In der deutschen Unternehmenslandschaft zeichnet sich eine spannende Entwicklung ab: Das Modell des Verantwortungseigentums erlangt zunehmend Aufmerksamkeit, insbesondere unter visionären und nachhaltigkeitsorientierten Start-ups. Diese innovative Idee fordert, dass Eigentümer nicht nur finanziellen Gewinn aus ihrem Unternehmen ziehen, sondern auch eine tiefgreifende Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und seinen Stakeholdern übernehmen. Die Gesellschafter dieser Unternehmen verzichten auf Gewinnausschüttungen und Wertsteigerungen und übertragen ihre Anteile nur an Personen, die die Unternehmensvision teilen. Die Rede ist von einer sogenannten GmbH mit gebundenem Vermögen, kurz GmbH-gebV.
Historische Wurzeln und internationale Entwicklungen
Das Prinzip des Verantwortungseigentums hat historische Wurzeln, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Ernst Abbe gründete die Carl-Zeiss-Stiftung, um sein Unternehmen vor Zerschlagung und Spekulation zu schützen und gleichzeitig seine sozialen und wissenschaftlichen Ziele zu wahren – folgerichtig ist es keine ganz neue Idee. Heute folgen rund 200 deutsche Unternehmen diesem Prinzip, darunter etablierte Namen wie Bosch, Zeiss, Alnatura und Weleda.
Diese Unternehmen setzen nicht nur auf finanziellen Erfolg, sondern auch auf eine aktive Verantwortung für gesellschaftliche Belange, sei es durch ökologische Nachhaltigkeit, soziale Integration oder technologische Innovation. Internationale Entwicklungen zeigen ebenfalls ein wachsendes Interesse an diesem Modell. In den USA wurden die „Benefit Corporations“ und in Italien die „Società Benefit“ eingeführt, die es Unternehmen ermöglichen, soziale und ökologische Ziele in ihrem Gesellschaftszweck aufzunehmen. Diese neuen Rechtsformen unterstützen Unternehmen dabei, ihre Verantwortung für das Gemeinwohl nicht nur zu erklären, sondern auch durch externe Bewertungen prüfen zu lassen.
Diskussion um die Einführung der GmbH mit gebundenem Vermögen
In Deutschland steht eine spezifische Rechtsform für Verantwortungseigentum noch aus. Eine engagierte Initiative aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik setzt sich jedoch für die Einführung einer neuen Unternehmensform im GmbH-Recht ein. Im Juni 2020 präsentierte eine Arbeitsgruppe von Gesellschaftsrechtlern einen Gesetzentwurf für die „GmbH in Verantwortungseigentum“, der im Februar 2021 in „GmbH mit gebundenem Vermögen“ (GmbH-gebV) umbenannt wurde.
Der Entwurf (Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen Gutachten 04/2022 vom 28. September 2022) sieht vor, dass Gesellschafter einer GmbH-gebV auf jegliche Gewinnausschüttungen und Liquidationserlöse verzichten. Ihre Anteile können nur an Personen weitergegeben werden, die die Unternehmenswerte teilen und vom Beirat genehmigt werden. Die Idee ist, eine „ewig thesaurierende“ Rechtsform zu schaffen, die das Unternehmen vor Veränderungen in der Gesellschafterstruktur oder feindlichen Übernahmen schützt.
Chancen und Herausforderungen der GmbH-gebV
Die Diskussion um die GmbH-gebV hat in der juristischen Fachwelt Wellen geschlagen. Befürworter begrüßen das Modell als einen innovativen Schritt in Richtung eines nachhaltigen und verantwortungsbewussten Unternehmertums. Sie sehen in der GmbH-gebV eine Möglichkeit, Unternehmensverantwortung neu zu definieren und langfristig zu sichern.
Kritiker hingegen heben Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Modells mit bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hervor. Sie argumentieren, dass die dauerhafte Vermögensbindung, die Unveräußerlichkeit der Anteile und andere Regelungen möglicherweise mit dem geltenden Gesellschaftsrecht und den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft kollidieren.
Die Integration des Verantwortungseigentums in das bestehende Rechtssystem stellt eine Herausforderung dar. Während einige Elemente des Modells, wie die Bindung des Vermögens und die Beschränkung der Übertragbarkeit von Anteilen, innerhalb der aktuellen Rechtsformen wie GmbH oder AG umgesetzt werden könnten, sind diese Ansätze oft mit Einschränkungen und Risiken verbunden. Beispielsweise können Gewinnausschüttungsklauseln in der Satzung einer GmbH festgelegt werden, doch diese Klauseln können leicht geändert oder umgangen werden. Eine dauerhafte Bindung des Unternehmensvermögens wäre nur durch komplexe und kostspielige Stiftungsmodelle realisierbar.
Unterstützung und kritische Überlegungen zur GmbH-gebV
Das Konzept der GmbH mit gebundenem Vermögen erhält zunehmend auch Unterstützung von bedeutenden Verbänden, darunter der Bundesverband mittelständische Wirtschaft, der Verband deutscher Unternehmerinnen, der Startup-Verband und der Digitalverband BVDW. Diese Unterstützung verdeutlicht die wachsende Relevanz dieses Modells in der wirtschaftlichen Debatte. Die GmbH-gebV könnte eine zukunftsweisende Möglichkeit bieten, die deutsche Wirtschaft nachhaltiger und verantwortungsbewusster zu gestalten. Sie fördert nicht nur langfristiges Engagement, sondern auch eine Unternehmenskultur, die über kurzfristige Gewinne hinaus blickt und gesellschaftliche Verantwortung in den Mittelpunkt stellt.
Es seien jedoch auch kritische Punkte anzumerken, wie beispielsweise während einer Insolvenz zu verfahren sei und wie dem Problem mit der immerwährenden und zunehmenden Schwierigkeit passende Nachfolger für ein Unternehmen im Mittelstand zu finden zu begegnen sei. Darüber hinaus und trotz aller mit der Thematik verbundenen Euphorie sei als Schlussnote die Frage zu stellen, ob der GmbH-gebV als dem „Thesaurus Rex“ nicht eher mit der Gründung einer Stiftung begegnen sollte, um Visionen langfristig zu verwirklichen und gleichzeitig einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.
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