Eis und Magen-Darm-Erkrankung bei einer Krankschreibung

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gilt in deutschen Arbeitsverhältnissen als „gelbes Ticket“ und spielt eine zentrale Rolle beim Nachweis krankheitsbedingter Fehlzeiten. Doch wie belastbar ist ihr Beweiswert wirklich? Das Landesarbeitsgericht Köln zeigt in einer aktuellen Urteilsentscheidung vom 03.06.2025 zu dem Aktenzeichen 7 SLa 54/25, dass selbst der eigene Vortrag eines Arbeitnehmers die Glaubwürdigkeit ärztlicher Atteste erschüttern kann – mit gravierenden Folgen für die Entgeltfortzahlung.

Wenn Zweifel an der Krankheit aufkommen

Ein Busfahrer war befristet bis August 2024 beschäftigt, so begann der nachfolgende Fall. Schon zuvor hatte er mehrfach krankheitsbedingt gefehlt. Im Herbst 2023 sollte er zusammen mit Kollegen auf neue Liniendienste eingewiesen werden – ein Vorhaben, dem er skeptisch gegenüberstand und das er nach außen hin wenig begeistert kommentierte. Kurz darauf meldete er sich mit der Diagnose Kolitis / Durchfallerkrankung für zwölf Tage arbeitsunfähig. Pikant bei der Sache war, dass bereits einen Tag nach Ausstellung der AU der Geschäftsführer des Unternehmens den Arbeitnehmer zusammen mit seiner Familie in einer Eisdiele traf. Ob der Arbeitnehmer dort tatsächlich einen Milchshake trank, blieb zwar streitig. Doch allein diese Szene genügte, um Zweifel an der behaupteten Erkrankung zu nähren.

Verdächtige Koinzidenzen im Fokus

Nach einer kurzen Phase der Arbeitsfähigkeit und Teilnahme an einer Einweisung folgte die nächste Krankschreibung – diesmal ab dem 16. Oktober 2023. An genau diesem Tag hatte der Arbeitnehmer nach eigenen Angaben seine Ausrüstung zurückgegeben, weil er am Vortag vom Geschäftsführer auf eine bevorstehende Kündigung hingewiesen worden war. Damit fiel der Beginn der Arbeitsunfähigkeit exakt mit seiner subjektiven Erwartung der Kündigung zusammen.

Richterliche Klarstellung zur Beweislast

Die Arbeitgeberin verweigerte die Lohnfortzahlung für Oktober und November. Der Arbeitnehmer klagte – jedoch mit nur teilweisem Erfolg. Während das Arbeitsgericht ihm für wenige Tage Entgelt zusprach, blieb seine Berufung vor dem LAG ohne Erfolg. Eine AU-Bescheinigung entfaltet keine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung einer tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit, stellte das Landesarbeitsgericht dar. Vielmehr handelt es sich um ein starkes Indiz, dessen Beweiswert aber erschüttert werden kann.

Dabei müssen Arbeitgeber nicht zwingend konkrete medizinische Gegenbeweise erbringen. Es genügt, wenn Umstände dargelegt werden, die geeignet sind, erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der AU zu begründen. Solche Zweifel können sich auch aus dem Verhalten des Arbeitnehmers oder – wie hier – sogar aus dessen eigenem Vortrag ergeben. Wird der Beweiswert erschüttert, tritt die Rechtslage wieder in den „Urzustand“ zurück: Der Arbeitnehmer trägt dann die volle Darlegungs- und Beweislast. Er muss substantiiert schildern, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestanden, wie diese seine Arbeitsfähigkeit einschränken und welche ärztlichen Maßnahmen oder Anweisungen er erhielt. Bloße Hinweise auf eine Krankschreibung genügen nicht.

Indizien, die das Gericht überzeugten

Im vorliegenden Fall sah das Gericht gleich mehrere Indizien:

  • Zeitliche Auffälligkeiten: Die Krankschreibung fiel exakt mit der Rückgabe der Arbeitsausrüstung und der Erwartung einer Kündigung zusammen.
  • Konflikt mit neuen Aufgaben: Der Beginn der Erkrankung fiel genau in die Phase der geplanten Einweisungen, die der Kläger ablehnte.
  • Verhalten im Alltag: Der Aufenthalt in einer Eisdiele und der (streitige) Verzehr eines Milchprodukts passten nicht zu der behaupteten Magen-Darm-Erkrankung.

Warnung vor falscher Sicherheit

Diese Umstände reichten dem LAG, um den Beweiswert der AU als erschüttert anzusehen. Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitnehmer sich nicht allein auf das „gelbe Attest“ verlassen dürfen, andernfalls droht unter Umständen nämlich auch die „rote Karte“. Zwar bleibt die AU ein starkes Indiz für eine tatsächliche Erkrankung, doch schon widersprüchliche Angaben oder auffällige zeitliche Zusammenhänge können ihre Beweiskraft erheblich schwächen. Arbeitgeber müssen keine medizinischen Gegengutachten vorlegen – es reicht, Indizien zu präsentieren, die Zweifel nähren. Bei Fragen rund um Arbeitsunfähigkeit und Entgeltfortzahlung hilft Ihnen ein Anwalt für Arbeitsrecht in der Nähe kompetent weiter.