Mindestens haltbar - Verfall Urlaub

Verfall von Urlaub aus gesundheitlichen Gründen ist nicht statthaft 

Der Urlaub ist eine wunderbare Möglichkeit, sich eine Auszeit zu gönnen und neue Energie zu tanken. Es ist eine Zeit, in der man sich entspannen und neue Erfahrungen machen kann – und der Deutschen liebstes Hobby. Ob man nun eine Reise in ein exotisches Land unternimmt, eine Kreuzfahrt macht oder einfach nur ein paar Tage zu Hause verbringt: Urlaub ist eine Gelegenheit, um sich selbst zu erneuern und neue Eindrücke zu sammeln. Man kann Orte entdecken, Kulturen kennenlernen und Freundschaften schließen. Urlaub ist eine Zeit, in der man sich selbst und seine Umgebung neu entdecken kann. Gleichwohl dient dieser dem Erhalt der Gesundheit im Sinne der Gesundheitsprävention.

Umso wichtiger ist es, dass der dem Arbeitnehmer zustehende Jahresurlaub durch einen länger andauernden gesundheitsbedingten Hinderungsgrund nicht verfällt, dies hat das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil vom 20.12.2022 zu dem Aktenzeichen 9 AZR 245/19 entschieden. 

Der zugrunde liegende Fall

Im Rahmen seiner Rechtsfindung hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aus gesundheitlichen Gründen an der Inanspruchnahme seines Urlaubs gehindert war, regelmäßig nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten erlischt, wenn der Arbeitgeber ihn rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen. Dies ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG.

Der Kläger, der als Schwerbehinderter anerkannt ist, war bei der beklagten Flughafengesellschaft als Frachtfahrer im Bereich Bodenverkehrsdienste tätig. Aufgrund voller Erwerbsminderung und aufgrund von gesundheitlichen Gründen konnte der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zwischen dem 1. Dezember 2014 und mindestens August 2019 nicht erbringen und deshalb seinen Urlaub nicht nehmen

Mit seiner Klage machte er deshalb geltend, dass ihm noch Resturlaub aus dem Jahr 2014 zustehe, da die Beklagte ihren Verpflichtungen, an der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub mitzuwirken, nicht nachgekommen sei. Die Vorinstanzen folgten der Auffassung des Klägers nicht und wiesen die Klage ab.

Erfolg vor dem BAG

Der schwerbehinderte Arbeitnehmer und Kläger hatte bezüglich des Resturlaubs aus dem Jahr 2014 vor dem BAG Erfolg. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer durch Erfüllung bestimmter Obliegenheiten in die Lage versetzen, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Erst wenn der Arbeitnehmer den Urlaub aus freien Stücken nicht nimmt, erlischt der Anspruch am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums. Sollte der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein, den Urlaub zu nehmen, gelten besondere Regelungen.

Hierbei hat der Europäische Gerichtshof durch seine Vorabentscheidung vom 22. September 2022 die Rechtsprechung des Senats weiterentwickelt. Demnach verfällt der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers, der aufgrund gesundheitlicher Gründe seit Beginn des Urlaubsjahres daran gehindert ist, seinen Urlaub anzutreten, nach Ablauf der 15-Monatsfrist. Dabei ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, da diese nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können.

Die Urteilsbegründung

„Wenn der Arbeitnehmer – wie hier der Kläger – im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig wurde, muss der Arbeitgeber ihn rechtzeitig in die Lage versetzen, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Andernfalls kann der für das Jahr 2014 im Umfang von 24 Arbeitstagen noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch nicht mit Ablauf des 31. März 2016 erlöschen.

Dies ist der Fall, wenn die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten bis zum 1. Dezember 2014 nicht nachgekommen ist, obwohl sie dazu in der Lage war. Dadurch blieb dem Kläger der Resturlaub für dieses Jahr erhalten, obwohl er aufgrund seiner vollen Erwerbsminderung mindestens bis August 2019 aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, seinen Urlaub anzutreten”, so die Richter am Bundesarbeitsgericht in ihrer Urteilsfindung.

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