Fahrzeugführer haftet bei Sturz eines Mitfahrers aus dem PKW-Fenster zur Hälfte mit
Das vorliegende Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe liegt schon eine Weile zurück, ist jedoch deshalb aus verkehrsrechtlicher Sicht nicht minder interessant. Ereignet hatte sich der Vorfall im Jahr 1998.
Hier hatte sich der damals 19-Jährige spätere Kläger auf eine Weise aus dem Fenster eines fahrenden PKW gelehnt, dass er dabei herausfiel und sich in Folge des Sturzes schwere Verletzungen zuzog. Er erlitt hierbei multiple Prellungen, Abschürfungen, eine Gehirnerschütterung sowie eine schwere traumatische Schädigung der Netzhaut im rechten Auge und darüber hinaus eine Einblutung im linken Innenohr mit leichter Hörminderung. Der so Geschädigte verklagte den Fahrer des PKW infolgedessen auf Zahlung von Schmerzensgeld.
Das Urteil
Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied in seinem Urteil vom 24.07.1998, Aktenzeichen 10 U 24/98, dass beide Parteien zu je 50 Prozent Mitschuld an dem Unfall tragen. Zunächst sprach das Gericht dem Kläger den Anspruch auf Schmerzensgeld nach §§ 823, 847 BGB, 1 Abs. 2, 23 Abs. 1 StVO, 254 BGB zu. Der Beklagte habe zu 50 Prozent Mitschuld an dem Unfall, da er seinen Verpflichtungen nach § 1 Abs. 2 StVO nicht nachgekommen sei.
Hiernach muss sich jeder Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass kein anderer geschädigt wird. Der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls im Schutzbereich des Beklagten befunden. Wenn der Fahrer durch das Verhalten der Mitfahrer behindert werde, müsse er die Fahrt verweigern oder abbrechen, so die Argumentation der Richter. Gleiches gelte, wenn er bemerke, dass ein Mitfahrer durch unvorschriftsmäßiges Verhalten sich selbst oder andere gefährdet.
Die Verteidigung
Der Beklagte trug zu seiner Verteidigung vor, dass er lediglich gehört habe, wie der Beifahrer das Fenster heruntergekurbelt habe und sich dabei weiter nichts gedacht. Von dem Fenstersturz will er erst durch einen Hinweis eines mit am Bord befindlichen Mitfahrers erfahren haben.
Gutachten und Schuld
Dies wurde jedoch von einem gerichtsmedizinischen Gutachten widerlegt. Demnach hätte der Beklagte, insbesondere im Hinblick auf die geringe Größe des Fahrzeuges, von den Vorgängen auf dem Rücksitz etwas mitbekommen müssen. Auch durch das Schauen in den Rückspiegel hätte er erkennen können, dass sich sein Mitfahrer bis zur Körperhälfte aus dem Fenster gelehnt hatte. Die Ungewöhnlichkeit dieses Ereignisses hätte der Fahrer erkennen müssen. Er hätte erkennen müssen, dass das Verhalten des Insassen verkehrsgefährdend war, und daraufhin die Fahrt unverzüglich beenden.
Diesen Umstand nahm das Gericht als Begründung zur Erhebung des Fahrlässigkeitsvorwurfs gegen den Fahrer an. Hingegen müsse sich auch der Kläger ein Mitverschulden von 50 Prozent nach § 254 anrechnen lassen. Dieser habe sich in leichtfertiger Weise selbst gefährdet. Zwar war der Kläger zum Unfallzeitpunkt unter Alkoholeinfluss, jedoch nicht in der Weise, dass er nichts von dem Geschehen hätte mitbekommen können. Die Blutalkoholkonzentration habe bei circa 1,3 Promille gelegen.
Schmerzengeld
Die Höhe des Schmerzensgeldes bemesse sich nach allen relevanten Umständen des Unfallhergangs sowie der Schwere der gesundheitlichen Folgen des Geschädigten, so die Richter am OLG Karlsruhe.
Der Kläger befand sich ungefähr drei Wochen in stationärer Behandlung. Das rechte Auge des Unfallopfers wurde dauerhaft geschädigt, wodurch die Sehleistung auf diesem nur noch 20 % betrug. Ein Ausgleich durch eine Sehhilfe war nicht möglich. Darüber hinaus litt der Geschädigte auf dem linken Ohr an eine um ca. 10 % reduzierte Hörleistung, verbunden mit einem wahrnehmbaren leichten Rauschen im Ohr. Der erst 19 Jahre alte Kläger müsse mit den Schädigungen der Hör- und Sehorgane den Rest seines Lebens leben.
Das OLG Karlsruhe in seinem Urteil vom 24.07.1998, Aktenzeichen 10 U 24/98 erachtete daher unter Berücksichtigung des hälftigen Mitverschuldens ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 DM ca. 10.256 EUR als angemessen.
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