Wer zahlt am Ende die teure Weiterbildung, wenn der Mitarbeiter kündigt
Wenn Arbeitgeber ihre Mitarbeiter fortbilden, knüpfen sie das nicht selten an Bedingungen. Schließlich kosten Studiengänge, Seminare und Zusatzqualifikationen viel Geld. Doch was passiert, wenn Beschäftigte trotz solcher Vereinbarungen kündigen? Genau darum ging es jetzt vor dem Landesarbeitsgericht Hamm – und die Richter fällten ein deutliches Urteil.
Der teure Traum vom Physician Assistant
Ein Physician Assistant hatte in einem Krankenhausverbund nicht nur gearbeitet, sondern zugleich ein von der Klinik finanziertes berufsbegleitendes Studium absolviert. Zur Erläuterung: Der Beruf des Physician Assistant (PA), im Deutschen oft als Arztassistent bezeichnet, ist ein akademisch qualifizierter Gesundheitsberuf. PAs übernehmen ärztlich delegierbare Aufgaben eigenständig – etwa bei Untersuchungen, in der Dokumentation oder als Assistenz im OP. Sie arbeiten Hand in Hand mit Ärztinnen und Ärzten und bilden eine zentrale Schnittstelle zwischen medizinischer Expertise und praktischer Umsetzung. Ziel des Berufsbildes ist es, den Klinikalltag zu entlasten und dem zunehmenden Ärztemangel im Gesundheitswesen entgegenzuwirken.
Der Kostenpunkt der oben erwähnten Ausbildung betrug über 29.000 Euro. Im Gegenzug unterschrieb der PA eine Vereinbarung, nach der er die Summe zurückzahlen sollte, falls er innerhalb von drei Jahren nach Studienende selbst kündigt.
Überlastung führt zur Kündigung
Ende 2023 zog der Mitarbeiter die Reißleine – aus Überlastung, wie er angab. Die Arbeitgeberin forderte daraufhin die Rückzahlung der Studienkosten. Zunächst bekam sie vor dem Arbeitsgericht teilweise recht, doch in zweiter Instanz entschied das LAG Hamm am 13. Juni 2025 zu dem Aktenzeichen 1 SLa 21/25 anders.
Klare Kante gegen pauschale Klauseln
Das Gericht stellte klar, dass eine pauschale Klausel, die jede Eigenkündigung automatisch zur Rückzahlungspflicht macht, unwirksam ist. Solche Bestimmungen benachteiligen Beschäftigte unangemessen – und zwar unabhängig davon, ob die Kündigung aus persönlichen Gründen, wegen Krankheit oder sogar aufgrund von Umständen erfolgt, die der Arbeitgeber zu verantworten hat.
Gründe für die Unwirksamkeit pauschaler Rückzahlungsklauseln:
- Unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB
- Keine Berücksichtigung der Kündigungsgründe
- Einseitige Risikoverlagerung auf den Arbeitnehmer
- Beschränkung der Kündigungsfreiheit durch finanzielle Drohkulisse
Juristisch stützte sich das LAG auf § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach sind Vertragsklauseln unwirksam, wenn sie Arbeitnehmer einseitig benachteiligen. Die Konsequenz: Nach § 306 BGB entfällt die Rückzahlungspflicht ersatzlos, die Weiterbildungsvereinbarung bleibt ansonsten aber bestehen. Der Arbeitnehmer darf sein abgeschlossenes Studium also behalten, ohne zahlen zu müssen.
Wenn Kirchenrecht nicht weiterhilft
Auch ein Rückgriff auf kirchliches Arbeitsvertragsrecht, konkret § 10a AVR-Caritas, half der Klinik nicht. Wer individuelle Vertragsbedingungen mit Rückzahlungsklauseln formuliert, kann sich später nicht auf allgemeine Richtlinien berufen, urteilten die Richter.
Das LAG Hamm hat mit dieser Entscheidung ein klares Signal gesetzt: Rückzahlungsklauseln müssen differenziert ausgestaltet sein. Beschäftigte dürfen nicht pauschal für jede Eigenkündigung in die Pflicht genommen werden. Andernfalls kippen die Gerichte solche Regelungen.
Ausblick und Konsequenzen
Für Arbeitnehmer ist das Urteil eine Stärkung: Wer aus nachvollziehbaren Gründen kündigt, etwa wegen Überlastung oder Krankheit, läuft nicht automatisch Gefahr, auf hohen Fortbildungskosten sitzen zu bleiben. Arbeitgeber hingegen sind gefordert, ihre Verträge präziser zu formulieren – und dürfen die Rückzahlung nicht mehr als „Druckmittel“ einsetzen.
Da das Gericht die Revision zugelassen hat, könnte bald das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine abschließende Klärung herbeiführen. Bis dahin bleibt das Signal aus Hamm eindeutig: Pauschale Rückzahlungsklauseln sind nicht haltbar. Bei Fragen zu Rückzahlungsvereinbarungen und Weiterbildungsverträgen hilft Ihnen ein Anwalt für Arbeitsrecht in der Nähe mit fundierter Beratung weiter.