Starke Preisschwankungen bei landwirtschaftlichen Produkten, begleitet von deutlichen Phasen niedriger Preise sowie Kostensteigerungen aufgrund staatlicher Regulierungen und betriebsindividueller Herausforderungen, können dazu führen, dass landwirtschaftliche Betriebe rasch in eine kritische wirtschaftliche Lage geraten. Ohne eine konsequente Sanierung besteht dabei die Gefahr, dass das Unternehmen seine Existenz verliert. In diesen wie auch in den letzten Tagen protestieren die Landwirte in ganz Deutschland gegen die Ampel-Politik und blockieren vielerorts Straßen, um auf die Bedrohung ihrer Existenz durch politische Entscheidungen aufmerksam zu machen.
Die Polizei rechnet erneut am Montag, dem 15.01.2024, in Berlin mit etwa 10.000 Teilnehmern und etwa 3.000 Traktoren, so eine Sprecherin der Polizei am Sonntagnachmittag. Insgesamt werden etwa 5.000 Fahrzeuge erwartet, darunter auch 2.000 Lastwagen. Bereits am Wochenende hatten sich einige Landwirte mit ihren Traktoren auf der Straße des 17. Juni in Berlin-Mitte positioniert. Der Bauernverband und seine Landesorganisationen rufen zur Kundgebung am Brandenburger Tor auf, die als Höhepunkt der Protestwelle gegen die Streichung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel gilt.
Firmenpleiten in der Landwirtschaft
Zwar sind im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen, Firmenpleiten in der Landwirtschaft und im Agrarbereich eher selten, aber dennoch ist das Risko gegeben. Wir nehmen daher die aktuellen Entwicklungen als Gelegenheit, um über einige spektakuläre Fälle zu berichten, die Wellen in der gesamten Bundesrepublik geschlagen haben. Beispielsweise zu nennen wären hier die Pleiten der KTG-Agrar oder des Milchhändlers B.M.G., sowie einige große Insolvenzen im „landwirtschaftsnahen Bereich“ wie bei der Windparkfirma Prokon, den Biogasfirmen AC Biogas und Schmack Biogas AG oder dem Pellets-Hersteller German Pellets.
Das Scheitern der KTG-Agrar
Die markanteste Insolvenz in der Agrarbranche war das Scheitern der KTG-Agrar. Diese Agrarholding, von dem bayerischen „Landwirt“ Siegfried Hofreiter ins Leben gerufen, bewirtschaftete zeitweise bis zu 45.000 Hektar Land, hauptsächlich in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Etwa 20.000 Hektar befanden sich im Besitz des Unternehmens, und seit 2005 gehörten der KTG auch etwa 7.200 Hektar in Litauen sowie weitere Flächen in Rumänien. Die KTG-Gruppe umfasste am Ende mehr als dreißig landwirtschaftliche Unternehmen und Betriebsgesellschaften, wobei auf etwas mehr als 50 Prozent der Flächen Ökolandbau betrieben wurde, was die KTG-Agrar nach eigenen Angaben zum Marktführer in Deutschland in diesem Bereich machte.
Ein zentrales Geschäftsfeld war die Produktion von Bioenergie (Biogas). Zu diesem Zweck wurde die börsennotierte Tochter KTG Energie AG gegründet, die an neun Standorten Biogasanlagen mit einer Anschlussleistung von etwa 30 Megawatt betrieb. Doch das war noch nicht alles: Die KTG-Agrar besaß auch Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Lebensmitteln beschäftigten, darunter Tiefkühlwaren, Kartoffelspezialitäten, Convenience Food und Pflanzenölen. Zudem gab es zahlreiche weitere Aktivitäten.
Übernahme durch Deutsche Agrar Holding
Nach der Insolvenz im Jahr 2016 übernahm die neu gegründete Deutsche Agrar Holding (DAH) einen erheblichen Teil der Flächen und setzte deren Bewirtschaftung fort. Die DAH wurde im September 2016 gegründet und übernahm rund 90 Prozent der Agrarflächen der insolventen KTG Agrar SE sowie 23 Biogasanlagen der ebenfalls insolventen KTG Energie AG. Der Schuldenberg der Holding wurde auf etwa 400 Millionen Euro geschätzt, und Berichte sprachen von etwa 12.000 Anlegern, die etwa 340 Millionen Euro investiert hatten und den Großteil ihres Geldes verloren.
Das Scheitern der Berliner Milcheinfuhrgesellschaft
Ein anderes wirtschaftliches Erdbeben einer landwirtschaftlichen Produktion, welches noch verhältnismäßig frisch im Gedächtnis liegt und viele Landwirte direkt betroffen hat, war das finanzielle Scheitern der Berliner Milcheinfuhrgesellschaft (B.M.G.) im März 2018. Zu diesem Zeitpunkt galt die B.M.G. als der führende Milchhändler Deutschlands, der Verträge für etwa 950 Millionen Liter Milch abschloss – eine Menge, die immerhin etwa 3 Prozent der Gesamtmilchanlieferung in Deutschland ausmachte.
Etwa ein Drittel der Milch wurde zuletzt über den äußerst volatilen Spotmarkt gehandelt. Zum Zeitpunkt der Insolvenz erzielte die gehandelte Rohmilch lediglich 20 bis 23 Cent am Spotmarkt, was zu erheblichen Verlusten für die B.M.G. führte. Im November 2023 lag der Spotpreis für Milch beispielsweise bei 50 Cent. Im boomenden Jahr 2022 wurde Rohmilch zeitweise sogar zu 60 Cent gehandelt. Es schien, als könne die B.M.G. erhebliche Gewinne erzielen, doch die Realität sah anders aus.
Der Großteil der Milchbauern, die damals die B.M.G. belieferten, hatte ihre Höfe in Ost- und Norddeutschland. Ohne den engagierten Milchhändler wären diese Bauern gezwungen gewesen, ihre Milch wie üblich an die regionalen Molkereien zu verkaufen und deren Preise zu akzeptieren. Nach Ansicht vieler Beobachter brachte der Milchhändler mehr Wettbewerb in den Milchmarkt.
Nach der Insolvenz mussten über 1.000 Bauern über Nacht nach neuen Abnehmern für ihre Milch suchen. Selbst Agrarministerin Julia Klöckner schaltete sich damals öffentlichkeitswirksam ein, aber ihre Bemühungen blieben erfolglos. Der Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Karsten Schmal, sah die Ursachen für die Pleite in einem „gewagten Geschäftsmodell gepaart mit unternehmerischen Fehlentscheidungen“.
Als Fachanwalt für Insolvenzrecht und Sanierungsrecht interessiert sich die Kanzlei BRAUN seit jeher für spannende Fälle aus dem Insolvenzrecht. Wir blicken gespannt auf die Zukunft der Agrarwirtschaft und beraten gerne auch Sie, wenn Sie Unterstützung benötigen.