Ein Pferd liegt bei sonnigem Wetter auf der Wiese

Haftungsfragen beim Deckakt von Pferden

Die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB ist ein bewährtes Instrument, um Schäden durch Tiere zivilrechtlich auszugleichen. Doch was passiert, wenn Tiere im Rahmen von Paarungsakten miteinander interagieren und dabei schwere Schäden entstehen? Das OLG Saarbrücken in seinem Urteil vom 18. Dezember 1996, zum Aktenzeichen 5 U 568/96 musste genau diese Frage klären, nachdem ein Hengst, während eines von seinem Halter organisierten Deckakts, tödlich verletzt wurde. Die Entscheidung zeigt, dass die Gefährdungshaftung dort endet, wo der Geschädigte selbst die Kontrolle über die Gefahrenquelle übernimmt – und das aus eigenem wirtschaftlichem Interesse.

Kontrolle statt Haftung – wer entscheidet, trägt das Risiko

Im konkreten Fall war der Hengst des Klägers auf einem Gestüt dem Deckakt mit einer Stute des Beklagten ausgesetzt. Der Beklagte zahlte einen Pensionspreis von damals 16 DM pro Tag sowie eine Decktaxe von damals 3.500 DM und stellte seine Stute für die Begattung zur Verfügung. Die Organisation und Durchführung des Deckakts oblag jedoch allein dem Kläger, der als Gestütsinhaber die Aufsicht, die Fesselung der Stute und den gesamten Ablauf überwachte.

Um das Verletzungsrisiko zu reduzieren, wurde die Stute mittels einer Spannvorrichtung fixiert – ein in den USA gebräuchliches System mit Panikhaken, das sich im Notfall schnell lösen lässt. Trotz dieser Sicherung trat die Stute den Hengst während des Deckakts mindestens zweimal heftig, was zu Magen- und Milzrupturen und letztlich zur Euthanasie des Tieres führte. Der Kläger machte geltend, der Beklagte sei als Tierhalter nach § 833 S. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Zusätzlich berief er sich auf die „Allgemeinen Deutschen Gestütsbedingungen“ (AGB), nach denen der Einsteller für alle Schäden seines Tieres haftet und eine Haftpflichtversicherung abzuschließen hat.

OLG: Wer die Gefahr führt, kann sich nicht auf § 833 BGB berufen

Das Gericht wies diese Ansprüche ab. Entscheidend war die rechtliche Würdigung des § 833 BGB in Verbindung mit der tatsächlichen Kontrolle über die Gefahrenquelle. Zwar erfüllt die Vorschrift grundsätzlich die Voraussetzungen: Das Tier war schuldlos für die Schädigung verantwortlich und der Beklagte war Halter der Stute. Allerdings hatte der Kläger die unmittelbare Herrschaft über die Stute während des Deckakts übernommen. Er bestimmte Ablauf, Sicherungssystem und Aufsicht – alles Maßnahmen, die ausschließlich seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse dienten, nämlich dem Schutz seines Hengstes und der erfolgreichen Durchführung des Deckakts.

Das Gericht stellte klar, dass die Gefährdungshaftung gerade diejenigen schützt, die sich nicht selbst in die Lage versetzen können, Gefahren abzuwehren. Wer hingegen eigenverantwortlich handelt, trägt das Risiko eigener Entscheidungen. Der Deckakt ist dabei keine gewöhnliche Tierhandlung: Jede Stute kann während der Paarung unvorhersehbar reagieren, selbst bei optimaler Vorbereitung. Dies ist eine typische Tiergefahr, die im Bereich des Halters liegt, der das Tier betreut. Hätte der Kläger andere Maßnahmen ergriffen oder eine alternative Sicherung gewählt, hätte er das Restrisiko möglicherweise reduzieren können.

AGB-Klauseln und deren Grenzen im Haftungsrecht

Auch die vertraglichen Regelungen der Gestütsbedingungen halfen nicht weiter. Eine Klausel, die eine verschuldensunabhängige Haftung des Einstellers vorsieht, verstößt gegen § 9 AGBG, da sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligt. Eine Beschränkung der Haftung auf den Halter nach § 833 BGB wäre zulässig gewesen, hätte aber den Kläger nicht geschützt, weil er die Kontrolle über die Stute eigenverantwortlich innehatte.

Das OLG Saarbrücken griff dabei auch frühere Entscheidungen auf (vgl. BGH NJW 1974, 234; NJW 1975, 234), wonach die Gefährdungshaftung dort endet, wo der Verletzte die unmittelbare Herrschaft über die Gefahrenquelle aus eigenem Interesse übernommen hat. Der Kläger hatte die Stute überwacht, die Fesselung selbst veranlasst und konnte das Geschehen direkt steuern. Das Restrisiko, dass eine Stute trotz Sicherung ausschlägt, fällt in seinen Verantwortungsbereich.

Leitlinien für die Praxis der professionellen Pferdezucht

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken verdeutlicht die engen Grenzen der Tierhalterhaftung im Kontext professioneller Tierhaltung. § 833 BGB schützt nicht, denjenigen, der bewusst und eigenverantwortlich eine Gefahrenquelle kontrolliert. Der Deckakt von Pferden ist ein Bereich, in dem die wirtschaftlichen Interessen des Überwachenden und die typische Tiergefahr zusammentreffen. Wer hier die Verantwortung für Sicherungsmaßnahmen trägt, muss das Risiko eigener Entscheidungen tragen. Für Gestütsinhaber bedeutet dies: Eigenverantwortliche Organisation und Schutzmaßnahmen liegen in der Haftungshoheit desjenigen, der den Ablauf steuert, selbst wenn Tiere unvorhersehbar reagieren. Das Urteil schafft damit Klarheit über die Abgrenzung zwischen klassischer Gefährdungshaftung und eigenverantwortlicher Risikobereitschaft – ein Leitbild für die Praxis der professionellen Pferdezucht.

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