Arbeitsgericht erklärt Kündigung für unwirksam
Bei der Zustellung von Post- sowie Paketsendungen kommt es zuweilen dazu, dass diese entweder gar nicht erst oder viel zu spät den Bestimmungsort erreichen. Ähnlichen Schwierigkeiten musste sich auch ein Logistikmitarbeiter aus Herne stellen, denn die Rückkehr aus dem Urlaub verlief für ihn anders als geplant – mit weitreichenden arbeitsrechtlichen Folgen. Nachdem er wegen eines gestohlenen Aufenthaltstitels über drei Monate in Afrika festsitzen musste, kündigte ihm sein Arbeitgeber. Doch das Arbeitsgericht Herne stoppte die Kündigung mit Ihrem Urteil vom 08.05.2025 zu dem Aktenzeichen 4 Ca 208/25 und gab dem Kläger schlussendlich recht. Was war also geschehen?
Kommunikationsversuche trotz schwieriger Umstände
Der Kläger, seit August 2019 in Teilzeit bei einem international tätigen Paketdienstleister beschäftigt, hatte vom 16. September bis zum 25. Oktober 2024 genehmigten Urlaub erhalten. Er reiste in seine Heimat Somalia, über Äthiopien. Der Rückflug war gebucht – doch am Flughafen Addis Abeba ereignete sich ein Vorfall, der den gesamten Reiseplan auf den Kopf stellte: Nach eigenen Angaben wurde dem Mann kurz vor dem Rückflug sein deutscher Aufenthaltstitel gestohlen. Ohne dieses Dokument konnte er das Flugzeug nicht besteigen.
Er meldete den Diebstahl unmittelbar der örtlichen Polizei und kontaktierte die deutsche Botschaft. Einen Termin erhielt er jedoch erst für den 21. November 2024 – vermittelt über eine Agentur. Das benötigte Ersatzvisum wurde schließlich Ende Januar 2025 ausgestellt. Am 4. Februar 2025 kehrte er nach Deutschland zurück und erschien am Folgetag beim Arbeitgeber, um seine Tätigkeit wieder aufzunehmen.
In der Zwischenzeit hatte der Arbeitgeber gehandelt: Bereits im November und Dezember 2024 ergingen zwei Abmahnungen wegen unentschuldigten Fehlens. Am 8. Januar 2025 wurde der Betriebsrat zur geplanten ordentlichen Kündigung angehört, die schließlich mit Schreiben vom 20. Januar 2025 ausgesprochen und zum 31. März 2025 wirksam werden sollte. Der Mitarbeiter wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage – mit Erfolg. Denn das Arbeitsgericht konnte im Verhalten des Arbeitnehmers keine schwerwiegende Pflichtverletzung erkennen, die eine Kündigung ohne Weiteres rechtfertigen würde.
Gericht erkennt keine Pflichtverletzung mit Kündigungsrelevanz
Das Gericht räumte zwar ein, dass die Arbeitsverpflichtung ab dem 28. Oktober 2024 objektiv verletzt wurde, da der Kläger unentschuldigt fehlte. Doch im konkreten Fall bewertete das Gericht diese Pflichtverletzung als nicht vorwerfbar – und somit nicht als Grundlage für eine verhaltensbedingte Kündigung.
Zentraler Punkt der Urteilsbegründung war die Tatsache, dass der Arbeitgeber keine konkreten betrieblichen Nachteile infolge der Abwesenheit schildern konnte. Die bloße Ungewissheit über die Rückkehr des Mitarbeiters reiche nicht aus, um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen – jedenfalls dann nicht, wenn diese Ungewissheit „nur“ etwa drei Monate andauert und keine Störungen im Betriebsablauf nachgewiesen werden können.
Der gute Wille zählt – Bemühungen um Kontaktaufnahme entscheidend
Außerdem habe der Kläger sich um eine rechtzeitige Information des Arbeitgebers bemüht. Er habe noch am 28. Oktober 2024 – dem ersten Arbeitstag nach seinem Urlaub – durch einen Dritten mitteilen lassen, dass er sich noch in Afrika befinde. Später habe er zusätzlich E-Mails gesendet, um über seine Situation zu informieren.
Das Gericht sah darin den glaubwürdigen Versuch, den Arbeitgeber über die Verzögerung in Kenntnis zu setzen – auch wenn alternative Informationswege, wie eine direkte Kontaktaufnahme mit einem Standort des Unternehmens in Addis Abeba, möglicherweise zusätzlich genutzt werden könnten. Zuletzt betonte das Gericht, dass der Kläger über fünf Jahre beanstandungsfrei im Unternehmen tätig gewesen sei. Diese unauffällige Vorgeschichte sowie sein Bemühen um Kontaktaufnahme wirkten sich im Rahmen der Interessenabwägung deutlich zugunsten des Mitarbeiters aus.
Fazit: Pflichtverletzung muss erheblich und vorwerfbar sein
Eine verspätete Rückkehr aus dem Urlaub – selbst wenn sie sich über mehrere Wochen zieht – rechtfertigt nicht automatisch eine Kündigung. Voraussetzung dafür wäre eine erhebliche Pflichtverletzung, die dem Arbeitnehmer auch vorwerfbar ist. Fehlen konkrete betriebliche Nachteile und zeigt der Mitarbeiter erkennbare Bemühungen zur Kommunikation, stehen die Chancen gut, dass eine Kündigung vor Gericht keinen Bestand hat.
Der Fall zeigt, dass es im Arbeitsrecht – wie in anderen Rechtsgebieten – auf viele kleine Feinheiten ankommt. Jeder Fall ist individuell zu beurteilen. Nicht jedes Fernbleiben rechtfertigt eine Kündigung und nicht jede Erklärung der Umstände eines Fernbleibens entschuldigt diese. Entscheidend sind sowohl das Vorverhalten als auch das aktuelle Verhalten des Arbeitnehmers.
Für rechtliche Unterstützung in ähnlichen Fällen empfiehlt es sich, frühzeitig einen erfahrenen Anwalt für Arbeitsrecht in der Nähe zu kontaktieren.