Warum Unterschiede beim Gehalt erlaubt sein können
Wenn ein Unternehmen neue Fachkräfte einstellt, wird oft mit höheren Gehältern gelockt – gerade in Zeiten von Fachkräftemangel und intensiver Konkurrenz um qualifiziertes Personal. Doch was passiert, wenn langjährige Mitarbeiter dieselbe Arbeit leisten, dafür aber deutlich weniger verdienen? Dürfen sie automatisch Gleichstellung verlangen oder gar rückwirkend dieselben Konditionen einfordern? Mit dieser Frage musste sich das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern befassen. In seinem Urteil vom 28.01.2025 zu dem Aktenzeichen 5 SLa 159/24 stellten die Richter klar: Höhere Bezahlung für neue Beschäftigte ist zulässig, solange kein allgemeines Vergütungssystem besteht und objektive Gründe wie höhere Qualifikation oder größere Berufserfahrung den Unterschied rechtfertigen.
Mehr Verantwortung, kein höheres Gehalt – der Fall des Klägers
Der Kläger, ein gelernter Restaurant- und Hotelfachmann, begann im Oktober 2020 als Personalleiter in einem Unternehmen der Gastronomie- und Hotelleriebranche. Sein monatliches Gehalt betrug 4.200 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche. Zu Beginn betreute er rund 80 Mitarbeiter. Durch unternehmensinterne Umstrukturierungen wuchs sein Zuständigkeitsbereich innerhalb von zwei Jahren auf etwa 800 Beschäftigte an – eine enorme Ausweitung seines Aufgabenfeldes. Trotz dieser deutlich gestiegenen Verantwortung blieben seine wiederholten Versuche, eine Gehaltserhöhung zu erhalten, erfolglos.
Neueinstellungen mit Spitzengehalt
Im Dezember 2022 stellte die Arbeitgeberin einen zweiten Personalleiter ein. Dieser neue Kollege verfügte über einen Diplom-Abschluss in Ökonomie sowie langjährige Erfahrung in leitenden HR-Positionen bei großen Unternehmen. Sein Gehalt war mit 10.000 Euro brutto mehr als doppelt so hoch wie das des Klägers, hinzu kamen eine Provision und ein Dienstwagen. Nach knapp drei Monaten endete dieses Arbeitsverhältnis wieder. Im Juli 2023 folgte eine weitere Neueinstellung: eine Personalleiterin mit Bachelor-Abschluss in BWL und einem Master im HR-Management sowie einschlägiger Führungserfahrung. Auch sie erhielt die gleichen Konditionen wie ihr Vorgänger, ihr Arbeitsverhältnis endete jedoch bereits im September 2023.
Für den Kläger war die Sache klar. Er empfand die Gehaltsunterschiede als ungerecht und machte geltend, dass er bei gleicher Tätigkeit gleich viel verdienen müsse. Er stützte seine Forderung auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, auf das Entgelttransparenzgesetz (§§ 3, 7 EntgTranspG) sowie auf Art. 157 AEUV, der die gleiche Bezahlung für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit garantiert. Er forderte, rückwirkend ab Oktober 2020 eine monatliche Vergütung von 10.000 Euro brutto zu erhalten.
Warum das Gericht keinen Anspruch sah
Das Arbeitsgericht Rostock wies die Klage ab. Es liege weder eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung noch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vor. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein, doch auch das Landesarbeitsgericht gab ihm nicht recht. Die Richter stellten klar, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nur greife, wenn der Arbeitgeber nach einem erkennbaren, generalisierenden Prinzip Leistungen gewährt – etwa durch betriebsweite Gehaltstabellen oder standardisierte Zulagen. Eine solche Einheitsregelung habe es hier jedoch nicht gegeben. Die höheren Gehälter für die neuen Personalleiter seien individuelle Entscheidungen gewesen, die im Rahmen der Vertragsfreiheit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgehandelt wurden. Ein individuell ausgehandelter Vertrag mit besseren Konditionen stelle keine Ungleichbehandlung dar, die der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet.
Objektive Kriterien rechtfertigen höhere Gehälter
Darüber hinaus habe es sachliche Gründe für die Gehaltsdifferenzen gegeben. Der erste neue Personalleiter brachte einen Diplomabschluss und langjährige Erfahrung als HR-Leiter in großen Unternehmen mit. Die zweite Personalleiterin verfügte über einen Masterabschluss im HR-Management und ebenfalls über umfassende Führungserfahrung. Beides seien objektive Kriterien, die ein höheres Gehalt rechtfertigten. Der Kläger hingegen habe zwar Berufserfahrung in der Hotellerie und in der Zeitarbeit gesammelt, verfüge jedoch nicht über vergleichbare akademische Abschlüsse oder einschlägige HR-Führungserfahrung. Diese Unterschiede rechtfertigten nach Auffassung des Gerichts die unterschiedliche Bezahlung.
Auch einen Anspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz verneinte das Gericht. Dieses Gesetz schützt vor Benachteiligungen wegen des Geschlechts. Der Kläger konnte jedoch keine Anhaltspunkte vorlegen, dass sein geringeres Gehalt mit seinem Geschlecht zusammenhing. Denn sowohl ein Mann als auch eine Frau erhielten in diesem Fall identische, höhere Gehälter. Damit war klar, dass die unterschiedliche Bezahlung nicht auf dem Geschlecht beruhte, sondern auf Qualifikation und Erfahrung. Ohne entsprechende Indizien kommt es nach § 22 AGG gar nicht erst zu einer Beweislastumkehr, sodass der Kläger beweispflichtig blieb.
Fazit: Transparente Gehaltspolitik ist entscheidend
Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung vollständig ab. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu. Allerdings ist beim Bundesarbeitsgericht bereits ein Verfahren mit dem Aktenzeichen 5 AZN 209/25 anhängig, sodass möglicherweise noch eine höchstrichterliche Klärung folgt.
Das Urteil macht deutlich, dass Arbeitgeber neuen Mitarbeitenden durchaus deutlich höhere Gehälter anbieten dürfen – selbst, wenn dies intern zu erheblichen Unterschieden führt. Voraussetzung ist, dass keine allgemeine Vergütungsstruktur besteht, die höhere Bezahlung individuell ausgehandelt wird und sachliche Gründe wie höhere Qualifikationen oder mehr Berufserfahrung den Unterschied tragen. Für Beschäftigte bedeutet dies, dass sie nur dann erfolgreich Gleichstellung einfordern können, wenn sie nachweisen können, dass der Arbeitgeber Leistungen nach einem festen Schema gewährt oder eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegt. Für Unternehmen wiederum ist das Urteil ein wichtiger Hinweis: Wer im Wettbewerb um Fachkräfte mit höheren Gehältern lockt, sollte die Gründe dafür transparent dokumentieren – am besten in enger Abstimmung mit einem erfahrenen Anwalt für Arbeitsrecht, der bei der rechtssicheren Ausgestaltung von Vergütungsstrukturen unterstützen kann.