Aus Kindertagen dürfte einigen das sogenannte Spiel „Schellekloppen“ aus der Erinnerung bekannt sein, bei dem es darum ging, meistens im Rahmen einer Kindergeburtstagsfeier, mit seinen Gästen durch die Straßen seines Wohnorts zu ziehen, bei seinen Nachbarn zu klingeln und wegzulaufen – zumeist in der Hoffnung darauf, die Betroffenen würden sich über die begangene Neckerei aufregen, was wiederum zu einer Belustigung seitens der kleinen Schelme führte. Anders verhält es sich hingegen, wenn das Finanzamt an der Tür klingelt, hier ist die Hoffnung nämlich schwindend gering, dass dieses nach dem Betätigen der Klingel davonläuft – aufregend kann es dennoch werden, insbesondere dann, wenn Steuernachzahlungen im Rahmen einer Haftung eine Rolle spielen.
Bevor es aber zu einer Haftung kommt, klingelt das Finanzamt zunächst einmal beim eigentlichen Steuerschuldner bzw. der Gesellschaft (z.B. GmbH, KG, AG etc.). Erst wenn diese nicht zahlen kann, klingelt das Finanzamt zum zweiten Mal, und zwar dann beim Geschäftsführer (GmbH, KG) oder Vorstand (AG).
So lesen wir zunächst aus dem Gesetzestext des § 69 AO folgendes:
- Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.
Die Verpflichtungen
Neben den Vorschriften aus der Abgabenordnung (AO) bestehen für einen Geschäftsführer einer GmbH noch weitere Verpflichtungen, die für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten erforderlich sind. So trägt ein Geschäftsführer einer GmbH gemäß § 41 GmbHG die Verantwortung für die ordnungsgemäße Führung der notwendigen Handelsbücher. Zusätzlich ist er gemäß den Vorschriften in §§ 242 und 264 Absatz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) dazu verpflichtet, den Jahresabschluss zu erstellen.
Darüber hinaus steht ein Geschäftsführer vor umfassenden steuerlichen Verpflichtungen gemäß § 34 der Abgabenordnung (AO). Hierzu zählen unter anderem die folgenden Punkte: die Führung der Bücher, die Abgabe von Steuererklärungen, die Erfüllung von Steuerschulden der GmbH sowie die Einbehaltung und Abführung von Abzugssteuern für Rechnung eines Dritten.
Die Haftung
Entsprechend des § 69 AO haftet der Geschäftsführer weiterhin persönlich für die Steuerschulden der GmbH, wenn er seinen Verpflichtungen zur Einreichung von Steuererklärungen oder zur Begleichung der Steuerschulden der Gesellschaft nicht nachgekommen ist. Diese Pflichten beinhalten auch die sogenannte Mittelvorsorgepflicht. Nach dieser muss der Geschäftsführer ausreichende finanzielle Mittel bereithalten, um die fälligen Steuern begleichen zu können.
Eine grob fahrlässige Verletzung dieser Mittelvorsorgepflicht tritt selbst dann ein, wenn der Geschäftsführer zwar genug Vermögen auf einem Bankkonto vorweisen kann, aber gleichzeitig Anzeichen dafür bestehen, dass die Gesellschaft die Steuerschuld bei Fälligkeit nicht begleichen kann, beispielsweise aufgrund von Drittpfandrechten. In diesem Fall muss der Geschäftsführer sicherstellen, dass die Steuerzahlung für die Finanzverwaltung gewährleistet ist und darf nicht versuchen, den Zugriff auf das Bankkonto in irgendeiner Weise zu beschränken.
Diese Haftung erstreckt sich sogar auf Fälle, in denen der Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Steuerfälligkeit bereits abberufen wurde oder sein Amt niedergelegt hatte. Hier zeigt sich besonders deutlich die Tragweite der Haftung in steuerlichen Angelegenheiten.
Finanzamt gehört nicht zu den existenznotwendigen Gläubigern
Hier kommt das Problem bei der wirtschaftlichen Schieflage einer Gesellschaft. Insolvent zu sein bedeutet nämlich, zu wenig Geld zu haben, um alle Gläubiger bedienen zu können. In solchen Zeiten sind Geschäftsführer geneigt, das Geld für existenznotwendige Gläubiger aufzuwenden. Das steht aber im Konflikt mit der Mittelvorsorgepflicht. Das Finanzamt wird nämlich in den meisten Fällen nicht als existenznotwendig angesehen.
Das führt meistens dazu, dass das Finanzamt in einem Insolvenzverfahren des eigentlichen Steuerschuldners ausfällt und sich somit veranlasst fühlt, beim Haftungsschuldner zu klingeln.
Risiken und Herausforderungen für Geschäftsführer
Der Bundesfinanzhof weist in seinem Urteil vom 17.07.2019 – zu dem Aktenzeichen VII R 5/18 teilweise erneut auf die potenziellen Risiken und Herausforderungen hin, denen der Geschäftsführer einer GmbH, welche sich in der Insolvenz befindet, in Bezug auf steuerliche Forderungen gegenübersteht. Dabei hat der Bundesfinanzhof im Rahmen seiner Urteilsfindung einige interessante Aspekte und Grundsätze herausgearbeitet, welche zusammenfassend wie nachfolgend lauten:
- Die Nichtzahlung festgesetzter, fälliger Steuern und Abgaben führt zu einem Steuerschaden in dieser Höhe, unabhängig davon, ob die Festsetzung der Höhe nach zutreffend ist. Gleichzeitig stellte der vor dem Gericht verhandelte Sachverhalt das Verschulden der Geschäftsführung gem. § 69 AO fest.
- Voraussetzung dafür, dass sich ein Geschäftsführer, der im Rahmen eines Geschäftsverteilungsplans nicht für die Erledigung von kaufmännischen Angelegenheiten zuständig ist, hierauf erfolgreich berufen kann, ist eine „vorweg getroffene eindeutige schriftliche Festlegung, welcher Geschäftsführer für welchen Bereich zuständig ist, damit nicht im Haftungsfall jeder Geschäftsführer auf die Verantwortlichkeit des anderen verweist“.
- Die Eintragung einer vom Finanzamt angemeldeten Forderung in die Insolvenztabelle ersetzt den Steuerbescheid. Infolgedessen ist die Tabelleneintragung nicht auf das Insolvenzverfahren oder den Insolvenzschuldner beschränkt; der Tabelleneintrag wirkt, wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber allen Insolvenzgläubigern und damit auch in Betracht kommenden haftenden Geschäftsführern, gleichgültig, ob diese am Prüfungstermin teilgenommen hatten, von dem Prüfungstermin überhaupt wussten oder es unterlassen haben, Widerspruch gegen die angemeldete Forderung einzulegen.
Das Urteil enthält mehrere wichtige Aspekte
- Eine interne Geschäftsverteilung von mehreren Geschäftsführer enthaftet keinen der Geschäftsführer im Außenverhältnis (hier zum Finanzamt), wenn der intern zuständige Geschäftsführer die steuerlichen Pflichten nicht erfüllt.
- Forderungen des Finanzamtes können in einem Insolvenzverfahren ohne Bescheid zur Insolvenztabelle angemeldet werden und entfalten ihre Rechtskraft, wenn diesen Forderungen im Prüfungstermin nicht widersprochen wird.
Ein Geschäftsführer muss daher aufmerksam die Anmeldungen des Finanzamtes mitverfolgen und im Prüfungstermin Widerspruch einlegen. In einem mündlichen Prüfungstermin muss dies vor Ort beim Gericht während des Gerichtstermins erfolgen. Im schriftlichen Verfahren kann dies schriftlich erfolgen. In diesem Falle muss der Widerspruch vor dem Tag eingereicht werden, an dem der Prüfungstermin stattfindet.
Widerspruch einlegen gestaltet sich kompliziert
Widerspruch einzulegen ist dabei gar nicht so einfach, da der Prüfungstermin dem Schuldner und damit dem Geschäftsführer nicht schriftlich bekannt gegeben werden muss. Es reicht eine öffentliche Bekanntgabe über das Internet.
Nur wer einen Widerspruch eingelegt hat, kann die Forderung gerichtlich überprüfen lassen. Ohne den Widerspruch ist das Einspruchsverfahren bezüglich der originären Steuerschuld abgeschnitten. Es bleibt dann nur noch das Einspruchsverfahren bezüglich der persönlichen Haftung. In diesem werden aber nur Einwendungen berücksichtigt, die die Haftung berühren. Solche, die den Steueranspruch berühren, werden nicht mehr berücksichtigt.
Fachanwalt klärt über Haftungsfallen auf
Insgesamt gilt, dass die GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) leider keine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Geschäftsführer einer GmbH sollten – um eine persönliche Haftung zu vermeiden – im Falle einer wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft oder besser noch vorher, einen Fachanwalt für Insolvenzrecht und Sanierungsrecht aufsuchen und sich über die Haftungsfallen einer GmbH aufklären zu lassen. Der Fachanwalt hilft mit seiner Expertise dabei, eine Haftung zu vermeiden oder eine eingetretene Haftung zu beseitigen, damit das Finanzamt nicht zweimal klingelt.