Im Märchen Aschenputtel muss ein Mädchen, das von seiner Stiefmutter und seinen beiden Stiefschwestern gegängelt wird, Erbsen sortieren. In ihrer Not bekommt sie Hilfe von Tauben. Diese trennen die guten Erbsen von den schlechten – die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Durch die Hilfe schafft es Aschenputtel, ihre Aufgabe zu erfüllen.
Im Insolvenzverfahren übernimmt der Insolvenzverwalter die Aufgabe der Tauben. Er sortiert die guten Betriebsteile von den schlechten. Während im besagten Märchen der Prinz nicht weiß, wer die schöne Balldame ist, ist es im Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter, der zunächst nicht weiß, wer den Betrieb aus der Insolvenz heraus übernimmt und damit der Erwerber ist. Im Märchen versuchte jede Frau im Königreich den Prinzen davon zu überzeugen, dass sie die richtige ist. Die Chance, Königin zu werden, ist einfach zu verlockend. In der Insolvenz kann der Erwerb eines Unternehmens ebenfalls eine sehr große Chance für den Erwerber darstellen. Daher kann es sein, dass auch in einem Insolvenzverfahren viele versuchen, den Betrieb zu bekommen – und zwar meistens in Form eines Asset-Deals.
Wer am Ende Aschenputtel ist, zeigt die Unterschrift des Insolvenzverwalters unter dem Kaufvertrag des Asset-Deals. Der Asset-Deal ist dabei wegen seiner Einfachheit und Schnelligkeit das beliebteste Sanierungsinstrument in der Insolvenz. Für den Unternehmer selbst – das wahre Aschenputtel – bietet der Asset-Deal eine effiziente und effektive Möglichkeit, seinen eigenen Betrieb zu sanieren.
Der Asset-Deal vor der Insolvenz
Für Personen ohne vertiefte Kenntnisse im Insolvenz- und Handelsrecht besteht die Gefahr, auf irreführende Informationen reinzufallen. Ein immer noch verbreiteter Irrglaube besagt, dass Käufer außerhalb eines Insolvenzverfahrens mittels eines Asset-Deals lediglich die wertvollen Vermögenswerte, nicht jedoch die Verbindlichkeiten eines in der Krise befindlichen Unternehmens erwerben können. Auf diese Weise könnten sie das Unternehmen anschließend scheinbar schuldenfrei weiterführen, als wäre nichts geschehen. Dieser weitverbreitete Trugschluss erfordert jedoch dringend Aufklärung!
Was stimmt denn nun?
Bei der Übernahme von Unternehmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, sind diverse Stolpersteine zu beachten. Selbst beim Erwerb durch einen Asset-Deal lassen sich Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern und dem Finanzamt nicht einfach abschütteln. Gemäß § 25 HGB haftet der Käufer eines Handelsgeschäfts für die Schulden des vorherigen Inhabers, sofern er das Unternehmen unter der bisherigen Firma weiterführt.
Entsprechend sieht die Abgabenordnung in § 75 Absatz 2 eine ähnliche Übertragung der Haftung auf den Übernehmenden für Betriebssteuern wie Gewerbe- und Umsatzsteuer vor, die dem Finanzamt geschuldet werden. Es ist essenziell, sich dieser rechtlichen Aspekte bewusst zu sein, um mögliche Risiken effektiv zu managen. Wenn ein Unternehmen rückforderungspflichtigen Beihilfen ausgesetzt war oder etwaige Haftungen für Umweltaltlasten auf dem Betriebsgrundstück bestehen, haften diese Verbindlichkeiten am Unternehmen und gehen daher bei einer Übernahme auf den neuen Firmeninhaber über.
Dies gilt gleichermaßen für die Mitarbeiter. Gemäß § 613a BGB bleibt einem Erwerber keine Wahl; er übernimmt automatisch sämtliche Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern. In diesem Prozess kann der Käufer also nicht selektiv bestimmte Mitarbeiter auswählen und den Rest zurücklassen – alle Arbeitnehmer, die zum Betrieb gehören, gehen beim Betriebsübergang zwangsläufig auf den Erwerber über.
Ein Fachanwalt unterstützt Käufer
Auch wenn der Käufer ein Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verkäufers im Rahmen eines Asset-Deals erwirbt, können die Schulden beim Verkäufer unter bestimmten Einschränkungen zurückgelassen werden (§ 25 Absatz 2 HGB). Hier sollte aber unbedingt ein Spezialist – am besten ein Fachanwalt für Insolvenzrecht und Sanierungsrecht – hinzugezogen werden, damit der Insolvenzverwalter nicht später doch Forderungen aus oder wegen diesem Asset-Deal geltend macht.
So könnte der Käufer beispielsweise die Gefahr laufen, dass der Insolvenzverwalter die Transaktion des Unternehmens wegen einer möglichen Gläubigerbenachteiligung gemäß §§ 129 ff InsO anficht. Der Insolvenzverwalter kann durch die Anfechtung die veräußerten Vermögenswerte vom Käufer zurückfordern und verwerten, wobei der erzielte Erlös unter den Gläubigern des Verkäufers aufgeteilt wird.
Im Gegenzug hat der Käufer einen Anspruch gegen die Insolvenzmasse auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises. Dieser Anspruch ist jedoch in der Regel wertlos, da der Käufer lediglich die Insolvenzquote erhält. Wirtschaftlich bedeutet dies, dass der Käufer im Rahmen eines sogenannten vorinsolvenzlichen Asset-Deals die Verbindlichkeiten des Verkäufers tragen muss. Man sollte hier demnach insgesamt sehr zurückhaltend mit einem Erwerb des insolventen Betriebs sein. Wenn es sich vermeiden lässt und nicht strategische Überlegungen für einen Kauf vor der Insolvenz sprechen sollten, sollte immer ein Erwerb nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Betracht gezogen werden.
Der Asset-Deal in der Insolvenz
Die Haftungsrisiken aus § 25 HGB und 75 AO bestehen nicht, wenn der Erwerber das insolvente Unternehmen direkt vom Insolvenzverwalter im Rahmen eines Asset-Deals übernimmt. Die Risiken von Anfechtungen entfallen ebenfalls. Hinsichtlich der Arbeitnehmer erweist sich der Erwerb vom Insolvenzverwalter kaum vorteilhafter. Bei einem Erwerb aus der Insolvenz liegt ebenfalls ein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB vor, bei dem der Käufer in sämtlichen noch bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt, einschließlich solcher, die bereits zuvor gekündigt wurden, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.
Wie steht es mit Verbindlichkeiten gegenüber Arbeitnehmern?
Es ist jedoch zu beachten, dass der Erwerber keine Verbindlichkeiten der Arbeitnehmer aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens übernimmt; diese Verantwortung obliegt dem Insolvenzverwalter. Insbesondere Pensionszusagen werden dabei zu Insolvenzforderungen oder gehen auf den Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) über. Nur vorinsolvenzliche Urlaubsansprüche müssen übernommen werden (mehr erfahren).
Da bei einem vollständigen Betriebsübergang keine Mitarbeiter beim Insolvenzverwalter oder dem insolventen Unternehmen verbleiben, sondern auf den Erwerber übergehen, führt der Insolvenzverwalter etwaige Abwicklungsarbeiten (nur bei Teilbetriebskauf) in der Regel mit den ehemaligen Mitarbeitern des Unternehmens und dem Käufer durch.
Was bedeutet das für die Abwicklung der Insolvenz?
Infolgedessen enthalten Verträge beim Kauf aus der Insolvenz häufig Regelungen, die den Insolvenzverwalter bei Abwicklungstätigkeiten unterstützen. Diese Tätigkeiten umfassen insbesondere das Debitorenmanagement sowie die Unterstützung oder Leitung der Buchhaltung für die Insolvenzmasse. Ein Erwerb aus der Insolvenz erfolgt in der Regel ohne Garantien seitens des Insolvenzverwalters und unter Ausschluss sämtlicher Gewährleistungsrechte. Dieser Haftungsausschluss erstreckt sich sowohl auf immaterielle Werte und Gewinnaussichten als auch auf das veräußerte Anlage- und Umlaufvermögen.
Beim Erwerb vom Insolvenzverwalter kann der Käufer daher nicht uneingeschränkt sicher sein, welche Werte er tatsächlich für seinen Kaufpreis erhält und welche Risiken damit für die Fortführung des Unternehmens verbunden sind. Die Risiken sind aber sehr viel geringer als bei einem Asset-Deal, der vor der Insolvenz geschlossen wird.
Die Zeit – Freund oder Feind?
Das Risikoprofil für den Käufer erhöht sich in der Praxis zusätzlich, da nur eine sehr eingeschränkte Due Diligence-Prüfung durchgeführt werden kann. Oft fehlt dafür schlicht die Zeit. Der Insolvenzverwalter, der das Unternehmen erst seit kurzer Zeit kennt und selbst auf Informationen des Schuldners angewiesen ist, wird als Verkäufer das Risiko von Gewährleistungsansprüchen nicht zugunsten der Masse übernehmen. Zudem stellt die Insolvenzmasse eine begrenzte Vermögensmasse dar, die schnell unter den Gläubigern aufgeteilt werden soll.
Langfristige Rückstellungen für Gewährleistungsansprüche würden dem Ziel der raschen Verteilung entgegenstehen. Für den Käufer wäre eine Gewährleistung daher mit begrenzter Perspektive verbunden. Dennoch bleibt dem Käufer die Möglichkeit, diese Risiken beim Kaufpreis aus der Insolvenz angemessen zu berücksichtigen.
Es ist daher anzuraten, bei einem Asset-Deal aus der Insolvenz einen Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht zu beauftragen, der für einen die typischen insolvenzrechtlichen Haftungsrisiken prüft.
Im Unterschied zum häufigen zeit- und kapitalintensiven Erwerb eines Wettbewerbers oder eines benachbarten Unternehmens stellt der Kauf aus der Insolvenz eine rasche und kosteneffiziente Alternative dar. Die gesteigerte Anziehungskraft von Übernahmen insolventer deutscher Unternehmen wird durch das verstärkte Interesse europäischer und amerikanischer Investoren in den letzten Jahren unterstrichen. Hervorstechende Beweggründe dabei waren der Zugang zu europäischen Märkten sowie zu Technologien und Know-how.
Der Asset-Deal als effizientes und effektives Sanierungsinstrument
Für den bisherigen Unternehmer stellt der Asset-Deal in der Insolvenz ein sehr effizientes Mittel zur Sanierung des eigenen Betriebs dar. In einem solchen Fall kauft er selbst seinen eigenen Betrieb aus der Insolvenz heraus. Er kann alle guten Teile des Unternehmens erwerben (die guten ins Töpfchen) und die schlechten Teile sowie die Schulden beim Insolvenzverwalter belassen (die schlechten ins Kröpfchen).
Der Asset-Deal kann noch vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ausgehandelt und zum Stichtag der Eröffnung abgeschlossen werden, sodass sich der Betrieb zu keinem Zeitpunkt im Insolvenzverfahren befindet.
Da – wie oben beschrieben – auch Risiken bei einem Asset-Deal bestehen und auch etwaige Wettbewerber ihren Hut in den Ring werfen könnten, sollten Sie im Falle der Sanierung mittels eines Asset-Deals immer einen Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht konsultieren und mit diesem vor einem Insolvenzantrag die Strategie abstimmen.
Mit einem erfahrenen Spezialisten an Ihrer Seite erhöhen Sie die Chancen der Sanierung und des Erwerbs des sanierten Betriebs.
Die Kanzlei BRAUN ist seit fast 20 Jahren im Insolvenzrecht tätig und hat bereits sehr viele Unternehmen mittels eines Asset-Deals saniert und damit bereits sehr vielen Unternehmen in ihrer Not geholfen.