Der deutsche Journalist Wolfram Weidner definierte den Begriff der Lebensversicherung wie folgt: Ein Lotto, in dem man nur gewinnt, wenn man Pech hat. Zugegeben, des Pudels Kern ist hier treffend beschrieben. Besonders kann sich die Pechsträhne verstärken, wenn Gläubiger im Rahmen einer Pfändung der Versicherung habhaft werden würden, denn eine Lebensversicherung sollte im Alter oder die Hinterbliebenen absichern, weniger die Gläubiger.
Nachdem eine Forderung mittels Vollstreckungsbescheid oder Urteil tituliert wurde, hat der Gläubiger die Option, beim Amtsgericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu erwirken. Dadurch kann der aktuelle Wert der Versicherungssumme beim zuständigen Versicherungsunternehmen des Schuldners gepfändet werden. Eine vorzeitige Kündigung des Versicherungsvertrags steht dem Gläubiger nur dann offen, wenn eine entsprechende Möglichkeit zum Rückkaufswert im Vertrag verankert ist. Andernfalls bleibt dem Gläubiger nichts anderes übrig, als bis zum vertraglichen Beendigungszeitpunkt des Versicherungsvertrags zu warten.
Lebensversicherung ist nur mit Zustimmung umwandelbar
In der Regel sind Lebensversicherungsverträge vorzeitig zu einem vorhersehbaren Rückkaufswert kündbar. In einem solchen Fall kann der Gläubiger mithilfe eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf den Rückkaufswert der Kapitallebensversicherung zugreifen. Um einem solchen Szenario vorzubeugen, könnte beispielsweise das eigene Kind als Bezugsberechtigter im Versicherungsvertrag unwiderruflich eingetragen werden. Beachtet werden sollte jedoch, dass eine Lebensversicherung, die bereits vor der beabsichtigten Umwandlung gepfändet wurde, nicht ohne Zustimmung des pfändenden Gläubigers umgewandelt werden kann.
Der Unterschied eines unwiderruflichen und widerruflichen Bezugsrechts
Eine Pfändung kann durch die Einrichtung eines unwiderruflichen Bezugsrechts vermieden werden. Bei einem widerruflichen Bezugsrecht kann der Anspruch jedoch im Zuge einer Änderung des Bezugsrechts gepfändet werden, falls das Bezugsrecht entsprechend widerrufen wird. Bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht greift eine Pfändung gegen den Versicherungsnehmer nicht auf den Versicherungsvertrag über. Diese Rechtsauffassung wurde im Leitsatz des BGH-Urteils vom 18.06.2003 (AZ IV ZR 59/02) festgehalten: „Bei Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts auf den Erlebensfall erwirbt der Bezugsberechtigte die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich sofort.“ Insbesondere für Freiberufler oder Gewerbetreibende stellt dies eine Möglichkeit dar, sich bei drohender Insolvenz zu schützen.
Wozu dient die Lebensversicherung?
Die Lebensversicherung dient dazu, sogenannte „biometrische Risiken“ abzusichern.
Diese Risiken umfassen:
- Das Risiko des Ablebens während der Vertragslaufzeit, bei dem ein Vermögen angespart wird, um die Hinterbliebenen zu unterstützen.
- Das Risiko des langen Lebens, bei dem das angesparte Vermögen im Alter als Rente genutzt werden kann.
- Das Risiko der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, bei dem das angesparte Vermögen die Lebenskosten decken soll, wenn Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich ist.
Der Lebensversicherungsvertrag wird zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer abgeschlossen. Der Versicherungsnehmer kann auch einem Dritten, insbesondere Hinterbliebenen, Rechte einräumen, was als Vertrag zugunsten Dritter bezeichnet wird. Die gegenseitigen Vertragspflichten richten sich nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Gemäß dem VVG verpflichtet sich der Versicherungsnehmer zur Zahlung der vereinbarten Prämien, während der Versicherer nach Eintritt der Fälligkeit die vereinbarte Summe oder Rente leisten muss.
Die verschiedenen Typen von Lebensversicherungen
Es existieren verschiedene Typen von Lebensversicherungen, darunter Risikoversicherung, gemischte Versicherung, Rentenversicherung und Versicherung auf eigenes oder fremdes Leben. Ein entscheidendes Kriterium ist zunächst, ob der Vertrag ein sogenanntes Kapitalwahlrecht vorsieht. In diesem Fall kann der Versicherungsnehmer nach der Ansparphase wählen, sämtliche Leistungen aus der Lebensversicherung auf einmal ausbezahlt zu bekommen. Einige Versicherungen sehen hingegen ausschließlich monatliche Rentenzahlungen vor, und genau darum geht es hier zunächst.
Rürup-Rente und Riester-Rente vor Pfändung geschützt
Der Gesetzgeber gewährt bestimmten Formen der privaten Altersvorsorge besonderen Schutz vor Pfändungen, zu denen unter anderem die „Rürup-Rente“ und die „Riester-Rente“ zählen. In diesem Kontext können vorteilhafte Schnittstellen mit Lebensversicherungen entstehen. Traditionell verleihen Lebensversicherungen dem Begünstigten das Recht, den Kapitalwert der Versicherung auf einmal auszahlen zu lassen. Diese Möglichkeit kann von Anfang an vorgesehen sein oder dem Versicherungsnehmer als Wahlmöglichkeit – das sog. Kapitalwahlrecht zur Verfügung stehen. Grundsätzlich können solche Lebensversicherungen von Gläubigern vollständig gepfändet werden.
Einige Lebensversicherungen sind so konzipiert, dass sie ausschließlich im Todesfall des Versicherungsnehmers ausgezahlt werden. Auch hier besteht ein gewisser Pfändungsschutz, da gemäß § 850b Abs. 2 Nr. 4 ZPO-Ansprüche aus solchen Lebensversicherungen grundsätzlich unpfändbar sind, sofern die Versicherungssumme 5.400 € nicht übersteigt.
Diese Regelung schützt im Kern Lebensversicherungen, die lediglich die Begräbniskosten der Nachkommen abdecken sollen. Allerdings bleibt ein Betrag von 5.400 € auch dann pfändungsfrei, wenn die Gesamtsumme der Lebensversicherung höher ist. Dennoch sollte Vorsicht geboten sein, da in Ausnahmefällen die gesamte Lebensversicherung gepfändet werden kann, inklusive des Freibetrags von 5.400 €.
Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Vollstreckung in das übrige bewegliche Vermögen des Schuldners nicht ausreicht, um den Gläubiger vollständig zu befriedigen und dies nicht zu erwarten ist. Zudem muss die Pfändung den Umständen des Falls gemäß der Billigkeit entsprechen, wobei das Vollstreckungsgericht im Einzelfall darüber entscheidet. Hier bietet sich ein Argumentationsspielraum, um die Pfändung der Lebensversicherung abzuwenden. Wenn das Gericht die Pfändbarkeit des Freibetrags bejaht, gelten dieselben Pfändungsfreigrenzen wie beim Arbeitseinkommen.
Regelungen für Selbstständige
Eine Gruppe fiel bis dato jedoch durch das Raster im Rahmen einer Insolvenz- und Vollstreckungssituation, denn ein erheblicher Teil der Altersvorsorge von Selbstständigen beruht nun einmal auf Lebensversicherungsverträgen. Für diese Gruppe ist es daher von entscheidender Bedeutung, dass dieses Altersvorsorgevermögen vor dem Zugriff von Gläubigern im Rahmen von Pfändungen geschützt ist. Bisher gab es nur begrenzte Möglichkeiten, Lebensversicherungsverträge pfändungssicher zu gestalten.
Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Problem erkannt und den Gesetzgeber dazu verpflichtet, die Altersversorgung von Selbstständigen den Altersversorgungen von Arbeitnehmern gleichzustellen. Daraufhin hat der Gesetzgeber die §§ 851c und 851d ZPO geschaffen.
Diese beiden Normen bieten Selbstständigen einen bedeutsamen Schutz für ihre Rentenansprüche aus privaten Versicherungen vor Pfändungen. Dieser Schutz wird aber nur dann gewährt, wenn vertraglich vereinbart ist, dass die Rentenzahlungen erst nach dem 60. Lebensjahr beginnen, der Selbstständige nicht über die Ansprüche verfügen kann und Bezugsberechtigungen sowie Kapitalauszahlungen an Dritte, mit Ausnahme von Hinterbliebenen, ausgeschlossen sind.
Um diesen neuen Pfändungsschutz zu erhalten, müssen Selbstständige keine neuen Versicherungsverträge abschließen. Bestehende Verträge können gemäß § 167 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) jederzeit in solche umgewandelt werden, die den Anforderungen gemäß § 851c Absatz 1 ZPO entsprechen.
Vor der sogenannten Insolvenzanfechtung sind solche Ansprüche aber nur geschützt, wenn diese mindestens drei Monate und ein Tag vor der Insolvenzantragstellung umgestellt wurden.
Das Ziel: Schutz vor Altersarmut
Der Entscheidung des Verfassungsgerichts und damit auch der des Gesetzgebers lag dabei der Gedanken zugrunde, dass jede Person vor der Altersarmut geschützt werden sollte. Damit Selbstständige eine Altersversorgung aufbauen können, die vor der Altersarmut schützt, können diese jährlich einen bestimmten Betrag in ihren Vertrag einzahlen. Dieser Betrag ist gestaffelt nach dem Lebensalter und kann bis zu einer Gesamtsumme von 340.000 EUR unpfändbar angesammelt werden. Welcher Betrag für welches Alter pfändungssicher angespart werden kann, kann dem § 851c ZPO entnommen werden.
Übersteigt der Rückkaufwert der Alterssicherung den unpfändbaren Betrag, sind drei Zehntel des überschüssigen Betrags unpfändbar, während der restliche Betrag pfändbar ist. Dies gilt jedoch nicht für Rückkaufswerte, die das Dreifache der Versicherungssumme übersteigen, was einem Wert von 1.020.000 EUR entspricht – dieser übersteigende Betrag ist vollständig pfändbar.
Und was ist mit dem geförderten Altersvermögen?
Renten, die aus steuerlich gefördertem Altersvorsorgevermögen stammen, unterliegen in der Regel nicht dem Pfändungsschutz gemäß § 851c, da die steuerliche Förderung an andere Kriterien gebunden ist. Stattdessen greift normalerweise der Pfändungsschutz gemäß § 850 Absatz 3b der Zivilprozessordnung (ZPO). Dies bedeutet, dass Renten, die aufgrund von Versicherungsverträgen gewährt werden, die dazu dienen, den Versicherungsnehmer (VN) oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen zu versorgen, nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden können. Bislang konnten Selbstständige, Freiberufler und Nichterwerbstätige diesen Schutz nicht in Anspruch nehmen, da § 850 ZPO ausschließlich abhängig Beschäftigten vorbehalten war.
§ 851d der ZPO schließt diese Lücke für Freiberufler und Nichterwerbstätige. Nach dieser Regelung sind monatliche Leistungen in Form einer lebenslangen Rente oder monatlicher Ratenzahlungen gemäß eines Auszahlungsplans gemäß § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes aus steuerlich gefördertem Altersvorsorgevermögen künftig wie Arbeitseinkommen pfändbar, was bedeutet, dass sie dem Schutz gemäß § 850c ZPO unterliegen.
Nicht erfasst wird insbesondere eine Einmalkapitalauszahlung zu Beginn der Auszahlungsphase gemäß dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz. Ebenfalls kein Pfändungsschutz besteht, wenn der Berechtigte von der steuerlich zulässigen Möglichkeit der Abfindung einer Kleinbetragsrente Gebrauch macht, da es sich dabei jeweils nicht um laufende Leistungen handelt
Was bedeutet das nun für die Pfändung der Lebensversicherung?
Zusammenfassend lässt sich demnach der folgende Schluss ziehen: Forderungen aus einer Lebensversicherung können grundsätzlich gepfändet werden. Falls kein Kapitalwahlrecht vereinbart wurde, besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein recht solider Schutz vor Pfändungen für das Ansparguthaben. Die monatlichen Renten unterliegen nur den üblichen Freigrenzen bei einer Pfändung. Sollten Sie über ein Kapitalwahlrecht verfügen, ist es ratsam, sich rechtzeitig um eine pfändungssichere Ausgestaltung Ihrer Lebensversicherung zu kümmern.
Insbesondere Selbstständige sollten hier besonders aufmerksam sein, aber dank der Nachbesserung durch den Gesetzgeber haben auch diese die Möglichkeit, ihr Vermögen aus einer Lebens- oder Rentenversicherung zu schützen und somit ihr Renteneinkommen zu sichern. Bei Fragen steht Ihnen Ihr Fachanwalt für Insolvenzrecht und Sanierungsrecht von der Kanzlei BRAUN gerne zur Seite.