minderheitsgesellschafter – Was das Urteil für GmbHs bedeutet
Am 5. November 2024 fällte der Bundesgerichtshof (BGH) eine richtungsweisende Entscheidung zum Thema Stimmrechtsausübung und Klagebefugnis in der zweigliedrigen GmbH Aktenzeichen. II ZR 85/23. In diesem Urteil wurde die Frage behandelt, wie weit die Rechte eines Gesellschafters in einer Gesellschaft reichen, wenn er Ersatzansprüche gegen einen anderen Gesellschafter – der zugleich Geschäftsführer ist – geltend machen möchte. Das Urteil hat sowohl für Gesellschafter als auch für die Praxis der GmbH-Gründung und -Verwaltung weitreichende Bedeutung.
Hintergrund des Rechtsstreits
Der vor dem BGH verhandelte Fall betrifft eine zweigliedrige GmbH, in der ein Gesellschafter gegen den Geschäftsführer klagte. Der Geschäftsführer war zugleich auch Gesellschafter der Mehrheitsgesellschaft. Die Klägerin, eine Minderheitsgesellschafterin, warf den Geschäftsführern vor, einen zu hohen Unternehmenskauf in Österreich getätigt zu haben, wodurch der Gesellschaft ein Schaden in Höhe von rund 22,5 Millionen Euro entstanden war.
Kernproblem des Rechtsstreits war, ob die Klägerin berechtigt war, die Klage gegen die Geschäftsführer zu erheben, obwohl die Mehrheitsgesellschafterin – die zugleich die Geschäftsführer stellte – eine Klageverfolgung blockierte. Eine zentrale Frage war, ob die Mehrheitsgesellschafterin, die gleichzeitig von der Klage betroffen war, über diese Entscheidung abstimmen durfte.
Zentrale Feststellungen des BGH
Der BGH stellte in seiner Entscheidung mehrere zentrale Punkte fest:
- Klagebefugnis des Minderheitsgesellschafters: Die Klägerin hatte keine Klagebefugnis gegen die Geschäftsführer. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine actio pro socio (eine Klage eines Gesellschafters im Namen der Gesellschaft) in diesem Fall nicht zulässig, da sie sich nicht gegen Gesellschafter-Geschäftsführer richtete, sondern gegen Fremdgeschäftsführer. In solchen Fällen kann die Gesellschaft selbst klagen.
- Das Stimmrecht der Mehrheitsgesellschafterin: Das Gericht stellte außerdem klar, dass die Mehrheitsgesellschafterin, die von der Klage betroffen war, nicht über die Einleitung des Rechtsstreits abstimmen durfte. Laut § 47 Abs. 4 GmbHG gilt in solchen Fällen ein Stimmverbot, wenn es um Entscheidungen geht, die eigene Interessen betreffen. Das bedeutete, dass die Entscheidung in den Händen der Klägerin lag.
- Keine Notwendigkeit einer formellen Beschlussfassung: In einer zweigliedrigen GmbH, in der ein Gesellschafter aufgrund eines Interessenkonflikts von der Abstimmung ausgeschlossen ist, entschied der BGH, dass keine formelle Beschlussfassung notwendig ist, um den Ersatzanspruch geltend zu machen. Das Unternehmen kann in diesem Fall ohne weitere formelle Schritte tätig werden.
- Keine Pflicht zur Anfechtung eines nicht festgestellten Beschlusses: In einem weiteren Punkt entschied der BGH, dass die Klägerin keine Anfechtungsklage erheben musste, obwohl die Beklagten versuchten, die Feststellung des Beschlusses zu verweigern. Diese Taktik wurde vom Gericht als unzulässig erachtet.
Praktische Auswirkungen für GmbHs
Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Handhabung von Gesellschafterstreitigkeiten in zweigliedrigen GmbHs. Es stärkt die Rechte von Minderheitsgesellschaftern und präzisiert die Regelungen zu Interessenkonflikten und der Stimmrechtsausübung in solchen Fällen. Das Urteil macht deutlich, dass ein Gesellschafter, der Ersatzansprüche verfolgt, nicht auf die Zustimmung des anderen Gesellschafters angewiesen ist, wenn dieser aufgrund eines Interessenkonflikts nicht mitbestimmen darf.
Darüber hinaus verhindert das Urteil, dass Mehrheitsgesellschafter ihre Stimmrechte zu eigenen Gunsten ausnutzen können, und stärkt die Position der Gesellschaft als rechtlich handlungsfähige Einheit. Die Entscheidung des BGH ist ein wertvoller Beitrag zur Präzisierung der Rechte und Pflichten von Gesellschaftern in der GmbH und dürfte weitreichende praktische Konsequenzen haben.
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