Die Zombieapokalypse – ein faszinierendes und oft in der Popkultur sowie der Unterhaltungsindustrie behandeltes Szenario. Sie stellt eine dystopische Vorstellung dar, in der die Welt von untoten, menschenfressenden Wesen, den sogenannten „Zombies“, überrannt wird. Diese Kreaturen sind in der Regel ehemalige Menschen, die durch einen mysteriösen Virus, eine Infektion oder eine andere Ursache wiederbelebt wurden, jedoch ihren Verstand und ihre menschliche Natur verloren haben. So oder so ähnlich übertragbar wäre die Situation auf die gegenwärtige wirtschaftliche Lage in Deutschland. Ehemalige Unternehmen sind bedingt durch viele Faktoren in jüngster Zeit zu Schatten ihrer selbst mutiert. Ob dies allerdings faszinierend oder vielmehr erschreckend ist, steht freilich auf einem anderen Blatt.
Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland erfährt derzeit einen drastischen Anstieg. Die Juli-Statistik 2023 zeigt fast ein Viertel mehr Firmenpleiten im Vergleich zum Vorjahr. Dieser Anstieg lässt sich nicht allein auf gestiegene Energiekosten und Zinsen zurückführen, sondern auch auf die langfristigen Auswirkungen der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Politik.
Seit August 2022 verzeichnet man bereits einen kontinuierlichen Anstieg der Insolvenzen. Im Juli meldete das Statistische Bundesamt einen Anstieg von fast 24 Prozent bei den Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresmonat. Bereits im Juni lag das Plus bei knapp 14 Prozent und im Mai betrug der Anstieg 19 Prozent.
Die Faktoren für den Anstieg
Die Statistiken zeigen, dass die Anzahl der Insolvenzen seit August 2022 stetig zunimmt. Experten der Wirtschaftsauskunftei Creditreform führen dies auf die anhaltende wirtschaftliche Flaute sowie steigende Kosten für Energie und Rohstoffe und kontinuierlich steigende Zinsen zurück.
Ein weiterer Faktor ist der sogenannte Nachholeffekt. Während der Corona-Jahre wurde das Insolvenzgeschehen durch staatliche Maßnahmen erheblich beeinflusst und abgemildert. Christoph Niering, Insolvenzverwalter aus Köln und Vorsitzender des Berufsverbands der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID), erklärt, dass die Insolvenzantragspflicht vorübergehend ausgesetzt wurde. Unternehmen mussten daher für viele Monate nicht wie üblich sofort einen Insolvenzantrag stellen, wenn sie zahlungsunfähig oder überschuldet waren.
Gleichzeitig erhielten viele Unternehmen staatliche Unterstützung. Beides führte dazu, dass die Anzahl der Insolvenzen während der Corona-Zeit trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen deutlich zurückging.
„Vor der Corona-Pandemie befanden sich viele der Unternehmen, die jetzt von Insolvenz betroffen sind, bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten“, erläutert Niering. Die staatlichen Hilfen während der Pandemie und des Ukraine-Konflikts haben lediglich den Eintritt in die Insolvenz verzögert. „Jetzt sehen wir den Prozess der Marktbereinigung, der mit Insolvenzen einhergeht.“
Insolvenzgeschehen normalisiert sich
Allerdings möchte Niering nicht von einer „Pleitewelle“ sprechen. Er betont, dass der aktuelle Anstieg vor allem eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens darstellt. Schließlich liegen die aktuellen Zahlen immer noch unter den Werten des wirtschaftlich erfolgreichen Jahres 2019. Zu dieser Zeit gab es laut dem Statistischen Bundesamt 18.749 Unternehmensinsolvenzen. In den frühen 2000er-Jahren und während der Finanzkrise waren es sogar fast doppelt so viele.
Bis zum Halbjahr 2023 sind laut Creditreform bisher rund 8.400 Insolvenzen verzeichnet und es wird erwartet, dass noch viele weitere hinzukommen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen bleiben aufgrund der Inflation und der Zinswende weiterhin sehr angespannt. Viele Unternehmen können unter den aktuellen Bedingungen mit hohen Zinsen und schwachen Erträgen ihre Schuldenlast nicht mehr tragen.
Viele Branchen sind betroffen
Nach Angaben des Berufsverbands VID gibt es derzeit eine besonders hohe Anzahl von Insolvenzfällen im Einzelhandel, in der Bau- und Immobilienbranche sowie im Krankenhaus- und Pflegebereich. Vor kurzem meldete das Deutsche Rote Kreuz die Insolvenz von vier Kliniken in Rheinland-Pfalz. In den letzten Monaten gehörten die Insolvenzen der Krankenhausbetreiber Imland aus Rendsburg in Schleswig-Holstein und Diako aus Flensburg sowie des Pflegeheimbetreibers Convivo aus Bremen zu den größten Fällen des bisherigen Jahres.
Auch die Modebranche wurde von der Insolvenzwelle stark getroffen. Im Jahr 2023 wurden bereits über 40 Insolvenzen verzeichnet, darunter prominente Namen wie die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, Gerry Weber, Hallhuber, Peek&Cloppenburg, der Schuhhändler Reno und der Herrenmode-Hersteller Ahlers.
Zusätzlich haben Insolvenzen in anderen Branchen die Unternehmenslandschaft in Deutschland beeinflusst. Besonders auffällig ist der stille Rückzug aus dem Markt – vor allem im Einzelhandel. Im ersten Halbjahr 2023 stieg die Zahl der vollständigen Geschäftsaufgaben um 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt berichtet.
Neugründungen nehmen zu
Es gab jedoch auch 317.600 Neugründungen, was einem Anstieg von mehr als zehn Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Allerdings handelte es sich bei knapp der Hälfte dieser Gründungen um Nebenerwerbsbetriebe, gleichwohl ließe sich hier ein, wenn auch kleiner Hoffnungsschimmer verorten. Dabei werden rund 62.700 Unternehmen als „Betriebe mit wirtschaftlicher Bedeutung“ eingestuft, was aufgrund ihrer Rechtsform und Mitarbeiteranzahl auf eine gewisse wirtschaftliche Relevanz hinweist. Diese Zahl ist allerdings im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 rückläufig. Im Gegenzug ist die Anzahl der Geschäftsaufgaben bei diesen wirtschaftlich bedeutenden Betrieben um mehr als zwölf Prozent gestiegen.