Was das KG Berlin über Bad-Leaver-Klauseln lehrt
Die sogenannten Leaver-Klauseln gehören längst zum Grundwerkzeug in Start-ups, Scale-ups und wachstumsorientierten Unternehmen. Sie sollen verhindern, dass Unternehmensanteile unkontrolliert in den Markt geraten – etwa, wenn eine Schlüsselperson das Unternehmen verlässt. Besonders sensibel sind allerdings Bad-Leaver-Klauseln, die bei schuldhaftem Verhalten drastische Konsequenzen vorsehen können, bis hin zum Verlust der gesamten Beteiligung. Das Kammergericht Berlin hat am 19. Mai 2025 (Az. 2 U 15/25) ein deutliches Signal gesendet: Solche Klauseln müssen präzise, verhältnismäßig und nachvollziehbar sein. Sonst kippen sie – und zwar vollständig.
Das Urteil im Detail: Abberufung allein reicht nicht
Im Berliner Fall ging es um einen Gründer-Gesellschafter, der zugleich Geschäftsführer war. Der Gesellschaftsvertrag enthielt eine Bad-Leaver-Klausel, die kaum schärfer hätte formuliert sein können: Wenn der Gründer als Geschäftsführer abberufen wurde – egal aus welchem Grund –, verlor er automatisch alle seine Gesellschaftsanteile, und zwar zum bloßen Nennwert. Die Klausel sah keine Differenzierung nach Schwere oder Art des Pflichtverstoßes vor. Ob leicht fahrlässig, versehentlich oder schwerwiegend: Jeder Pflichtverstoß konnte sofort zum wirtschaftlichen Knock-out führen. Hinzu kam, dass die Regelung zeitlich unbegrenzt galt und keinerlei mildernde Mechanismen kannte.
Das Kammergericht hielt diese Konstruktion für unverhältnismäßig. Ein vollständiger Ausschluss aus der Gesellschafterstellung sei ein schwerer Eingriff in Eigentumsrechte und dürfe dementsprechend nur unter engen, klar definierten Voraussetzungen zulässig sein. Das Gericht erinnerte daran, dass der Ausschluss eines Gesellschafters stets die ultima ratio bleiben müsse. Es müsse zunächst geprüft werden, ob mildere Maßnahmen – wie der Entzug von Geschäftsführungsbefugnissen oder interne Compliance-Maßnahmen – zur Konfliktlösung ausreichen. Ein pauschaler Automatismus nach dem Motto „Abberufung = Anteilsverlust“ verstoße klar gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Verhältnismäßigkeit, Staffelung, Nachprüfbarkeit – das fordert das KG
Besonders kritisch sah das KG, dass die Klausel keinerlei Abstufungen vorsah. Sie behandelte jeden Pflichtverstoß gleich – vom geringfügigen Verfahrensfehler bis zur schweren Pflichtverletzung. Derartige „Alles-oder-nichts“-Klauseln seien unzulässig, weil sie die Geschäftsführungs- oder Gesellschafterebene mit einem permanenten Risiko überfrachten. Das Gericht sprach ausdrücklich vom „Schweben eines Damoklesschwerts“ über den Gesellschaftern, das zu internen Machtverschiebungen, Unsicherheiten und potenziell missbräuchlichen Abberufungen führen könne. Daneben spielte im konkreten Verfahren die Beweisfrage eine entscheidende Rolle. Im einstweiligen Rechtsschutz müssen behauptete Pflichtverletzungen plausibel und nachvollziehbar belegt werden. Doch die Vorwürfe gegen den Gründer – von angeblich unzutreffenden Abrechnungen über strittige Spesen bis hin zu internen Abstimmungsproblemen – konnten nicht ausreichend glaubhaft gemacht werden. Das KG erkannte keinen klar nachgewiesenen Bad-Leaver-Tatbestand und ordnete an, dass der Gründer vorerst als vollwertiger Gesellschafter zu behandeln ist.
Empfehlungen für die Praxis: So bleiben Klauseln wirksam
Für die Praxis ist das Urteil ein wichtiger Kompass. Bad-Leaver-Regelungen bleiben nötig, um Unternehmen vor schweren Pflichtverletzungen zu schützen. Doch sie müssen mit Augenmaß formuliert sein.
Empfehlenswert sind:
- präzise definierte Pflichtverstöße
- abgestufte Rechtsfolgen (z. B. Verwarnungen, Entzug operativer Befugnisse, erst dann anteilsbezogene Sanktionen)
- klare zeitliche Begrenzung der Anwendung
- nachvollziehbare, sachlich überprüfbare Kriterien
- vorgeschaltete neutrale Prüfung (z. B. durch Wirtschaftsprüfer oder Schiedsstellen)
- durchdachte Vesting-Mechanismen wie Time-Based Vesting mit Cliff, ohne Sanktionscharakter
Fazit: Stoppzeichen für überzogene Klauseln – ein Urteil mit Signalwirkung
Das Kammergericht Berlin setzt ein deutliches Stoppzeichen für überzogene Bad-Leaver-Klauseln. Es macht klar: Wer einem Gesellschafter seine Anteile entziehen will, braucht dafür einen klar abgegrenzten, schwerwiegenden und nachweisbaren Grund – und eine Klausel, die fair, abgestuft und zeitlich begrenzt ist. Das Urteil ist damit gleichzeitig Warnung und Wegweiser: Es schützt Gründer vor unfairen Enteignungsmechanismen und zeigt Unternehmen, wie Beteiligungsverträge rechtssicher, ausgewogen und zukunftsfähig gestaltet werden können. Mehr zur rechtssicheren Gestaltung von Beteiligungsverträgen finden Sie bei Ihrem Anwalt für Gesellschaftsrecht.

