„Verjährung in der Bürgschaft: BGH stärkt Rechte der Gläubiger
Das Bürgschaftsrisiko wird häufig unterschätzt und birgt erhebliche Gefahren. Wer für eine andere Person bürgt, übernimmt die Verpflichtung, deren Schulden zu begleichen, falls diese zahlungsunfähig wird. Dies kann den Bürgen finanziell schwer belasten, da er im Ernstfall für die komplette Schuld haftet. Zudem wirkt sich die Bürgschaft negativ auf die eigene Bonität aus, da sie in den Kreditunterlagen vermerkt wird. Die Verpflichtung endet nicht automatisch, sondern bleibt bestehen, bis die Schulden des Hauptschuldners beglichen sind. Auch zwischenmenschlich kann eine Bürgschaft Spannungen hervorrufen, vor allem, wenn sie in familiären oder freundschaftlichen Beziehungen eingegangen wird. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, dass man sich, sobald eine Chance dafür entstanden ist, aus dem Griff von Verpflichtungen aus einer Bürgschaft befreien möchte. Doch dies ist nicht so einfach. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 14. Juni 2016 zu dem Aktenzeichen XI ZR 242/15 eine entscheidende Frage im Bürgschaftsrecht geklärt: Verliert ein Bürge das Recht, sich auf die Verjährung der Hauptschuld zu berufen, wenn der Hauptschuldner bereits rechtskräftig verurteilt wurde? Die Antwort lautet: Ja, der Bürge kann sich in diesem Fall nicht mehr auf die Verjährung berufen. Damit stärkt der BGH die Rechte der Gläubiger und bringt Klarheit in ein oft umstrittenes Thema.
Grundschuldgesicherte Darlehen und die Verpflichtung des Bürgen
Im Mittelpunkt des verhandelten Falles standen zwei grundschuldgesicherte Darlehen über insgesamt 1,5 Millionen DM, die eine Bank (K) den Darlehensnehmern S und H für den Erwerb und die Sanierung einer Wohnanlage gewährte. Zur Sicherung dieser Darlehen übernahm der Beklagte B im Jahr 1992 und 1993 selbstschuldnerische Bürgschaften in Höhe von 650.000 DM und 850.000 DM. Als die Darlehensnehmer ihre Zahlungen einstellten, wurde die Geschäftsverbindung zwischen der Bank und den Darlehensnehmern im Juli 2001 gekündigt, und der gesamte Betrag fällig gestellt.
Der Verjährungsversuch und die Klärung durch den BGH
In den darauffolgenden Jahren versuchte die Bank, den ausstehenden Betrag einzutreiben. Im Jahr 2004 erhob sie schließlich Klage gegen den Bürgen B, nachdem Verhandlungen mit dem Hauptschuldner H gescheitert waren. Der Hauptschuldner wurde 2007 vom Gericht rechtskräftig zur Zahlung von 715.000 Euro verurteilt, hatte sich jedoch erfolglos auf die Verjährung berufen. Der Bürge B wehrte sich gegen die Forderung der Bank und argumentierte, dass die ursprüngliche Forderung verjährt sei. Schließlich sieht das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vor, dass Forderungen nach drei Jahren verjähren (§ 195 BGB). Diese Einrede der Verjährung stand auch dem Hauptschuldner H ursprünglich zur Verfügung. Doch dieser konnte sich im Prozess gegen die Bank nicht erfolgreich darauf berufen. Hier kam nun die entscheidende Frage auf: Gilt das auch für den Bürgen?
Präjudizielle Wirkung des Urteils und neue 30-jährige Verjährungsfrist
Laut § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB kann sich der Bürge auf dieselben Einreden berufen, wie der Hauptschuldner. Doch was passiert, wenn die Einrede der Verjährung dem Hauptschuldner bereits durch ein rechtskräftiges Urteil versagt wurde? Kann der Bürge sie trotzdem geltend machen?
Der BGH stellte klar: Der Bürge kann sich in einem solchen Fall nicht auf die Verjährung berufen. Sobald der Hauptschuldner durch ein rechtskräftiges Urteil zur Zahlung verurteilt wurde, beginnt eine neue 30-jährige Verjährungsfrist gem. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB zu laufen. Diese Frist ersetzt die ursprüngliche dreijährige Regelverjährung, die normalerweise für solche Forderungen gilt. Somit stand dem Bürgen die Verjährungseinrede nicht mehr zur Verfügung. Der BGH betonte, dass das Urteil gegen den Hauptschuldner eine sogenannte „präjudizielle Wirkung“ entfaltet. Es wäre widersprüchlich, wenn in einem Folgeprozess gegen den Bürgen ein anderes Urteil erginge, das dem ursprünglichen widerspricht. Die Rechtssicherheit verlangt, dass der Bürge an das Urteil gegen den Hauptschuldner gebunden ist, auch wenn dies bedeutet, dass er auf bestimmte Verteidigungsmittel verzichten muss.
Fazit
Der BGH berührte auch den oft diskutierten Akzessorietätsgrundsatz, nach dem die Haftung des Bürgen an den Bestand der Hauptschuld geknüpft ist (§ 767 Abs. 1 BGB). Der Gerichtshof stellte klar, dass die Verjährung in diesem Zusammenhang keine Auswirkungen auf den materiellen Bestand der Schuld hat, sondern nur deren Durchsetzbarkeit betrifft. Solange die Hauptschuld besteht – und das tut sie nach dem rechtskräftigen Urteil –, ist auch die Bürgschaft weiterhin gültig. Die Einrede der Verjährung betrifft lediglich die Durchsetzbarkeit, und diese war dem Hauptschuldner im vorangegangenen Prozess bereits verwehrt worden. Der Bürge versuchte zudem, sich auf § 768 Abs. 2 BGB zu berufen, der den Bürgen vor den Folgen eines Verzichts des Hauptschuldners auf die Verjährung schützt. Doch auch hier machte der BGH deutlich: Der Hauptschuldner H hatte keineswegs auf die Verjährung verzichtet, sondern sie erfolglos im Prozess geltend gemacht. Zudem sei der Fall von „schlechter Prozessführung“ durch den Hauptschuldner, wie ihn der Bürge anführte, nicht relevant – es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass der Hauptschuldner bewusst auf notwendige Verteidigungsargumente verzichtet hatte.
Mit diesem Urteil hat der BGH die Rechte der Gläubiger erheblich gestärkt. Sobald ein Hauptschuldner rechtskräftig zur Zahlung verurteilt wurde, kann sich der Bürge nicht mehr auf die Verjährung berufen, wenn die Einrede der Verjährung dem Hauptschuldner im Prozess bereits versagt wurde. Eine rechtskräftige Verurteilung setzt eine neue 30-jährige Verjährungsfrist in Gang, die auch für den Bürgen gilt. Damit hat der BGH eine wichtige Klarstellung im Zusammenhang mit Bürgschaftsverträgen getroffen.
Sollten auch Sie Fragen oder Anliegen zum Thema Bürgschaft haben, können Sie sich jederzeit einen Anwalt für Gesellschaftsrecht zur Rate ziehen.