wütender Geschäftführer - Konflikte zwischen Geschäftsführern

Notgeschäftsführer bleibt Ultima Ratio

Wenn in einer GmbH dicke Luft herrscht und die Gesellschafter nur noch streiten, kann das Unternehmen schnell handlungsunfähig werden. Der Ruf nach einem Notgeschäftsführer ertönt dann oft laut – schließlich soll jemand das Ruder übernehmen, bis die Wogen geglättet sind. Doch so einfach ist das nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hat in einem aktuellen Beschluss zum Aktenzeichen 3 W 6/24 vom 7. August 2025 klar gemacht, dass die Bestellung eines Notgeschäftsführers die absolute Ausnahme bleibt. Eingreifen darf das Registergericht nur dann, wenn der Gesellschaft unmittelbar Gefahr droht und ein akuter Handlungsbedarf besteht. Gleichzeitig zeigt das Urteil, dass Prozessvergleiche im Gesellschaftsrecht nicht bloß ein Stück Papier sind – wer sich daran nicht hält, riskiert, wichtige Rechte zu verlieren.

Gesellschafterstreit mit langer Vorgeschichte

Der Fall spielte sich in einer kleinen GmbH ab, die früher mit Antiquitäten handelte. Heute ist vom Geschäft nur noch der Besitz geblieben: zwei Immobilien, ein paar wertvolle Objekte – und jede Menge Streit. Die beiden Gesellschafter, die zugleich die einzigen Beteiligten sind, stehen sich seit Jahren unversöhnlich gegenüber. Auf einer Gesellschafterversammlung im Oktober 2020 soll der Geschäftsführer die Anteile der Mitgesellschafterin eingezogen haben. Diese wehrte sich sofort und beantragte beim Landgericht eine einstweilige Verfügung, um zu verhindern, dass eine geänderte Gesellschafterliste ans Handelsregister geschickt wird. Im anschließenden Prozessvergleich vom 25. November 2020 verpflichtete sich die GmbH, genau dies zu unterlassen – bis ein Hauptsacheverfahren endgültig abgeschlossen ist.

Verstoß gegen den Vergleich – und die Folgen

Doch die Realität sah anders aus. Im Juni 2023 reichte der Geschäftsführer dennoch eine neue Gesellschafterliste ein, die ihn als alleinigen Gesellschafter auswies. Das Registergericht nahm diese Liste auf. Für die Mitgesellschafterin war das ein Affront. Sie beantragte, selbst als Notgeschäftsführerin eingesetzt zu werden, um den Verkauf der Immobilien zu organisieren und – wie sie vortrug – drohende Schäden abzuwenden. Das Registergericht wies den Antrag ab. Die Beschwerde landete schließlich beim OLG Braunschweig – doch auch dort fand sie kein Gehör.

Grenzen der Legitimationswirkung einer Gesellschafterliste

Ein Kernpunkt der Entscheidung betrifft die Frage, ob sich eine GmbH überhaupt auf eine solche Gesellschafterliste berufen darf. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt grundsätzlich: Wer in der letzten im Handelsregister aufgenommenen Liste steht, gilt gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter. Normalerweise ein fester Grundsatz, der für klare Verhältnisse sorgen soll. Doch das OLG stellte klar, dass diese Regel ihre Grenzen hat. Wird eine Liste entgegen einem gerichtlichen Verbot oder – wie hier – entgegen einem Prozessvergleich eingereicht, kann sich die GmbH nicht auf diese formelle Legitimationswirkung berufen. Ein Prozessvergleich, so das Gericht, stehe rechtlich einer gerichtlichen Entscheidung gleich Vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Wer ihn bricht, handelt treuwidrig nach § 242 BGB. Das Resultat – Die Beschwerdeführerin durfte trotz fehlender Eintragung grundsätzlich als antragsberechtigt gelten.

Ultima Ratio: Wann darf ein Notgeschäftsführer bestellt werden?

Damit war der Weg für die eigentliche Prüfung frei. Lag ein Fall vor, der die Bestellung eines Notgeschäftsführers rechtfertigte? Hier greift eine analoge Anwendung des § 29 BGB. Nach gefestigter Rechtsprechung dürfen Registergerichte nur in äußersten Ausnahmefällen eingreifen. Zwei Voraussetzungen müssen erfüllt sein: Es darf kein handlungsfähiger Geschäftsführer vorhanden sein und es muss ein dringender Fall vorliegen. Dringend ist ein Fall nur dann, wenn ohne sofortiges Handeln ein konkreter Schaden droht oder eine unverzichtbare Maßnahme nicht rechtzeitig erfolgen kann. Diese Schwelle ist bewusst hoch angesetzt, um die Autonomie der Gesellschaft zu schützen. Das OLG spricht von einer echten „Ultima Ratio“.

Kein akuter Handlungsbedarf im entschiedenen Fall

Im konkreten Fall konnte das Gericht keinen solchen Notfall erkennen. Die Gesellschaft hatte schon seit geraumer Zeit keinen aktiven Geschäftsbetrieb mehr. Zwar wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die Immobilien nicht vermietet und Antiquitäten unter Wert verkauft würden. Doch diese Vorwürfe begründen nach Ansicht des Gerichts keinen akuten Handlungsbedarf. Es gab keine Hinweise auf unmittelbare Schäden wie einen drohenden Wasserrohrbruch oder eine vergleichbare Notlage. Auch laufende Verträge, deren Erfüllung nicht gefährdet werden durfte, waren nicht ersichtlich. Stattdessen ging es vor allem um die Frage, wie das Gesellschaftsvermögen verwertet werden soll – ein klassischer Gesellschafterstreit, den das Registergericht nicht durch die Bestellung eines Notgeschäftsführers lösen darf.

Wichtige Lehren für Gesellschafter und Gesellschaften

Ein bloßer Streit zwischen Gesellschaftern, so heftig er auch sein mag, rechtfertigt keinen Eingriff des Registergerichts. Die Bestellung eines Notgeschäftsführers darf nicht dazu dienen, strategische Machtkämpfe zu entscheiden. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn die Gesellschaft ansonsten handlungsunfähig wäre und ein erheblicher Schaden unmittelbar droht.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Urteil im Überblick:

  • Prozessvergleiche binden ebenso wie gerichtliche Entscheidungen
  • Ein Verstoß gegen den Vergleich schließt die Schutzwirkung der Gesellschafterliste aus
  • Die Bestellung eines Notgeschäftsführers ist nur bei akuter Gefährdung zulässig
  • Gesellschaftliche Autonomie bleibt vorrangig – Notgeschäftsführer sind kein Mittel gegen Streit

Gesellschaftliche Konflikte intern lösen – nicht über das Registergericht

Das Urteil hat zwei wichtige Botschaften für die Praxis. Erstens stärkt es die Bedeutung von Prozessvergleichen. Wer sich vertraglich verpflichtet, eine bestimmte Handlung – wie die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste – zu unterlassen, kann später nicht von der Schutzwirkung der Liste profitieren, wenn er diese Verpflichtung missachtet. Treu und Glauben setzen hier klare Grenzen. Zweitens zeigt die Entscheidung, wie hoch die Hürden für die Bestellung eines Notgeschäftsführers liegen. Dieses Instrument soll nur in echten Notsituationen greifen, nicht bei jedem Gesellschafterstreit.

Für GmbHs und ihre Gesellschafter bedeutet es, dass Konflikte in erster Linie innerhalb der Gesellschaft gelöst werden müssen – durch den Gesellschaftsvertrag, durch Beschlüsse oder im Rahmen klassischer Anfechtungsverfahren. Registergerichte dürfen nicht zum Schiedsrichter in unternehmerischen Auseinandersetzungen werden. Wer Unterstützung bei der rechtssicheren Gestaltung oder im Streitfall sucht, findet kompetente Unterstützung bei einem erfahrenen Anwalt für Gesellschaftsrecht.