Lohnansprüche bei Insolvenz des Arbeitgebers
Im ersten Teil des Artikels „Geschlossene Gesellschaft“ beschäftigten wir uns mit der Gefahr einer drohenden Insolvenzwelle. Im Rahmen des zweiten Teils geht es um die Ansprüche der Arbeitnehmer aus Lohnforderungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens.
Corona und Inflation zeigen Wirkung
Im August 2022 wurden im Vergleich zum Vorjahr 11,5 % mehr Unternehmensinsolvenzen erfasst. Das waren nach den Angaben der jeweiligen Amtsgerichte rund 1.147 beantragte Unternehmensinsolvenzen. Angesichts der aktuellen Energiekrise und der Nachhalleffekte der Corona-Pandemie gepaart mit Inflationseffekten, dürfte die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2023 weiter anziehen. Umso wichtiger ist es, sich als Arbeitnehmer über seine Lohnforderungen in einem solchen Fall zu informieren.
Wann sind die Lohnforderungen entstanden?
Entscheidend ist zunächst, zu wissen, zu welchem Zeitpunkt die Lohnforderungen entstanden sind: ob vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder in der Zeit danach. Arbeitnehmer sollten zunächst und grundsätzlich ihre Lohnabrechnungen auf etwaige Zahlungsrückstände kontrollieren und diese dokumentieren, ihren Arbeitgeber schriftlich darüber informieren und gleichzeitig die Nachzahlung von diesen fordern. Denn unter Umständen enthält der Arbeitsvertrag sogenannte Ausschlussfristen, die bei Nichtbeachtung eine Verfristung der Lohnforderung nach sich ziehen könnten.
Sollte dann tatsächlich der Fall einer Insolvenz eintreten, so werden die noch offenen Lohnforderung, die vor der Eröffnung entstanden sind, zu Insolvenzforderungen gezählt. Diese müssen dann beim Insolvenzverwalter angemeldet werden. Dieser wird eine Prüfung vornehmen und diese dann in der Insolvenztabelle vermerken. Die darin dokumentierten Lohnforderungen werden bei Beendigung des Insolvenzverfahrens erfüllt werden.
Auszahlung nach Insolvenzquote
Jedoch ist nahezu nie mit der vollen Höhe der Zahlung zu rechnen, denn die Erfüllung der offenen Forderungen erfolgt nach einer sogenannten Insolvenzquote. Diese wiederum stellt das Verhältnis der vorhandenen Insolvenzmasse zu der Gesamtsumme der Gläubigerforderungen dar. Die Auszahlung erfolgt anhand des errechneten Prozentsatzes an die Gläubiger. Dies bedeutet in der Regel, dass Arbeitnehmer nur einen geringen Bruchteil ihrer ursprünglichen Forderungen erhalten oder letzten Endes mit leeren Händen dastehen.
Das Insolvenzgeld
Damit Arbeitnehmer nicht jahrelang warten müssen, bis sie einen ganz geringen Teil ihres Lohns gezahlt bekommen, hilft die Bundesagentur für Arbeit den betroffenen Arbeitnehmern mit dem sogenannten Insolvenzgeld (auch Insolvenzausfallgeld) nach §§ 165 ff. SGB III aus. Dieses wird für den Zeitraum von bis zu drei Monaten vor der Eröffnung der Insolvenz gewährt und entspricht dem Nettogehalt. Hier gilt ebenfalls eine Frist zur Beantragung, nämlich bis zu zwei Monate nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Wird die Frist nicht eingehalten, verfällt der Anspruch auf Insolvenzausfallgeld.
Arbeitsverhältnisse bestehen fort
Grundsätzlich lässt sich jedoch festhalten, dass Arbeitsverhältnisse mit dem Arbeitgeber auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen ihn weiterhin gem. § 108 InsO fortbestehen. In diesem Zusammenhang werden die Lohnforderungen Verbindlichkeiten im Rahmen des Insolvenzverfahrens und zwar zu sogenannten Masseverbindlichkeiten. Dies gilt jedoch nur für Lohnforderungen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.
Masseverbindlichkeiten müssen noch vor den Insolvenzforderungen aus der Insolvenzmasse heraus erfüllt werden, sodass eine viel größere Chance darauf besteht, dass diese auch voll bezahlt werden. Aber auch dies ist nicht in 100 % der Fälle gewährleistet.
Der Insolvenzverwalter als Arbeitgeber
Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter Ihr Arbeitgeber. Daher besteht für jeden Arbeitnehmer nach der Eröffnung die Möglichkeit, den Insolvenzverwalter auf Zahlung des Lohnanspruches zu verklagen. Jedoch bleiben die Chancen im Rahmen des Insolvenzverfahrens für den Arbeitnehmer stets mit der Gefahr des Totalausfalls verbunden. Nämlich dann, wenn der Fall der Massearmut oder Masseunzulänglichkeit eintritt.
Diese kann vom Insolvenzverwalter erklärt werden, wenn nicht ausreichend Geld vorhanden ist, um alle Masseverbindlichkeiten zu befriedigen, sodass die offenen Lohnforderungen im besten Fall nur noch zu einem sehr geringen Teil erfüllt werden oder im schlimmsten Fall ganz ausbleiben. In einem solchen Fall hat der Arbeitnehmer unter anderem das Recht, seine Arbeit niederzulegen.
Anfechtung der Lohnzahlung
Ebenfalls besteht die Möglichkeit, dass der bereits gezahlte Lohn vom Insolvenzverwalter in bestimmten Konstellationen zurückgefordert werden kann. In diesem Falle erfolgt gem. §§ 129 ff. InsO eine Anfechtung der Lohnzahlung. Dies kann unter Umständen dann eintreten, wenn Zahlungen kurz vor der Eröffnung der Insolvenz erfolgt sind oder wenn die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Zahlung bereits bekannt war oder feststand.
Um Arbeitnehmer vor diesem Lohnrückzahlungsrisiko zu schützen, hat der Gesetzgeber die Anfechtungsregeln dahingehend abgemildert, dass Arbeitnehmer in besonderem Maße vor einer Anfechtung geschützt sind.
Sollte eine Anfechtung Ihres Lohns erfolgt sein, ist es daher ratsam, dass Sie sich zeitnah rechtlichen Rat bei einem Fachanwalt für Insolvenzrecht oder einem Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht einholen, um unberechtigte Rückforderungen abwehren zu können. Die Kanzlei BRAUN steht Ihnen bundesweit mit besonderer Fachkenntnis zur Seite.