Geschäftsadresse war eine Briefkastenadresse

Wie Ordnungsgelder eine existenzbedrohende Wirkung entfalten können

Wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben und zuweilen auch der Behördenapparat. Dies insbesondere dann, wenn es um die Zahlung von festgesetzten und fällig gewordenen Zwangs- oder Ordnungsgeldern geht. Das letztere betreffend, hatte ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 04.09.2024 zu dem Aktenzeichen 28 Wx 4/24 die Grenzen des Ermessensspielraums bei der Festsetzung von Ordnungsgeldern durch das Bundesamt für Justiz (BfJ) zu beleuchten. In diesem Fall wurde einer Personengesellschaft, die ihre Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 nicht fristgerecht eingereicht hatte, ein Ordnungsgeld in Höhe von jeweils 250.000 Euro auferlegt. 

Ordnungsgelder in astronomischer Höhe

Der dem späteren Urteil zugrunde liegende Fall spielte sich wie folgt ab: Die betroffene Rechtsbeschwerdeführerin, eine GmbH & Co. KG, wendet sich gegen die Festsetzung von zwei Ordnungsgeldern über jeweils 250.000 Euro durch das BfJ wegen der nicht fristgemäßen Einreichung ihrer Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2019 und 2020. Zuvor war das BfJ am 2. August 2021 in gleichlautenden Schreiben mit einem ersten Ordnungsgeld von jeweils 2.500 Euro wegen der unterbliebenen Veröffentlichung der Jahresabschlüsse an die Gesellschaft herangetreten. 

Der Weg durch die Instanzen

Da die Gesellschaft auch weiterhin ihrer Verpflichtung nicht nachkam, setzte das BfJ am 21. Februar 2022 die angedrohten Ordnungsgelder über jeweils 2.500 Euro fest und drohte ein weiteres Ordnungsgeld von 250.000 Euro unter Setzung einer Nachfrist von sechs Wochen an. Am 13. Dezember 2022 wurden schließlich die beiden angedrohten Ordnungsgelder über jeweils 250.000 Euro festgesetzt, und es wurde zudem ein weiteres Ordnungsgeld von jeweils 1.000.000 Euro angedroht.

Die Grundlage für die Höhe der Ordnungsgelder bildete ein interner Vermerk des BfJ vom 24. November 2022, der eine Staffelung vorsieht:

  1. Festsetzung: 2.500 Euro
  2. Festsetzung: 250.000 Euro
  3. Festsetzung: 500.000 Euro
  4. Festsetzung: 1.000.000 Euro
  • jede weitere Festsetzung: Erhöhung um 1.000.000 Euro bis der Höchstbetrag erreicht ist. 

Die Verfügungen wurden am 12. Januar 2023 nicht an den Steuerberater der Rechtsbeschwerdeführerin, sondern direkt an die Geschäftsadresse zugestellt, die sich als “Briefkastenadresse” herausstellte. Die Post wurde von einer Nachbarin an den Geschäftsführer weitergeleitet. Die Jahresabschlüsse für 2019 und 2020 wurden schließlich am 29. Dezember 2022 beim Bundesanzeiger eingereicht.

Verfahrensablauf: Beschwerden und Entscheidungen

Mit Schreiben vom 30. Januar 2023 legte der Verfahrensbevollmächtigte der Rechtsbeschwerdeführerin jeweils Beschwerde gegen die Festsetzung der beiden Ordnungsgelder ein und beantragte hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschwerdeeinlegung. Die Beschwerdeführerin rügte, dass die Ordnungsgelder unverhältnismäßig seien und sie in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohten. Das BfJ wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und half den Beschwerden nicht ab, weshalb die Angelegenheit dem Landgericht (LG) vorgelegt wurde. Das LG wies die Beschwerden ebenfalls zurück. Auf die Rechtsbeschwerde der betroffenen Gesellschaft hob das OLG jedoch die Beschlüsse des LG auf und setzte die Ordnungsgelder jeweils neu auf 25.000 Euro fest.

Das Urteil des OLG Köln: Verhältnismäßigkeit gewahrt

Die Ordnungsgelder wurden auf jeweils 25.000 Euro – insgesamt somit auf 50.000 Euro –  für die nicht fristgemäße Veröffentlichung der Jahresabschlüsse 2019 und 2020 reduziert.

Die Rechtsbeschwerdeführerin war trotz der zwischenzeitlich erfolgten Löschung im Handelsregister weiterhin beteiligtenfähig gemäß § 335a Abs. 3 Satz 2 HGB i.V.m. § 8 FamFG. Die Gesellschaft, eine GmbH & Co. KG, zählt zu den Personengesellschaften des Handelsrechts und behielt ihre Beteiligtenfähigkeit, auch nachdem sie am 28. August 2023 aus dem Handelsregister gelöscht wurde. Das OLG stellte fest, dass die ursprünglich festgelegten Ordnungsgelder über insgesamt 500.000 Euro das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot verletzen. Obwohl die Voraussetzungen für die Verhängung erhöhter Ordnungsgelder aufgrund wiederholter Nichterfüllung der Pflicht zur Veröffentlichung gegeben sind, stellte das Gericht fest, dass die Höhe der vom BfJ festgesetzten Ordnungsgelder rechtlich bedenklich ist. Die finanziellen Belastungen, die durch die festgesetzten Ordnungsgelder entstehen, standen in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Vorteilen, die der Allgemeinheit daraus erwachsen würden. Die Entscheidung des OLG Köln bezieht sich auch auf die grundgesetzlichen Bestimmungen des Art. 12 GG, der den Schutz der wirtschaftlichen Existenz des Unternehmens sicherstellt.

Schlussfolgerung: Die Bedeutung des Urteils für Unternehmen

Insgesamt zeigt dieser Fall die Herausforderungen und rechtlichen Rahmenbedingungen auf, mit denen Unternehmen konfrontiert sind, wenn es um die fristgerechte Einreichung von Jahresabschlüssen geht. Die Entscheidung des OLG Köln setzt ein wichtiges Zeichen für die Wahrung der wirtschaftlichen Existenz von Unternehmen und die Notwendigkeit einer fairen und verhältnismäßigen Ahndung durch staatliche Institutionen. Das Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit der Einhaltung des Übermaßverbots und das Recht auf wirtschaftliche Existenz, das durch das Grundgesetz gewährleistet wird.

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