Bundesverwaltungsgerichtsgebäude

Aus der Reihe – Die beste aller juristischen Welten – Teil III

Wie bereits in der vorhergehenden Betrachtung über das deutsche Rechtssystem dargestellt, gibt es in der Bundesrepublik für Anwälte die Möglichkeit, einen Fachanwaltstitel zu erlangen. Der Weg zur Fachanwaltschaft erfordert von Rechtsanwälten dabei den Nachweis außergewöhnlicher Fachkompetenz. Dies geht weit über das hinaus, was in der üblichen Ausbildung und beruflichen Erfahrung vermittelt wird. 

Bevor ein Antrag auf Verleihung eines Fachanwaltstitels gestellt werden kann, ist in der Regel die Teilnahme an einem intensiven Fachkurs von mindestens 120 Stunden und das Bestehen mehrerer anspruchsvoller Prüfungen erforderlich. Zusätzlich müssen Rechtsanwälte eine festgelegte Anzahl von bearbeiteten Fällen in ihrem Fachgebiet nachweisen.

Jeder Rechtsanwalt kann höchstens drei Fachanwaltstitel erwerben. Die Inhaber dieser Titel sind zudem verpflichtet, jedes Jahr nachzuweisen, dass sie sich in ihrem Fachbereich in angemessenem Umfang fortgebildet haben.

Der Fachanwaltstitel in der Schweiz

Im Vergleich dazu trägt der Titel „Fachanwalt SAV“ in der Schweiz eine besondere Bedeutung, da er darauf hinweist, dass ein Rechtsanwalt auf einem spezifischen Rechtsgebiet über herausragende Kenntnisse und umfassende Erfahrung verfügt. Die Zulassung als Fachanwalt erfordert eine mindestens fünfjährige Berufspraxis und überdurchschnittliche Kompetenz im betreffenden Rechtsbereich. Sobald diese Anforderungen erfüllt sind, wird der Titel nach erfolgreicher Prüfung durch den Schweizerischen Anwaltsverband für einen Zeitraum von zehn Jahren verliehen.

Der Schweizerische Anwaltsverband (SAV) zertifiziert folgende Fachanwaltsabschlüsse:

  • Fachanwalt für Arbeitsrecht
  • Fachanwalt für Bau- und Immobilienrecht
  • Fachanwalt für Erbrecht
  • Fachanwalt für Familienrecht
  • Fachanwalt für Haftpflicht- und Versicherungsrecht
  • Fachanwalt für Strafrecht
  • Fachanwalt für Mietrecht

Vergleich mit Deutschland

Bereits in dieser Gegenüberstellung beider oben genannter Rechtssysteme zeigt sich deutlich, dass die Vielfalt des deutschen Rechtssystems hinsichtlich der Fachanwaltstitel überwiegt.

Aber das ist bei weitem nicht alles, denn auch die deutsche Gerichtsbarkeit hat eine breitere Aufstellung und Vielfalt, als man dies zunächst erahnen könnte. Hierzulande gibt es nämlich fünf eigenständige Gerichtsbarkeiten, von denen jede ihre eigene höchste Instanz auf Bundesebene hat. Diese Gerichtsbarkeiten umfassen sowohl Berufsrichter als auch ehrenamtliche Richter, die in allen Instanzen an der Urteilsfindung beteiligt sind.

Die Unterschiede der Gerichtsbarkeit in Deutschland

Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Gerichte auf Landesebene. Die ordentliche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auf die Ziviljustiz, Strafjustiz und freiwillige Gerichtsbarkeit.

In der Ziviljustiz werden rechtliche Streitigkeiten zwischen Privatpersonen verhandelt. Die freiwillige Gerichtsbarkeit, auch als vorsorgende Rechtspflege bekannt, befasst sich mit Angelegenheiten wie Betreuung, Grundbuch, Nachlass und Register, einschließlich Vereins- und Handelsregister. 

Die ordentliche Gerichtsbarkeit umfasst Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte (in Niedersachsen: Braunschweig, Celle und Oldenburg) sowie den Bundesgerichtshof in Karlsruhe und Leipzig. 

Die Arbeitsgerichtsbarkeit behandelt Angelegenheiten im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen, betriebsverfassungsrechtlichen Fragen und Tarifverträgen. Ehrenamtliche Richter aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkreisen unterstützen in diesem Bereich.

In Niedersachsen gibt es 15 Arbeitsgerichte und das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in Hannover. Auf Bundesebene ist das Bundesarbeitsgericht in Erfurt zuständig.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit konzentriert sich auf Streitigkeiten zwischen Privatpersonen und Behörden, darunter Polizeirecht, Bau- und Planungsrecht, Straßen- und Verkehrsrecht, Beamtenrecht, Schul- und Hochschulrecht, Ausländer- und Asylrecht sowie Umwelt- und Naturschutzrecht. Hierzu gehören Verwaltungsgerichte, das Oberverwaltungsgericht (in Niedersachsen: Lüneburg) und das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Die Finanzgerichtsbarkeit ist spezialisiert auf Steuer- und Abgabenstreitigkeiten zwischen Steuerpflichtigen und dem Finanzamt. Sie umfasst die Finanzgerichte als Landesgerichte (in Niedersachsen: Hannover) und den Bundesfinanzhof in München.

Die Sozialgerichtsbarkeit, ebenfalls eine spezielle Verwaltungsgerichtsbarkeit, behandelt Angelegenheiten im Bereich Grundsicherung für Arbeitssuchende, Sozialhilfe, Asylbewerberleistungsgesetz, gesetzliche Unfall-, Renten- und Krankenversicherung einschließlich des Kassenarztrechts, Arbeitsförderung, Soldatenversorgung, Kindergeld, Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung.

In Niedersachsen gibt es acht Sozialgerichte und das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in Celle (mit einer Zweigstelle in Bremen). Das Bundessozialgericht hat seinen Sitz in Kassel.

In der Schweiz gibt es Unterschiede

Auf der Bundesebene der Eidgenossen besteht in der Schweiz die Judikative aus einer Vielzahl von Gerichten, die für verschiedene Rechtsbereiche zuständig sind. An erster Stelle steht das Bundesgericht, das in Lausanne und Luzern beheimatet ist und aus einer großen Anzahl von Bundesrichtern besteht. 

Es überwacht die Verfassungsmäßigkeit von Entscheidungen auf Bundesebene im Zivil- und Strafrecht sowie von Entscheidungen auf kantonaler Ebene in anderen Rechtsbereichen. Das Bundesgericht fungiert auch als die höchste Instanz für Gerichtsentscheidungen und verfügt über zwei sozialrechtliche Abteilungen, die für soziale Versicherungen zuständig sind. Die Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts (BGE) dient als Leitfaden für alle Gerichtsentscheidungen in der Schweiz.

Das Bundesstrafgericht in Bellinzona wurde im April 2004 gegründet und ist für die erstinstanzliche Beurteilung von Bundesstrafsachen zuständig, darunter Fälle von organisierter Kriminalität und Sprengstoffanschläge. Gegen die Entscheidungen dieses Gerichts kann vor dem Bundesgericht Rechtsmittel eingelegt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht nahm seine Tätigkeit im Januar 2007 auf und befindet sich in St. Gallen. Ebenso hat das Bundespatentgericht im Januar 2012 seine Arbeit in St. Gallen aufgenommen.

Unterschiede zwischen den Kantonen

Die Judikative auf kantonaler Ebene umfasst zahlreiche Instanzen, die den Bundesgerichten vorgeschaltet sind. In den meisten Kantonen der Deutschschweiz und im Tessin fungieren Schlichtungsbehörden, die auf kommunaler, regionaler oder kantonaler Ebene angesiedelt sind und als Schlichtungsstelle dienen. Je nach Kanton reicht die Hierarchie von Bezirksgerichten bis hin zu Kantonsgerichten, Obergerichten und Appellationsgerichten. Diese Instanzen bearbeiten eine Vielzahl von Rechtssachen, darunter zivilrechtliche Streitigkeiten, strafrechtliche Angelegenheiten und verwaltungsrechtliche Fragen.

Des Weiteren gibt es in vielen Kantonen Zwangsmaßnahmen-Gerichte, die für die Anordnung von Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie für die Genehmigung anderer Zwangsmaßnahmen zuständig sind. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird in einigen Kantonen durch spezielle Verwaltungsgerichte wahrgenommen, während in anderen die verwaltungsrechtliche Abteilung der Gerichte der zweiten Instanz zuständig ist.

Einige Kantone verfügen über Fach- oder Spezialgerichte, wie Jugendgerichte, Strafgerichte, Arbeitsgerichte, Mietgerichte, Sozialversicherungsgerichte, Handelsgerichte und Landwirtschaftsgerichte. Die Organisationsstruktur und Zuständigkeiten dieser Spezialgerichte können je nach Kanton variieren. In einigen Kantonen gab es bis 2010 Geschworenengerichte, deren Verfahren nach dem Unmittelbarkeitsprinzip abliefen. Mit der Einführung der Eidgenössischen Strafprozessordnung im Jahr 2011 wurden diese Geschworenengerichte abgeschafft, abgesehen vom Kanton Tessin, wo sie weiterhin aktiv sind.

Einige Kantone, darunter Zürich und St. Gallen bis 2010 sowie Solothurn bis 2005, verfügten über ein Kassationsgericht als dritte Instanz, das Nichtigkeitsbeschwerden behandelte und bei deren Annahme den Fall an die vorherige Instanz zurückverwies. Mit der Einführung der eidgenössischen Prozessordnungen im Jahr 2011 wurde diese dritte kantonale Instanz abgeschafft, da diese nur zwei kantonale Instanzen vorsehen.

Einige Kantone, wie Basel-Stadt, Genf und Jura, verfügen über ein eigenständiges Verfassungsgericht.

Gerichte in Österreich

Im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Österreich ist grundsätzlich jedes Gericht für eine breite Palette von Angelegenheiten in den Bereichen Zivil- und Strafgerichtsbarkeit zuständig. Die genaue Zuständigkeit hängt von der jeweiligen Organisationsebene ab, sei es das Bezirksgericht oder das Gericht erster oder zweiter Instanz.

Wenn wir noch einen weiteren Blick über die Grenze nach Österreich werfen, stellen wir fest, dass es dort zu den allgemeinen Gerichten in den größten österreichischen Städten spezialisierte Fachgerichte gibt, die sich auf bestimmte Rechtsgebiete konzentrieren. In Wien gibt es fünf solcher Fachgerichte:

  • Das Landesgericht für Strafsachen Wien
  • Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
  • Das Arbeits- und Sozialgericht Wien
  • Das Handelsgericht Wien
  • Das Bezirksgericht für Handelssachen Wien
  • Ebenso sind in Graz zwei Fachgerichte etabliert:
  • Das Landesgericht für Strafsachen Graz
  • Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz

Diese spezialisierten Gerichte sind darauf ausgerichtet, Angelegenheiten in ihren jeweiligen Rechtsgebieten kompetent und effizient zu behandeln, um eine gezielte Rechtsprechung und Expertise sicherzustellen. Anders als hierzulande gibt es in Österreich keine Fachanwälte im gleichen Sinne. In Österreich gibt es jedoch Rechtsanwälte, die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisiert sind. Diese Spezialisierung kann sich aus ihrer Ausbildung, Berufserfahrung und Interessen ergeben, wie zum Beispiel dem Arbeitsrecht, Familienrecht, Strafrecht oder dem Unternehmensrecht.

Neue Reform verbessert Qualität

In einer neuen größeren Reform hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, weitere Fachkammern – parallel zu den Fachanwaltstiteln – in den Gerichten zu bilden. So gibt es beispielsweise nunmehr auch eine Kammer für Insolvenzrecht. Damit ist nicht das Insolvenzgericht gemeint, das es bereits gibt. Im Insolvenzgericht werden nämlich nur Insolvenzverfahren abgehandelt. In der Kammer für Insolvenzrecht werden hingegen alle zivilrechtlichen Ansprüche (z.B. Anfechtungsansprüche oder Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer) verhandelt. Die einzelnen Kammern bei den einzelnen Gerichten werden mit festen Richtern besetzt, sodass diese in kürzester Zeit Spezialwissen in dem einzelnen Fachgebiet erlangen. Das steigert die Qualität der Rechtsprechung signifikant.

Mit dieser Spezialisierung verbessert sich das deutsche Rechtssystem erneut, denn nur wer Recht kennt, kann auch Recht sprechen. Deutschland baut damit seine Führung aller Rechtssysteme weiter aus. Der einzelne Bürger mag davon nichts mitbekommen. Das liegt aber alleine daran, dass er sich innerhalb des Systems befindet. Schon der Blick in unsere Nachbarländer hat gezeigt, dass es der Bürger dort schwerer hat, zu seinem Recht zu kommen. Rechtsanwälte mit geringer Spezialisierungstiefe treffen auf weniger spezialisierte Richter.

Qualität steigert sich aktuell nicht überall

Leider kann nicht jeder Bürger im Bundesgebiet davon profitieren. Denn eine Spezialisierung von Richtern ist nur möglich, wenn es mehrere Richter an einem Gericht gibt. In Deutschland ist es zwar möglich, die Amtsgerichte zusammenzuziehen, doch haben nicht alle Bundesländer davon Gebrauch gemacht. Während beispielsweise Baden-Württemberg keine Amtsgerichte zusammengezogen hat, hat Hessen sehr stark davon Gebrauch gemacht. In der Folge konnten die Amtsgerichte in Hessen ihre Qualität in der Rechtsprechung erheblich steigern. In Baden-Württemberg fehlt diese Qualitätssteigerung. Hier ist es der Regierung wichtiger, dass der Bürger besser zum Gericht als zu seinem Recht kommt.

Im nächsten Artikel zeigt die Kanzlei BRAUN mit ihrem Fachanwalt für Insolvenzrecht und Sanierungsrecht, welche weiteren weitreichenden Reformen das deutsche Rechtssystem signifikant verbessert haben.