Das Leben nehme ich Dir
Rund 100.000 Zusammenstöße pro Jahr mit 500 Toten sowie 25.000 Verletzten ergibt Deutschlands erschütternde Bilanz in Bezug auf Unfälle, die durch die Nutzung von Smartphones am Steuer verursacht wurden. Der permanente Begleiter im Alltag mutiert bei der Benutzung während der Autofahrt zu einem potenziell tödlichen Werkzeug. Oft ereignen sich die Unfälle dadurch, dass die Verkehrsteilnehmer das Gefühl haben, ununterbrochen erreichbar sein zu müssen, unter Umständen während der Fahrt live streamen oder Nachrichten beantworten. Die Gefahren werden hierbei entweder ganz ausgeblendet oder zumindest billigend in Kauf genommen.
Der Fall
Der nachfolgende Fall der vor dem Oberlandesgericht Köln zur Verhandlung kam und am 04.12.2020 in einem Beschluss zu dem Aktenzeichen 1 RBs 347/20 Eingang in die Rechtsprechung fand, ist exemplarisch für die oben benannte Unfallstatistik. Bei dem Fall wurde eine Frau wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung „geblitzt“, wobei auf der Aufnahme zu sehen war, dass sie während der Fahrt telefonierte. Vor Gericht räumte die Betroffene dann zwar ein, telefoniert zu haben, jedoch betonte sie dabei das Telefon nicht gehalten, sondern zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt zu haben.
Das Urteil
Bei der Urteilsfindung kam das Gericht dann zum folgenden Ergebnis:
Gemäß §§ 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Ziff. 22 StVO bußgeldbewehrt ist die Benutzung eines dort genannten elektronischen Geräts, wenn dieses für die Benutzung aufgenommen oder gehalten wird und kein Ausnahmetatbestand der Ziff. 2 vorliegt.
Ein „Halten“ von Gegenständen ist dem Wortsinn nach ohne Weiteres auch ohne Benutzung der Hände möglich, so das Oberlandesgericht Köln. So wird man etwa auch von „Halten“ sprechen, wenn ein Gegenstand zwischen Oberarm und Torso oder aber zwischen den Oberschenkeln fixiert wird.
Auch der Zweck der Vorschrift steht einer entsprechenden Annahme jedenfalls nicht entgegen. Mag sie auch in erster Linie der Verhinderung solcher Verhaltensweisen dienen, die dazu führen, dass der Fahrzeugführer nicht mehr beide Hände zum Lenken des Fahrzeugs zur Verfügung hat und/oder seinen Blick vom Verkehrsgeschehen abwenden muss, besteht dieser doch allgemeiner darin, solche nicht mit dem Führen des Fahrzeugs in Zusammenhang stehende Tätigkeiten zu verhindern, die sich abträglich auf die Notwendigkeit der Konzentration auf das Verkehrsgeschehen auswirken.
Der Verordnungsgeber hat zwar der Benutzung von elektronischen Geräten mit den Händen eine erhöhte Ablenkungswirkung beigemessen; er hat aber ersichtlich auch in den Blick genommen, dass fahrfremde Tätigkeiten unabhängig hiervon eine die Verkehrssicherheit gefährdende Ablenkungswirkung entfalten (BR-Drs. 556/17 S. 12).
(Lediglich) aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und wegen der damit einhergehenden Nachweisschwierigkeiten hat er davon abgesehen, die Benutzung elektronischer Geräte insgesamt zu verbieten (a.a.O. S. 17), diese Alternative allerdings durchaus erwogen. Dieser Gesichtspunkt spricht dafür, fahrfremde Tätigkeiten als verboten anzusehen, soweit der Wortlaut der Vorschrift als äußerste Auslegungsgrenze dies – wie hier – erlaubt. Dass es sich bei der Benutzung eines Mobiltelefons auch in der hier geschehenen Weise um eine fahrfremde Tätigkeit handelt, kann dabei keinem Zweifel unterliegen.
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