Das Oberlandesgericht Köln hat in einer vielbeachteten Entscheidung vom 26. September 2024 zu dem Aktenzeichen 18 U 35/24 den Versuch einer Aktiengesellschaft, die Betriebsrente eines ehemaligen Vorstandsvorsitzenden einseitig zu halbieren, gestoppt – und damit ein starkes Zeichen für die Rechtssicherheit betrieblicher Altersvorsorge gesetzt. Der Fall zeigt, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten kein Grund für nachträgliche Rentenkürzungen sind.
Die Geschichte beginnt lange vor dem aktuellen Urteil: Der Kläger, einst Vorstandsvorsitzender einer großen Aktiengesellschaft, war seit den späten 1960er-Jahren im Unternehmen tätig. Für seine langjährige Tätigkeit wurde ihm eine Pensionszusage gewährt, die ihm ab dem 65. Lebensjahr eine monatliche Betriebsrente garantierte. Seit dem Jahr 2000 bezog er diese Leistung – bis ihn im Sommer 2023 ein unerwartetes Schreiben erreichte. Darin kündigte das Unternehmen an, die Rentenzahlung um 50 Prozent zu kürzen. Grund: wirtschaftliche Not. Grundlage: eine Klausel in der ursprünglichen Pensionszusage, die Kürzungen im Fall finanzieller Schieflagen vorsah.
Wirtschaftliche Not ist kein Freibrief – Juristische Prüfung der Kürzung
Doch was sich auf den ersten Blick nach einem betriebswirtschaftlich notwendigen Schritt anhörte, entpuppte sich vor Gericht als rechtlich hochproblematisch. Die Richter des OLG Köln prüften die Sache gründlich – und kamen zu einem klaren Ergebnis: Eine Kürzung sei weder gesetzlich gedeckt noch vertraglich wirksam vereinbart. Zunächst sahen die Richter keinen Raum für eine Kürzung nach dem Aktiengesetz. Zwar erlaubt § 87 Abs. 2 Satz 2 AktG grundsätzlich die Herabsetzung von Ruhegehältern ehemaliger Vorstände – allerdings nur innerhalb von drei Jahren nach deren Ausscheiden. Im vorliegenden Fall war diese Frist seit über zwei Jahrzehnten verstrichen. Auch ein Rückgriff auf die allgemeinen zivilrechtlichen Prinzipien wie „Treu und Glauben“ (§ 242 BGB) oder die „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) half der beklagten Gesellschaft nicht weiter. Denn wirtschaftliche Risiken seien vom Unternehmen zu tragen – und nicht durch rückwirkende Kürzungen auf die Schultern der Rentenempfänger zu verlagern.
Vertragsklausel ohne Transparenz – Gericht weist auf AGB-Recht hin
Besonders scharf fiel die Kritik des Gerichts an der im Vertrag enthaltenen Kürzungsklausel aus. Diese sei als Allgemeine Geschäftsbedingung zu werten und genüge in mehrfacher Hinsicht nicht den Anforderungen des AGB-Rechts. Weder seien die Voraussetzungen für eine sogenannte „wirtschaftliche Notlage“ klar definiert gewesen, noch fehlten belastbare Kriterien dafür, wie und in welchem Umfang eine Kürzung erfolgen dürfe. Die Folge: Intransparenz und eine einseitige Benachteiligung des Klägers, die mit geltendem Recht nicht vereinbar sei. Eine solche Klausel eröffne dem Arbeitgeber einen nahezu unbegrenzten Handlungsspielraum – ohne Rücksicht auf die berechtigten Interessen des Versorgungsempfängers.
Entscheidung mit Signalwirkung – Stärkung der Altersversorgung
Mit seinem Urteil hat das OLG Köln nicht nur dem Kläger Recht gegeben, sondern zugleich einen bedeutsamen Präzedenzfall geschaffen. Denn die Entscheidung hat weit über den Einzelfall hinausreichende Konsequenzen. Sie erinnert Unternehmen daran, dass betriebliche Altersversorgungen keine Spielmasse für wirtschaftliche Sanierungsversuche sind. Pensionszusagen an Vorstände und Führungskräfte müssen klar, nachvollziehbar und fair formuliert sein – andernfalls laufen sie Gefahr, vor Gericht zu scheitern.
Gleichzeitig stärkt das Urteil das Vertrauen in die betriebliche Altersvorsorge. Ehemalige Führungskräfte dürfen darauf bauen, dass ihnen zugesagte Leistungen nicht nachträglich entzogen oder gekürzt werden – selbst dann nicht, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld der Firma verändert. Für die Unternehmen bedeutet das Urteil wiederum, dass Klauseln, die in die Altersversorgung eingreifen, auf den juristischen Prüfstand gehören. Sie müssen nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch rechtlich belastbar und transparent gestaltet sein. Andernfalls droht – wie in diesem Fall – ein teures Erwachen. Denn die Verpflichtung zur Zahlung der vollen Betriebsrente bleibt bestehen.
Haben auch Sie Fragen oder Anliegen zum Thema betriebliche Altersvorsorge? Dann können Sie sich jederzeit einen Anwalt für Gesellschaftsrecht zur Rate ziehen.