Symbolisch - Möwe steht auf einem Bein - Einbeinige König

Urteil zum allgemeinen Gerichtsstand einer GmbH mit mehreren Amtsgerichtsbezirken

Die Redewendung „auf einem Bein kann man nicht stehen“ bedeutet, dass man sich nicht allein auf eine einzige Grundlage oder Ressource verlassen kann. Sie drückt aus, dass Stabilität und Erfolg oft mehrere Stützen oder Aspekte benötigen – sei es im Leben, in Beziehungen oder in beruflichen Zusammenhängen. Ohne diese zusätzlichen Elemente ist es schwierig, dauerhaft standfest und erfolgreich zu bleiben. Im juristischen Alltag hingegen spielt der konkrete Gerichtsstand die entscheidende Rolle – vor allem, wenn es um die Zuständigkeit in Gemeinden mit mehreren Amtsgerichtsbezirken geht. 

Ein aktueller Fall, der vom Kammergericht (KG) Berlin am 6. März 2025 unter dem Aktenzeichen 2 UH 2/25 entschieden wurde, zeigt exemplarisch, wie der allgemeine Gerichtsstand bei juristischen Personen, insbesondere GmbHs, zu bemessen ist. Dabei kommt es maßgeblich auf den im Gesellschaftsvertrag festgelegten Sitz an, auch wenn der Verwaltungssitz oder die Geschäftsadresse an einem anderen Ort liegen. Entscheidend ist, ob die im Handelsregister vermerkte Geschäftsadresse den Sitz der Gesellschaft einem bestimmten Amtsgerichtsbezirk innerhalb einer politischen Gemeinde, beispielsweise Berlin, eindeutig zuordnen lässt.

Zuständigkeit auf dem Prüfstand – von Wedding über Hamburg zum Kammergericht

Im vorliegenden Fall beantragte ein Gläubiger am 19. November 2024 beim Amtsgericht Wedding den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen eine Schuldnerin in Form einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), die als GmbH geführt wird. Während der Gesellschaftsvertrag den Sitz mit „Berlin“ angab, führte die Geschäftsadresse im Handelsregister in Hamburg hin – eine Tatsache, die sofort Fragen zur richtigen Zuständigkeit aufwirft. Nach intensiver Anhörung des Gläubigers erklärte zunächst das Amtsgericht Wedding, dass es örtlich nicht zuständig sei. Daraufhin wurde der Fall an das Amtsgericht Hamburg weitergeleitet, da dort der Verwaltungssitz verortet sei. Doch auch Hamburg stellte nach Befragung fest, dass die Zuständigkeit nicht gegeben sei, und übergab den Fall an das Kammergericht (KG), um eine abschließende Entscheidung zu treffen.

Das KG Berlin fand schließlich, dass das Amtsgericht Wedding als örtlich zuständig einzustufen sei. Diese Entscheidung basiert auf der Tatsache, dass für juristische Personen – hier speziell für eine GmbH – der im Gesellschaftsvertrag festgelegte Sitz nach § 17 Abs. 1 ZPO vorrangig herangezogen wird. Auch wenn der Verwaltungssitz an einem anderen Ort liegt, bleibt der vertraglich fixierte Sitz die zentrale Determinante für die Zuständigkeit.

Handelsregister und Wahlrecht: Präzision mit Folgen

Interessant wird es, wenn die im Handelsregister eingetragene Geschäftsadresse den Sitz innerhalb eines bestimmten Amtsgerichtsbezirks konkretisiert. In einem solchen Fall zählt eben diese Angabe als Richtwert. Kann diese Konkretisierung nicht erfolgen – weil der Verwaltungssitz außerhalb der politischen Gemeinde liegt – erhält der Antragsteller ein Wahlrecht, denn alle Amtsgerichte der betreffenden Gemeinde wären dann zuständig. Diese Auffassung wurde bereits in einem Beschluss des KG vom 11. Oktober 2007 (Az. 2 AR 41/07) sowie in einem späteren Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. April 2021 (Az. 11 SV 16/21) bestätigt. Im vorliegenden Fall, in dem der statutarische Sitz und der Verwaltungssitz bzw. die Geschäftsadresse nicht in derselben politischen Gemeinde liegen, hat der Senat eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung vollzogen und sich der Sichtweise des OLG Frankfurt am Main angeschlossen. Selbst wenn man die bisherigen Urteile so interpretieren könnte, dass ein Wahlrecht auch bei einer möglichen Konkretisierung des Gerichtsstands bestehen würde, bleibt diese Unklarheit im konkreten Fall letztlich ohne maßgeblichen Einfluss.

Wegweisender Beschluss mit praktischer Tragweite

Der Beschluss des KG Berlin unterstreicht, dass der im Gesellschaftsvertrag festgelegte Sitz – auch wenn er rein fiktiv sein kann – maßgeblich für den Gerichtsstand ist, unabhängig von der Lage des Verwaltungssitzes oder der Geschäftsadresse. Gleichzeitig zeigt der Fall, wie wichtig es ist, die Angaben im Handelsregister genau zu interpretieren und zu verstehen, welche Rolle sie bei der Bestimmung des zuständigen Amtsgerichts spielen. Mit diesem wegweisenden Urteil könnte eine zukünftige Neuausrichtung in der juristischen Praxis eingeleitet werden – eine Entwicklung, die nicht nur für die Rechtsprechung, sondern auch für die betroffenen Unternehmen von großer Bedeutung ist.

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