Ein Pferd stehtbei sonnigem Wetter im Wald

Wer ist der rechtliche Züchter eines Fohlens? 

Die moderne Pferdezucht bringt zunehmend komplexe rechtliche Fragestellungen mit sich – insbesondere dann, wenn Embryotransfers und Nutzungsvereinbarungen zwischen Eigentümer und Züchter zum Einsatz kommen. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2020 zum Aktenzeichen III ZR 55/19 befasste sich genau mit einem solchen Fall: Wer ist Züchter eines Fohlens derjenige, dem die genetische Mutter einer Stute gehört oder demjenigen, dem die Aufzucht und Steuerung der Zucht übertragen wurde? Die Entscheidung beleuchtet die Grenzen des Züchterbegriffs, die Bedeutung von Besitz- und Eigentumsverhältnissen und die rechtliche Auslegung von Vereinbarungen in der Tierzucht.

Wenn Besitz und Steuerung auseinanderfallen

Im konkreten Fall war die Klägerin Eigentümerin der Stute Weihegold, einer international erfolgreichen Dressurstute. Sie brachte die Stute 2011 auf den Hof des Beklagten zu 3, mit dem Ziel, dass dieser das Tier ausbildet und betreut. Gleichzeitig vereinbarten die Parteien, dass der Beklagte zu 3 alle ein bis zwei Jahre Embryonen aus Weihegold entnehmen und auf seine eigene Austragungsstute übertragen darf.

Die zentrale Rechtsfrage war, wer als Züchter des daraus hervorgegangenen Fohlens zu gelten hat. Die Klägerin beanspruchte dies für sich, da sie Eigentümerin der genetischen Mutterstute war, während der Beklagte zu 3 als praktischer Züchter des Fohlens auftrat und die Unterlagen – Pferdepass und Eigentumsurkunde – in seinem Namen ausstellen ließ.

Der BGH bestätigte die Auffassung der Vorinstanzen. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Herausgabe der Dokumente. Entscheidend war die vertragliche Regelung zwischen den Parteien. Durch die Nutzungs- und Ausbildungsvereinbarung übertrug die Klägerin dem Beklagten zu 3 die Steuerung des gesamten Zuchtvorgangs. Dies umfasste die Auswahl des Deckhengstes, die Kostenübernahme, die Wahl der Austragungsstute und die Durchführung der Embryotransfers. Damit war konkludent vereinbart, dass der Beklagte zu 3 als Züchter des Fohlens eingetragen werden darf.

Züchterstellung durch Steuerung, nicht durch Eigentum

Rechtlich stützt sich die Entscheidung auf die Auslegung von Willenserklärungen nach §§ 133, 157 BGB. Die richterliche Würdigung erachtete die Eintragung des Beklagten zu 3 als Züchter als korrekt, da Besitz und Steuerung der Zucht zum Zeitpunkt der Embryoentnahme eindeutig bei ihm lagen. Eigentum der genetischen Mutterstute allein begründet keine Züchterstellung, insbesondere nicht, wenn eine abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Auch vereinsrechtliche Vorgaben der FN und des Zuchtverbandes wurden berücksichtigt: Abweichende Vereinbarungen über die Züchterstellung sind zulässig und stehen der Eintragung des Beklagten zu 3 nicht entgegen.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass die rechtliche Züchterstellung nicht identisch mit dem Eigentum der genetischen Mutterstute ist, sondern die tatsächliche Steuerung des Zuchtprozesses maßgeblich. Sie schützt Rechtssicherheit und Klarheit in einem Bereich, der wirtschaftlich hochrelevant ist, etwa durch Züchterprämien und registrierungsrechtliche Vorteile.

Vertragsklarheit schützt Züchterinteressen

Das BGH-Urteil III ZR 55/19 liefert einen klaren Leitfaden für die Praxis: Wer die Zucht steuert, trägt die Verantwortung und kann als Züchter eingetragen werden, selbst wenn das Eigentum an der Mutterstute bei jemand anderem liegt. Eigentümer müssen sich bewusst sein, dass die Übertragung von Nutzungsrechten weitreichende Folgen für die Züchterstellung hat. Die Entscheidung betont die Bedeutung eindeutiger Vereinbarungen und die sorgfältige Dokumentation des Zuchtvorgangs. Für Züchter, Eigentümer und Verbände stellt das Urteil einen präzisen Rahmen bereit, der wirtschaftliche und rechtliche Klarheit verbindet – ein Musterbeispiel dafür, wie Vertrag, Besitz und Zuchtpraxis miteinander verknüpft sind.

Gerade im sensiblen Bereich der Tierzucht bedarf es rechtssicherer Gestaltung und fundierter Beratung. Die Kanzlei BRAUN unterstützt Züchter, Eigentümer und Verbände bei der rechtlichen Ausgestaltung von Nutzungsvereinbarungen, Eigentumsfragen und Züchterrechten. Wenn Sie rechtlichen Beistand benötigen, steht Ihnen ein erfahrener Rechtsanwalt für Pferderecht der Kanzlei BRAUN zur Seite