Die Kündigung einer Redakteurin wegen des Vorwurfs antisemitischer Äußerung wurde vom Gericht als unwirksam befunden
Laut Wikipedia wird als Wellengang richtigerweise der Seegang beschrieben. Dabei werden Wasserwellen bezeichnet, die in den Meeren durch Wind entstehen. Den Wind des nachfolgenden Sachverhaltes säte eine Redakteurin, die bei dem Sender Deutsche Welle beschäftigt war und erntete dafür als Antwort den Sturm einer fristlosen Kündigung.
Was war passiert?
Als Grund für die Kündigung gab der Sender an, dass sich die Mitarbeiterin mehrfach in anderen Medien israelfeindlich und antisemitisch geäußert habe. Dieses Verhalten widerspreche den Grundsätzen der Deutschen Welle, wie sie ausdrücklich in Guidelines und Positionspapieren festgehalten seien. Die Redakteurin ging vor Gericht gegen die Kündigungen vor – und das mit Erfolg, wie dies aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 05.09.2022 zu dem Aktenzeichen 22 Ca 1647/22 hervorgeht.
Die Kündigungsschutzklage
Der Kündigungsschutzklage, mit der sich die Mitarbeiterin gegen ihre Entlassung wehrte, gab das Arbeitsgericht statt und verurteilte den Sender die Deutsche Welle zur Weiterbeschäftigung der Redakteurin.
In der Urteilsbegründung habe das Arbeitsgericht ausgeführt, dass antisemitische Äußerungen ein Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen könnten. Auch wenn es sich dabei nicht um Äußerungen im Rahmen der Arbeit für den Sender handeln würde, könnte darin eine Verletzung von Loyalitätspflichten bestehen.
Soweit es allerdings um Äußerungen gehe, die zu einer Zeit vor Bestehen eines Vertragsverhältnisses zum Sender erfolgt seien, fehle es mangels bestehenden Vertrages zu dieser Zeit an einer für eine verhaltensbedingten Kündigung erforderlichen Vertragspflichtverletzung. Eine personenbedingte Kündigung hatte die Beklagte nach Ansicht des Arbeitsgerichts nicht ausgesprochen und dazu auch nicht ihren Personalrat beteiligt.
Ebenfalls bei durch die Klägerin gemachten Äußerungen während einer vorherigen Beschäftigung auf Honorarbasis könne nicht ohne weiteres ein „Durchschlagen“ als Pflichtverletzung auf ein späteres Arbeitsverhältnis angenommen werden. Darüber hinaus müsse jeweils eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Zusammenhangs von Äußerungen erfolgen. So das Gericht im Rahmen seiner Urteilsfindung.
Des Weiteren führte das Gericht in seiner Urteilsbegründung aus, dass unter Berücksichtigung unter anderem der Tatsache, dass die Redakteurin sich in einer für die Öffentlichkeit bestimmten Erklärung von früheren Äußerungen distanziert habe und keine Abmahnung vorliege, sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der beiderseitigen Interessen zumutbar. Im Hinblick hierauf könne keine negative Prognose betreffend ein künftig zu erwartendes Fehlverhaltens gestellt werden. Unabhängig hiervon sei für die außerordentliche Kündigung die Frist von zwei Wochen ab Kenntnis der maßgeblichen Umstände durch den Arbeitgeber nicht eingehalten worden. Betreffend die gegenüber der klagenden Redakteurin erhobenen Vorwürfe erschließe sich die Erforderlichkeit der vorherigen zweimonatigen Untersuchung nicht.
Gegen das Urteil wurde Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.
„Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben“
– Boethius