Transportdienstleister muss die Sozialversicherung eines scheinselbständigen Kurierfahrers nachzahlen
Nach der Ansicht der Deutschen Rentenversicherung sind Lkw-Fahrer, die kein eigenes Kraftfahrzeug besitzen, dem Grunde nach scheinselbständig. Diese Meinung wird ebenfalls in den überwiegenden Fällen von den Sozialgerichten geteilt. Wenngleich auch Einzelfälle hierzu mitunter strittig sind.
So ist davon auszugehen, dass Frachtführer gem. der §§ 407 ff HGB dann ein selbständiges Gewerbe ausüben, wenn sie beim Transport ein eigenes Fahrzeug einsetzen und für die Durchführung ihres Gewerbes eine Erlaubnis nach § 3 Güterkraftverkehrsgesetz oder die Gemeinschaftslizenz nach Artikel 3 der Verordnung (EWG) 881/92 besitzen.
Dies ist auch dann der Fall, wenn diese als Einzelperson oder Unternehmer ohne weitere Mitarbeiter für einen Auftraggeber tätig sind und hierbei auch die Farben oder das Logo des Auftraggebers nutzen. Die per Definition zu erfüllende Voraussetzung ist hierbei, dass dem Frachtführer Dauer, Beginn und Ende der Arbeitszeit nicht vorgeschrieben werden. Darüber hinaus müssen sie die theoretische Möglichkeit haben, Transporte ebenfalls für weitere Kunden auf eigene Rechnung durchführen zu können. Hierbei ist es unerheblich, ob sie dann auch tatsächlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
Ein Fallbeispiel
So hatte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zu dem Aktenzeichen L 28 BA 23/19 mit seinem Urteil vom 29.06.2022 das Arbeitsverhältnis eines Kurierfahrers zu bewerten. Dieser führte in den Jahren 2016 und 2017 Transportaufträge durch, welches das auftraggebende Transportunternehmen ihm über ein Funksystem vermittelte.
Nach dem Abschluss eines Rahmenvertrages und unter einer Anweisung in Hinblick auf sogenannte „organisatorische Tipps“ und „Arbeitsanleitungen“ in einem Handbuch, hatte der Kurierfahrer den Auftrag, bei den Kunden des Unternehmens Transportgüter abzuholen und auszuliefern, nachdem ihm entsprechende Aufträge von der Zentrale des Unternehmens über Funk vermittelt worden waren.
Hierbei hatte der Lkw-Fahrer ein Gewerbe angemeldet, führte die Fahrten mit einem eigenen Fahrzeug durch, hatte aber weder Mitarbeiter noch einen eigenen Betrieb. Der Auftraggeber erstellte ihm gegenüber monatlichen Abrechnungen auf der Basis der ermittelten Transportkilometer und zog von der Vergütung eine Verwaltungspauschale ab.
So entschied das Gericht
Das Landessozialgericht kam in Anbetracht der Würdigung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit des Kurierfahrers eine abhängige Beschäftigung darstelle. Weder aus dem Rahmenvertrag noch aus der Art und Weise, wie dieser gelebt wurde, seien wesentlichen Freiräume des Kurierfahrers ersichtlich.
Das Gericht stellt im Rahmen der Urteilsfindung fest: […] Habe er den jeweiligen Einzelauftrag angenommen bzw. habe das Transportunternehmen diesen an ihn vergeben, sei er fortan fremdbestimmt in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingegliedert gewesen. Etwaige Freiräume – beispielsweise im Hinblick auf die Wahl der konkreten Route – fielen demgegenüber nicht erheblich ins Gewicht. Gleiches gelte auch für den Umstand, dass der Fahrer für seine Kurierdienste seinen eigenen Pkw nutzte. […]
Weiter heißt es: […] Keine wesentliche Bedeutung komme schließlich dem Umstand zu, dass dem Kurierfahrer auf der Grundlage des geschlossenen Vertrages die für einen Arbeitnehmer typische soziale Absicherung nicht gewährt wurde. Dieser Umstand könne allenfalls ein Indiz darstellen, dessen Gewicht sich wegen eines Ungleichgewichts in den Verhandlungspositionen beider Seiten allerdings erheblich abschwäche. Hier sei nicht erkennbar, dass beide Vertragspartner in gleicher Weise Einfluss auf die Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status hätten nehmen können. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das unterlegene Transportunternehmen kann bei dem Bundessozialgericht die Zulassung der Revision beantragen. […]
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